Ausland09. Oktober 2009

Saakaschwili ist der Aggressor

Reaktionen auf den Bericht der EU-Untersuchungskommission zum Kaukasus-Krieg

Im August vergangenen Jahres haben die georgischen Streitkräfte auf Befehl Präsident Saakaschwilis bekanntlich mit einer massiven Militäroperation Südossetien überfallen. Dessen Hauptstadt Zchinwali wurde verwüstet. Hunderte Einwohner wurden getötet, Tausende flüchteten in das zu Rußland gehörende Nordossetien. Auch eine Reihe in Südossetien stationierte russische Friedenssoldaten verloren ihr Leben.

Auf Wunsch der Regierung Südossetiens griff Rußland in den bewaffneten Konflikt ein. Georgien erlitt eine vernichtende Niederlage. Saakasch-wili begründete den Überfall vor allem mit einer Art Neuauflage der Gleiwitz-Lüge, indem er behauptete, auf einen zuvor erfolgten Einmarsch russischer Truppen durch den Roki-Tunnel nach Südossetien reagieren zu müssen. Politiker und die Massenmedien in den USA und den NATO-Staaten schlossen sich weitgehend seinen Behauptungen an. Besonders hervorgetan haben sich dabei die Führungen Polens und der baltischen Staaten.

Zur Untersuchung der gegenseitigen Vorwürfe der am Krieg beteiligten Seiten wurde dann allerdings von der EU eine Expertenkommission unter Leitung der Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini gebildet. Sie hat – wie bereits berichtet – vor einigen Tagen in Brüssel ihre Ergebnisse in einem umfangreichen Dokument vorgelegt. Die wichtigsten Erkenntnisse, zu denen die Experten gekommen sind, stellen keine Überraschung dar:

* Georgiens Präsident Saakaschwili hat den Krieg begonnen, als er den Befehl zum Angriff auf die südossetische Hauptstadt Zchinwali gab. Einen vorherigen russischen Einmarsch in Südossetien hat es nicht gegeben. Saakaschwilis Begründung für den Krieg war folglich eine dreiste Propagandalüge.

* Rußland wird vorgeworfen, in seiner Reaktion auf den georgischen Überfall über die vernünftigen Grenzen der Selbstverteidigung hinausgegangen zu sein. Die russische Militäraktion außerhalb der Grenzen Südossetiens sei eine unnötige Eskalation und ein Verstoß gegen internationales Recht gewesen.

* Auch die UNO, OSZE, EU und NATO werden kritisiert. Sie alle seien vor Ausbruch des Konflikts vor Ort gewesen. Ihr Mangel an rechtzeitigem und entschlossenem Handeln habe zum Ausbruch der Krise beigetragen.

* Schließlich gibt es einen Passus im Bericht, der offensichtlich auf die Verantwortung der USA für die Aggression gemünzt ist, die zum Zeitpunkt des Überfalls auf Südossetien mit einer großen Zahl von Militärberatern in Georgien vertreten waren und die georgische Armee massiv aufgerüstet hatten. Es heißt im Bericht, die Gewährung von Militärhilfe müsse auch dann, wenn sie nicht gegen internationales Recht verstoße, in einem gesunden Rahmen bleiben.

Trotz der kritischen Aussagen zu Rußland besteht der Kern des Berichts in einem vernichtenden Urteil über den Abenteurer und Kriegsbrandstifter Saakaschwili sowie seine Paten in den USA, der NATO und der EU. Und dieses Urteil gilt auch für die Mehrheit der westlichen Medien, die die Lügen Saakaschwilis übernommen haben.

Saakaschwili kommentierte nach Bekanntwerden der Grundaussagen des Berichts: »Ein paar Idioten meinen da, wir hätten den Krieg angefangen…« Und sein Integrationsminister Jakobaschwili wiederholte schlicht und einfach die von der Kommission widerlegte Lüge, Rußland habe mit einer Invasion Südossetiens den Krieg begonnen. Deshalb könne Georgien mit einigen der in Brüssel getroffenen Schlußfolgerungen nicht einverstanden sein.

