Ausland

Chefsache Rückkehr

Der Libanon will Hilfe für die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge

Massive Stromausfälle, Mangel an Trinkwasser- und Abwasserversorgung, soziale und ökonomische Probleme gehören für den Libanon zum Alltag. Das Wasser vor der Küste der Levante ist so verdreckt, daß ein Bad darin Gesundheitsprobleme verursachen kann. Die Fischer müssen weit hinaus auf das Mittelmeer fahren, um eßbare Fische zu fangen. Jahrzehntelang hat der Staat seine Pflichten für die Bevölkerung nicht oder nur unzureichend erfüllt und ohne Eigeninitiative und finanzielle Unterstützung von Angehörigen aus dem Ausland könnten viele Familien nicht überleben.

Das hoch verschuldete Land sucht nach immer neuen Kreditzusagen, die aber werden von »Reformen« abhängig gemacht. Die neue libanesische Regierung hat Veränderungen versprochen, so recht glauben können die Libanesen es nicht. An einem Punkt allerdings sind sich fast alle Libanesen einig : sie möchten daß die mehr als 1 Millionen syrische Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren. Präsident Michel Aoun machte das Thema zur Chefsache. Die Reaktion in Ost und West auf das Anliegen des Zedernstaates fiel sehr unterschiedlich aus.

Als kürzlich USA-Außenminister Mike Pompeo Beirut einen Besuch abstattete, bat Aoun ihn, bei der Rückkehr der syrischen Flüchtlinge behilflich zu sein. Auch Außenminister Gebran Bassil rückte das Thema der Flüchtlinge während seiner Begegnung mit Pompeo in den Vordergrund. Dem allerdings war es wichtiger, die Libanesen aufzufordern, sich von der Hisbollah zu distanzieren und nicht zuzulassen, daß diese dem Land ihre Politik aufzwinge. Er werde keinen Zweifel daran lassen, »was Amerika über die Hisbollah denkt« , warnte Pompeo. Nur wenn die Hisbollah »in ihre Schranken gewiesen« werde, könne der Libanon von den USA weiter unterstützt werden.

Die Hisbollah hat in der neuen Regierung drei Ministerien übernommen, zwei davon (Jugend und Sport ; Parlamentarische Angelegenheiten) werden von Mitgliedern der Partei geführt. Das dritte Ministerium ist das finanzstarke Gesundheitsministerium, über das Hilfsgelder aus dem Ausland für die Versorgung der syrischen Flüchtlinge verteilt werden. Verantwortlich dafür ist der politisch unabhängige Internist Jamil Jabak, der der Partei nahe steht. Für die USA und auch EU-Staaten dennoch Grund genug, den Libanon zu warnen, daß Gelder nicht mehr fließen könnten.

Die USA-Politik gegenüber dem Libanon sei »schizophren« , sagte Randa Slim vom Institut für den Mittleren Osten in Washington der libanesischen Tageszeitung »The Daily Star« . Wie solle der Libanon hart gegen die Hisbollah und den Iran vorgehen und gleichzeitig die Stabilität des Landes erhalten ? Bereits im Juli 2017 hatte der damalige und aktuelle Ministerpräsident Saad Hariri in der Zeitschrift »Politico« auf die Frage zu seiner Kooperation mit der Hisbollah erklärt, seine Aufgabe sei es, das Land stabil zu halten. Und wie könne das gehen, wenn im Libanon mehr als 1 Millionen Flüchtlinge lebten ? »Wir müssen eine Art der Verständigung finden, sonst wird es uns wie Syrien ergehen« , so Hariri. »Um die Stabilität des Libanon zu erhalten, verständigen wir uns auf einiges und in politischen Fragen sind wir unterschiedlicher Meinung.« 

Libanon fordert Hilfe für die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge

Zurück in Washington schlug USA-Außenminister Pompeo andere Töne an. Man wolle die Rückkehr syrischer Flüchtlinge aus dem Libanon nach Syrien unterstützen, sagte er am Mittwoch vergangener Woche bei einer Anhörung im Unterausschuß für Verteidigung des Unterhauses, bei der es um den Haushalt 2020 des Außenministeriums ging. Die Flüchtlinge seien für den Libanon eine »Belastung« und ein »Risiko« für die Stabilität des Landes und »seine Demokratie« , so Pompeo. Man sei mit »arabischen und westlichen Partnern« im Gespräch darüber, wie in Syrien Bedingungen geschaffen werden könnten, die die Rückkehr ermöglichten. Das sei, »was die Libanesen wollen« und es sei auch »das Beste für die Flüchtlinge« .

Tatsächlich sind seit Dezember 2017 nach Angaben der libanesischen Sicherheitsbehörden 170.000 syrische Flüchtlinge nach Syrien zurückgekehrt. Die Zahl setzt sich etwa zur Hälfte aus Personen zusammen, die im Rahmen eines von den libanesischen Sicherheitsbehörden in Absprache mit der syrischen Regierung organisierten Rückkehrprogramms den Libanon verließen und aus Personen, die auf eigene Faust nach Syrien zurückkehrten.

