Luxemburg07. August 2021

RTL übernimmt Zeitschriftengeschäft von Bertelsmanns Pressesparte

»Stern«, »Geo«, »Brigitte« und »Gala« wechseln innerhalb des deutschen Medienriesen den Eigentümer

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Der deutsche Zeitschriftenverlag Gruner und Jahr soll innerhalb des deutschen Medienriesen Bertelsmann abgewickelt werden. Wie die ihrerseits zu über 75 Prozent Bertelsmann gehörende RTL Group am Freitag in Luxemburg mitteilte, übernimmt sie von G + J die deutschen Magazingeschäfte und -marken. Der Abschluß der Transaktion sei für den 1. Januar 2022 vorgesehen. Der Kaufpreis betrage 230 Millionen Euro.

Wie es hieß, wurde die Übernahme der in einer tiefen Krise steckenden hundertprozentigen Bertelsmann-Tochter direkt zwischen RTL und Bertelsmann vereinbart. Zu Gruner und Jahr mit Sitz in Hamburg zählen Titel wie »Stern«, »Geo«, »Brigitte«, »Capital«, »Essen & Trinken«, »Gala«, »Chefkoch« und »Schöner Wohnen«. Bis vor wenigen Jahren gehörte er zu den vier auflagenstärksten deutschen Magazinverlagen, beim Anzeigen- und Verkaufsumsatz war er gar die Nummer zwei. 2001 flossen Erlöse von drei Milliarden Euro, 2013 immerhin zwei Milliarden, 2020 nur noch 1,14 Milliarden. Dazwischen lag der Rückzug aus mehreren Auslandsmärkten und 2002 der Verkauf der Hamburger und Berliner Zeitungen sowie 2012 die Einstellung der »Financial Times Deutschland«. In diesem Jahr dürfte der Umsatz auf unter 800 Millionen Euro sinken. Denn Ende Mai wurde auch das letzte Auslandsgeschäft verkauft. In Frankreich war man mit 1.200 Beschäftigten und 271 Millionen Euro Umsatz (2020) der führende Verlag für Publikumszeitschriften. Aber Print gehört wohl nicht mehr zu den Märkten, auf denen der Konzern in die Zukunft investieren will.

Die RTL Group, die im Bertelsmann-Konzernportfolio regelmäßig den größten Anteil an Umsatz und Profit beisteuert, soll nicht alle Geschäfte von Gruner und Jahr übernehmen. Unter anderem die 25-prozentige Beteiligung an der Spiegel-Gruppe und die Beteiligung an der DDV Mediengruppe, zu der z.B. die »Sächsische Zeitung« gehört, bleiben bei Bertelsmann.

»Champions« kämpfen um den Werbekuchen

Mit der Übernahme solle ein »nationaler crossmedialer Medienchampion« geschaffen werden, erklärten die Konzerne. Die zuständigen Gremien der Unternehmen seien zu dem Schluß gekommen, »daß RTL Deutschland und G + J ihr Wachstumspotential gemeinsam besser ausschöpfen können«, erklärte Bertelsmann-Chef Thomas Rabe. Möglich seien Synergien in Höhe von rund 100 Millionen Euro pro Jahr. Dreiviertel davon kämen durch zusätzliches Wachstum zustande, sagte ein Sprecher. Ungefähr ein Viertel entfalle auf Einsparungen – auch bei den Personalkosten. Die Höhe eines möglichen Personalabbaus stehe noch nicht fest. Derzeit haben RTL und G + J in Deutschland insgesamt 7.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Bereits Ende April hatte Bertelsmann-Chef Rabe auf einer Tagung für Führungskräfte erklärt, wie sich der größte deutsche Medienkonzern auf regionalen Märkten der meist US-amerikanischen Streaming-Konkurrenz stellen will. Netflix, Amazon, Disney und Co. untergraben das Geschäftsmodell des werbefinanzierten Privatfernsehens, wo die RTL Group unterwegs ist. Da Bertelsmann erkannt hat, daß ein globaler Wettbewerb mit den USA-Multis nicht zu gewinnen ist, orientiert sich der Konzern nun auf begrenzte Märkte, wo er »nationale Medienchampions« schaffen will, die sich gegen die USA-Konkurrenz behaupten können. Ein »Champion« ist der führende Akteur in einem Land oder einer Region. Hier sieht man noch Marktchancen, und dazu wird der Konzern derzeit umgebaut.

Die größten Hoffnungen von Bertelsmanns Konzernführung liegen dabei auf RTL. Nicht umsonst ist Rabe dort ebenfalls Vorstandschef. Die RTL Group bereinigt gerade ihr Terrain im benachbarten Ausland. In Frankreich ist sie mit 48,6 Prozent Hauptaktionär bei der Groupe M6. Die wird mit der Konkurrentin Groupe TF1 zusammengelegt, die dem französischen Baukonzern Bouygues gehört. Im Ergebnis soll noch ein »nationaler Champion« mit einem Jahresumsatz von 3,4 Milliarden Euro und einem operativen Gewinn (EBITDA) von 461 Millionen (Pro-forma-Zahlen für 2020) entstehen.

Ähnlich in den Niederlanden: Dort wird man RTL Nederland mit der Konkurrentin Talpa Media von John de Mol vereinigen. Beide betreiben Fernseh- und Radiosender, Print- und Digitalmedien sowie E-Commerce-Plattformen, RTL zudem den Streaming-Dienst »Videoland«. Der neue niederländische Champion steht (nach Zahlen von 2020) für 909 Millionen Euro Umsatz und 84 Millionen EBITDA. RTL wird 70 Prozent der Aktien halten, Talpa den Rest.