Die Sprecherin des russischen Präsidenten Medwedjew, Natalia Timakowa, erklärte: »Wenn die Kommission zu dem Schluß kommt, daß Georgien den Krieg begonnen hat – so wie Rußland es deutlich und jederzeit gesagt hat –, dann können wir diese Ergebnisse nur begrüßen.« Das Außenministerium wies jedoch auch auf im bericht enthaltene Zweideutigkeiten hin, »die vor Augen führen, daß diese Schlußfolgerungen gekünstelt sind«. Das betreffe unter anderem die »nichtangemessene Gewaltanwendung« durch die russische Seite.

In der Tat, die im Bericht nahegelegte Position, Rußland hätte nach der Vertreibung des Aggressors aus Südossetien an dessen Grenze Halt machen müssen und auch keine Bombardierungen in Georgien vornehmen dürfen, scheint weltfremd und an den Haaren herbeigezogen. Daß gegen einen Aggressor auch Schläge auf seinem eigenen Territorium ausgeführt werden, mit dem Ziel, dort möglichst viel von seinem militärischen Potential und seiner militärisch wichtigen Infrastruktur zu zerstören, um ihn an einer neuen Aggression zu hindern, scheint durchaus logisch und nachvollziehbar zu sein. Eine andere Frage ist allerdings die, in welchem Umfang es dabei auch zivile Opfer gegeben hat, die vermeidbar gewesen wären.

Manche russischen Politiker gehen weiter als die Präsidentensprecherin und das Außenministerium. So forderte Rußlands Botschafter bei der NATO, Rogosin, vor der Presse in Brüssel: »Nach der Veröffentlichung ihres Berichts zu den Umständen und Ursachen dieses Krieges durch die internationale Kommission werden sich einige westliche Politiker dafür entschuldigen müssen, daß sie Rußland kübelweise mit Dreck übergossen hatten.« Darauf wird er aber wohl leider ebenso vergeblich warten müssen wie der Präsident Südossetiens, Eduard Kokoity, der verlangte, Saakaschwili wegen des von ihm angezettelten Krieges und der begangenen Kriegsverbrechen juristisch zur Verantwortung zu ziehen.

Abchasiens Außenminister Sergej Schamba befürchtet sicher nicht zu Unrecht, daß »die Schlußfolgerungen, zu denen die unabhängige Kommission gekommen ist, zu nichts führen werden«, wenn er feststellt: »Die europäische Politik ist so abhängig von den USA, die so bedingungslos Saakaschwili unterstützen, daß ich keine großen Hoffnungen darauf hege.« Was die USA betrifft, so haben diese nach dem Krieg ihre Militärberater nicht nur nicht zurückgezogen, sondern weiter aufgestockt und sie liefern in großem Umfang modernes Kriegsgerät an den Aggressor obwohl dieser keinen Zweifel daran läßt, daß er sich mit der Niederlage nicht abfinden will.

Einige notwendige Schlußfolgerungen sind im Bericht der Untersuchungskommission leider nicht enthalten: Der Krieg im Südkaukasus hat in aller Deutlichkeit gezeigt, welche Gefahren von einer Aufnahme Georgiens in die NATO ausgehen würden. Wäre dieses Land im August vergangenen Jahres Mitglied dieses Militärpakts gewesen, so wäre der Bündnisfall eingetreten und der Abenteurer Saakasch-wili hätte die Welt in einen großen Krieg unter Beteiligung von Atommächten treiben können. Das gilt übrigens nicht nur für Georgien. Auch die im Zuge der Osterweiterung in die NATO aufgenommenen baltischen Staaten und Polen mit ihren von Haß auf Rußland geradezu kranken Führungen stellen ein ähnliches Gefahrenpotential dar.

Wobei die NATO als ein gegen andere Länder gerichteter exklusiver Militärpakt an sich eine ständige Gefahr für den Frieden in der Welt bedeutet. Der Kampf um die Abschaffung der NATO und den Aufbau eines gesamteuropäischen kollektiven Sicherheitssystems bleibt darum eine drängende Aufgabe.

Willi Gerns