Ausland14. August 2025

Ein Mann aus Washington setzt die Tagesordnung

Syriens Bevölkerung wartet

von Karin Leukefeld

Seit seinem Amtsantritt als Botschafter in der Türkei tourt Tom Barrack als Sonderbeauftragter von USA-Präsident Donald Trump durch die Levante, um die Interessen Israels durchzusetzen. Unübersichtlich erscheint die Lage in Syrien, wo die Interimsführung unter Ahmed al Sharaa – dem Gründer und langjährigen Führer der radikal-islamistischen Nusra-Front, einer Al-Qaida-Formation – mit vielen Ansprüchen konfrontiert ist. Um die eigene Position zu stärken, verspricht die Interimsführung der Bevölkerung mehr Strom, mehr Wasser, mehr Gas und mehr Arbeit.

Um das zu finanzieren, ist Al Sharaa allerdings auf die Zustimmung und das Geld der Staaten angewiesen, die seinen Sieg über den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad unterstützt und ermöglich haben. Allen voran ist es das Geld der arabischen Golfstaaten. Katar hat über einen Fonds die Finanzierung von Gaslieferungen an Syrien zugesagt, Saudi-Arabien will bei der Reparatur der zivilen Infrastruktur wie Strom- und Wasserversorgung helfen.

Aktuell sind in der Altstadt von Damaskus die zentralen Straßen zwischen dem Bab Touma Tor und dem Osttor Bab Sharki sowie Teile der »Geraden Straße« aufgerissen, um die Abwasserversorgung zu erneuern und Kabel zu verlegen, wie es heißt. Die Arbeit erscheint Anwohnern etwas planlos, wie die Autorin in Telefongesprächen erfuhr. »Im Falle von Feuer oder anderen Notfällen können bestimmte Teile der Altstadt mit Feuerwehrwagen oder Rettungsfahrzeugen nicht erreicht werden«, sagte Joseph B., der bei Bab Sharki lebt. Aus den Medien hätten sie erfahren, daß Anwohner aus gerade diesem Teil der Altstadt um die Erneuerungsarbeiten gebeten hätten, also sei »die Regierung« aktiv geworden. »Uns hat niemand gefragt und auch unsere Nachbarn nicht«, sagt Joseph. »Wir sind alle überrascht, weil wir nach neuen Wegen suchen müssen, um unsere Häuser zu erreichen.« Alle hofften, daß es besser werde: »Inshallah, möge Gott uns helfen«.

Der selbsternannte »Interimspräsident« Al Sharaa ist auch angewiesen auf die Entscheidung, ihn persönlich und einen Teil seiner »Interimsregierung« von internationalen Terrorlisten in der Europäischen Union und bei der UNO zu entfernten. Dabei ist ihm die Unterstützung aus Washington gewiß, wie nicht zuletzt der USA-Sonderbeauftragte für Syrien Tom Barrack zeigte, als er die über viele Jahre geschlossene USA-Botschaft in Damaskus öffnete und persönlich die Fahne der USA vor dem Gebäude hißte. Aus New York wurde bekannt, daß die Vertretung der USA bei der UNO Druck im UNO-Sicherheitsrat macht, um Al Sharaa und seine Leute von der Terrorliste der UNO zu entfernen.

Aktuell ist Tom Barrack, der »Mann aus Washington«, damit beschäftigt, die syrische »Regierung« mit seinen Nachbarn in der Türkei, Jordanien und Israel zusammenzubringen. Bei Treffen von syrischen Militärs und Ministern mit Amtskollegen in der Türkei und Damaskus ging es um zukünftige militärische Kooperation, die Entwaffnung der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) im Nordosten und die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Damaskus, dem Nordosten, der Türkei und den USA.

In Amman kamen unter Barracks Vermittlung der »Außenminister« Syriens, Asaad al Shibani, und der jordanische Außenminister Ayman Safadi zusammen, um über die Lage im Süden Syriens zu sprechen, vor allem in der Provinz Sweida. In einer Erklärung der syrischen Seite hieß es anschließend, man habe sich geeinigt, eine syrisch-jordanisch-US-amerikanische Arbeitsgruppe zu bilden, um »die Bemühungen der syrischen Regierung zu unterstützen, die (von Tom Barrack vermittelte) Waffenruhe in Sweida zu stabilisieren und eine umfassende Lösung für die Krise« dort zu finden.

Syrien begrüße »humanitäre Anstrengungen« und Hilfe bei der Wiederherstellung der zivilen Infrastruktur, die bei den Kämpfen ganz oder teilweise zerstört wurden. Diejenigen, die »Verbrechen begangen« hätten, sollten »zur Rechenschaft gezogen« werde, Vertriebene sollten in ihre Häuser zurückkehren können. Unbestätigten Berichten zufolge waren spirituelle Führer der Drusen eingeladen worden. Unklar blieb, ob sie der Einladung gefolgt waren.

Die »Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte«, eine in London ansässige Organisation, die – vermutlich durch Geheimdienstkontakte – über Informanten in Syrien verfügt, berichtete am Mittwoch von anhaltenden Kämpfen in zumeist abgelegenen Orten in der Provinz Sweida. Die Zahl der Toten soll auf mehr als 1.500 angestiegen sein.

Berichte über Entführungen und Morde gibt es derweil aus dem ganzen Land. Die junge Ingenieurin Mouna Jarjour aus dem Dorf Sissiniye in der Provinz Tartus wurde am 6. August ermordet aufgefunden. Die 25-Jährige war laut Berichten von »bärtigen Männern der Allgemeinen Sicherheitskräfte« offenbar entführt und getötet worden. Der Gerichtsmediziner stellte Würgespuren am Hals und einen Bruch der Halswirbelsäule fest. »Wie lange soll das noch so weitergehen?« hieß es in einer Todesanzeige, die über soziale Medien verbreitet wurden. »Ruhe in Frieden«.

Angehörige der »Allgemeinen Sicherheitskräfte« der »Interimsregierung« in Damaskus, die dem Innenministerium unterstehen, werden auch für die Massaker an den Alawiten im März 2025 und für Massaker in Sweida im Juli verantwortlich gemacht.