Leitartikel30. Juli 2019

Rentenreserven sind nicht da, um damit zu spekulieren

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Der Rentenkasse geht es gut, aber der Rentenkompensationsfonds, der die Reserven der Rentenkasse verwaltet, schloß das Jahr 2018 erstmals in seiner 12-jährigen Geschichte mit einem Verlust ab (»Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« vom 30. Juli 2019).

Dieser Widerspruch hat damit zu tun, dass der Kompensationsfonds den allergrößten Teil der in 30 Jahren akkumulierten Reserven in Aktien und Wertpapieren angelegt hat, und die Erschütterungen der Finanzmärkte im Dezember 2018 dazu führten, dass praktisch sämtliche Aktien und Wertpapiere, die sich zu diesem Zeitpunkt im Besitz der Investitionsgesellschaft des Kompensationsfonds befanden, innerhalb kurzer Zeit an Wert verloren. Zustande kam ein Verlust von 420 Millionen Euro.

Die Auswirkungen dieser Kapitalvernichtung halten sich angesichts der Rentenreserve von 18,97 Milliarden Euro zwar in Grenzen, aber die Verluste machen deutlich, dass die Strategie des Kompensationsfonds, das Geld der Rentenkasse in sehr unterschiedliche Aktienpakete und Wertpapiere zu stecken, an ihre Grenzen stößt, wenn das Monopoly-Spiel aus den Fugen gerät.

Auch die durchschnittliche Rendite von 4,5 Prozent während der Jahre 2007 bis 2018 ist keine Garantie dafür, dass das in Zukunft so bleiben wird, denn wenn es zu einem größeren Krach kommt, besteht das Risiko, dass deutlich mehr Geld aus den Rentenreserven verbrannt wird, als das im Dezember 2018 der Fall war. Doch die Epigonen des Finanzkapitalismus in der Regierung tun so, als sei es die natürlichste Sache der Welt, Rentenreserven Risiken auszusetzen.

Es gibt ganz gewiß gesellschaftlich nützlichere Möglichkeiten, die Gelder der Rentenreserve zu wahren und zu vermehren, zum Beispiel über Investitionen in bezahlbare Wohnungen, um zur Bekämpfung der Wohnungsnot und der Armut beizutragen, oder Investitionen in die Bildung, um zu erreichen, dass spätere Beitragszahler sichere und gutbezahlte Arbeitsplätze finden.

Die große Rentenreserve im Privatsektor macht aber auch deutlich, dass es – 22 Jahre, nachdem der damalige Premierminister Jean-Claude Juncker eine »Rentenmauer« in 20 Jahren angekündigt hatte, in welche wir rasen würden – keinen Anlass gibt, die Leistungen der Rentenkasse in Frage zu stellen oder zu verschlechtern.

Das Gegenteil ist eher der Fall, denn eigentlich würde sich umgehend eine strukturelle Aufbesserung der kleinen Renten aufdrängen, um die Kaufkraft zu stärken, die in den vergangenen Jahren arg gelitten hat. Auch wäre es an der Zeit, die Rentenkürzungsreform von 2013, die durchgepeitscht werden konnte, weil der Widerstand der Schaffenden und der Gewerkschaften nicht stark genug war, zurückzunehmen. Denn sie bewirkt, dass länger für weniger Rente gearbeitet werden muss, und lässt es der Regierung und der Chamber offen, unter gewissen Bedingungen »Sanierungsmaßnahmen« vorzunehmen und zum Beispiel die Jahresendprämie abzuschaffen.

Im Interesse der Lohnabhängigen und Rentner wäre hingegen, über neue Einnahmen nachzudenken und zum Beispiel eine Umverteilung der Resultate der Arbeitsproduktivität herbeizuführen, um das Rentensystem, aber auch andere soziale Leistungen abzusichern und auszubauen.

Ali Ruckert