Gemeinsam bei der Flüchtlingsabwehr
Der britische Premier Keir Starmer und Italiens Regierungschefin Meloni wollen den Kampf gegen Flüchtlinge verschärfen
Mit dem britischen Premierminister, Keir Starmer, hat Italiens faschistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am Montag in Rom in Rom die Zusammenarbeit bei der verstärkten Flüchtlingsabwehr beraten. Wie die staatliche Nachrichtenagentur ANSA berichtete, bestätigten die Gespräche, daß trotz einiger offensichtlicher Unterschiede die »äußerst solide Zusammenarbeit«, die Giorgia Meloni mit »ihrem Freund Rishi Sunak« begonnen hatte, nicht beeinträchtigt sei.
Der neue Premierminister von der Labour-Partei kam nach eigenen Angaben nach Rom, um »das italienische Modell« zu studieren, nicht nur das »Albanien-Projekt«, sondern auch die Strategie der italienischen Rechtsregierung, die darauf abzielt, die Wanderungen der Flüchtlinge zu stoppen sowie die »Techniken« zur Überwachung des »Phänomens«.
Schleuser als »Fluchtursache«
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Montag lobte er, Ministerpräsidentin Meloni habe »bemerkenswerte Fortschritte bei der Zusammenarbeit mit Ländern entlang der Migrationsrouten erzielt«, indem sie »die Ursachen der Migration an der Wurzel angepackt« habe und »gegen die Schlepperbanden vorgegangen« sei. Infolgedessen seien »die irregulären Einreisen nach Italien auf dem Seeweg seit 2022 um 60 Prozent zurückgegangen«.
In Rom fiel auf, daß Starmer, obwohl er den »Ruanda-Plan«, eine alternative Initiative seines Vorgängers Sunak zur Überstellung von Asylbewerbern in das afrikanische Land, nach seiner Ankunft in der Downing Street im vergangenen Juli verworfen hatte, besonderes Interesse an den Plänen der Regierung in Rom zeigte, Zentren zur Bearbeitung von Asylanträgen in Albanien zu errichten. Ein von Giorgia Meloni im November vergangenen Jahres mit der albanischen Regierung in Tirana geschlossenes Abkommen sieht vor, in Albanien zwei Aufnahmelager für jeweils 3.000 Menschen, für 2024 insgesamt etwa 36.000, zu errichten, um Abschiebungen zu erleichtern.
Gemeinsam mit Innenminister Matteo Piantedosi besuchte der Gast aus London auch das nationale Koordinationszentrum für Migration in Rom. Starmer erschien in Begleitung von Martin Hewitt, dem neuen Leiter der von der Labour-Regierung eingerichteten Task Force zur Bekämpfung der illegalen Landungen an der Küste des Vereinigten Königreichs. Nachdem Starmer bereits vor Antritt seiner Reise nach Rom erklärt hatte, seine Regierung werde »gegen die Menschenhändlerbanden. die das Leben von Männern, Frauen und Kindern verkaufen« entschieden vorgehen, hatten Mitglieder seiner Parlamentsmehrheit und NGOs, wie auf der Titelseite des »Guardian« zu lesen war, kritisiert, daß er die »illegalen Einwanderungspläne der extremen italienischen Rechten« »kopieren« wolle.
Druck auf die Justiz beim Prozeß gegen Vizepremier Salvini
Starmers Besuch erfolgt drei Tage nach der Eröffnung eines Prozesses in Palermo, in dem die Staatsanwaltschaft für den früheren Innenminister und Vizepremier, Lega-Chef Matteo Salvini, eine Haftstrafe von sechs Jahren gefordert hatte, weil dieser 2019 dem Rettungsschiff »Open Arms« mit mehr als 160 im Mittemeer aus Seenot geretteten Flüchtlingen wochenlang ein Einlaufen in einen italienischen Hafen verweigert hatte.
Die Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen an, daß sich der Rechtspopulist sowohl der Freiheitsberaubung als auch des Amtsmißbrauchs schuldig gemacht hat. Darauf stehen in Italien bis zu 15 Jahre Haft. Salvini hatte im August 2019 verfügt, daß das Schiff einer spanischen Hilfsorganisation nicht in den Hafen der Mittelmeerinsel Lampedusa einlaufen darf, um illegale Migration zu verhindern. Die »Open Arms« hatte mehr als 160 Menschen an Bord, die auf dem Weg von Afrika nach Europa aus Seenot gerettet worden waren.
Vor der Küste Lampedusas spielten sich damals dramatische Szenen ab. Mehrfach sprangen Menschen ins Wasser und versuchten, an Land zu schwimmen. Die Staatsanwaltschaft ließ die »Open Arms« schließlich nach drei Wochen beschlagnahmen, so daß das Schiff anlegen konnte.
Die Vorwürfe weist Salvini seit jeher als »politisches Machwerk der Linken« zurück. Dem Gerichtssaal in Siziliens Hauptstadt Palermo blieb er demonstrativ fern. Er äußerte sich aber in einem dramatisch inszenierten, fast vierminütigen Video. In seiner Verteidigungsrede erklärte er: »Ich bekenne mich schuldig, Italien und die Italiener zu verteidigen. Ich bekenne mich schuldig, mein Wort zu halten.«
Zusammen mit Meloni und deren Partei Fratelli d'Italia sprang ihm auch der andere Koalitionspartner zur Seite, die vom inzwischen verstorbenen Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi gegründete Partei Forza Italia. Salvini habe »nur seine Pflicht getan«, hieß es von dort. Rückendeckung erhielt der Minister auch vom US-amerikanischen Tech-Milliardär Elon Musk, der auf seiner Plattform X schrieb: »Es ist dieser verrückte Staatsanwalt, der sechs Jahre ins Gefängnis gehen sollte, das ist verrückt.«
Für Giorgia Meloni, die das Verhalten Salvinis, der auch heute ihr Vizepremier ist, entschieden verteidigt und es auf der Plattform X »unglaublich« nannte, einem Minister der Republik Italien sechs Jahre Gefängnis anzudrohen, weil er seine Aufgabe, »die Grenzen der Nation zu verteidigen« wahrgenommen hat, war Stramers Besuch eine willkommene Unterstützung ihrer Haltung, mit massivem Druck auf die Justiz eine Verurteilung ihres Vize zu einer Gefängnisstrafe zu verhindern.
Der Prozeß, der voraussichtlich im nächsten Monat zu Ende geht, könnte durchaus mit einer Verurteilung Salvinis enden und so zu einer Machtprobe zwischen ihr und der Justiz werden. Denn die eher linksgerichtete Opposition kritisiert, Meloni wolle mit ihrer Rechtsaußen-Koalition auf unzulässige Weise eine Verurteilung verhindern. Die Vorsitzende des sozialdemokratischen Partei Democratico (PD), Elly Schlein, warf Meloni vor, den Grundsatz der Gewaltenteilung zwischen Staat und Justiz zu mißachten. Auch Italiens Verband der Richter und Staatsanwälte sprach von »unzulässigem Druck«.