Anläßlich einer »Geberkonferenz« von EU und UNO, die kürzlich in Brüssel stattfand, hatten EU-Vertreter deutlich gemacht, daß ebenso wie Hilfe für den Wiederaufbau in Syrien auch die Finanzierung eines Rückkehrprogramms syrischer Flüchtlinge nicht vorgesehen sei, solange »keine politischen Veränderungen in Syrien« stattfänden.

Der russische Botschafter im Libanon Alexander Zasypkin hatte bereits zum Jahreswechsel erklärt, daß die Rückkehr der Flüchtlinge nicht mit einer politischen Lösung in Syrien verknüpft werden sollte. Frankreich und Deutschland müßten begreifen, »daß Investition in den Wiederaufbau Syriens und in die Zukunft des Landes in ihrem Interesse« sei, so der Botschafter. Rußland suche die Lösung zu dem Konflikt in einem »nationalen syrischen Dialog« . Den werde es nicht geben, wenn man Wiederaufbauhilfe mit politischen Forderungen verknüpfe.

Die Haltung des Westens, Unterstützung an politische Bedingungen zu knüpfen, wird im Libanon nicht mehr ohne weiteres akzeptiert, zumal es von Rußland politische und wirtschaftliche Kooperationsangebote gibt. Spätestens mit den Entscheidungen, Jerusalem als »ewige Hauptstadt Israels« und den syrischen Golan als Teil des israelischen Territoriums anzuerkennen, haben die USA ihre Rolle als politischer Vermittler im Mittleren Osten verloren.

Rußland im Mittleren Osten – »ein einzigartiger Makler« 

Anders als die USA-Administration tritt Moskau gegenüber dem Libanon kooperativ, vermittelnd und mit konkreten Angeboten auf, sagt Dmitri Trenin vom Carnegie Zentrum in Moskau gegenüber »The Daily Star« . Das betreffe auch den Umgang mit Hisbollah und dem Iran. Rußland habe sich als »einzigartiger Makler zwischen den konkurrierenden Interessen in Teilen des Mittleren Ostens« positioniert. Das Auftreten von Pompeo in Beirut stehe zum Auftreten Rußlands in einem deutlichen Kontrast.

Kurz nach dem Pompeo-Besuch folgte der libanesische Präsident Michel Aoun – mit Außenminister Bassil – Ende März einer offiziellen Einladung nach Moskau. Während des zweitägigen Aufenthalts wurde auch über russische Investitionen in den libanesischen Öl- und Gassektor gesprochen. Die russische Firma Novatek ist Teil eines Konsortiums, das Ende 2019 mit der Exploration von Öl und Gas vor der libanesischen Küste beginnen wird. Die Firma Rosneft erhielt einen Vertrag über 20 Jahre für die Erneuerung und Erweiterung von Öl- und Gasanlagen in Tripoli.

Aoun bat Putin auch um Unterstützung bei der Rückkehr der syrischen Flüchtlinge. Mit Erfolg, wie aus einer Erklärung des libanesischen Präsidentenpalastes hervorging. Rußland will die Rückkehr der Flüchtlinge unterstützen und dafür eng mit der Regierung in Damaskus zusammenarbeiten. Konkret sollen Rückkehrer mit einer sicheren Unterkunft und Hilfe für den Unterhalt versorgt werden.

In der 15-Punkte-Erklärung der beiden Präsidenten wurden schließlich die Rolle der UNO und der Kampf gegen den Terrorismus unterstrichen. Die staatliche Souveränität wurde betont, der Einsatz extremistischer und terroristischer Organisationen zum Zwecke der Destabilisierung von Staaten zurückgewiesen. Die Lage in Syrien müsse sowohl durch die UNO-Sicherheitsratsresolution 2254 als auch mit den Ergebnissen des Nationalen Dialogkongresses in Sotschi gelöst werden. Die »effektive und fruchtbare Arbeit« des Astana-Formats, in dem Rußland, Iran und Türkei kooperieren, wurde begrüßt. In Sachen der syrischen Flüchtlinge werde man kooperieren, in Sachen Libanons wurde das UNO-Interimsmandat UNIFIL betont.

Besorgnis wurde über die Lage im Jemen notiert. Zur Sicherung des Friedens im Mittleren Osten sei eine gerechte Lösung für die Palästinenser und die Anerkennung ihrer Rechte erforderlich, heißt es in der Erklärung. Um zukünftige Kriege im Mittleren Osten zu verhindern, solle die Region zu einer von Atom- und Massenvernichtungswaffen freien Zone werden. Der bilaterale Dialog soll ausgebaut, international müsse ein Dialog zwischen den Zivilisationen, Kulturen und Religionen entwickelt werden.

Rußland könne in Zukunft die Rolle eines »Sicherheitsmanagers« im Mittleren Osten übernehmen, so Dmitri Trenin vom Carnegie Zentrum Moskau. Sollte Moskau nach Syrien seinen Einfluß auch im Libanon festigen, werde das den westlichen Einfluß zurückdrängen. »The Daily Star« zitiert einen namentlich nicht genannten westlichen Diplomaten mit den Worten : »Je mehr der Libanon sich in Richtung der russisch-syrisch-iranischen Achse orientiert und niemand dagegen hält« , desto leichter werde der Libanon vom We­sten »abgeschnitten« .

Für die Libanesen und die syrischen Flüchtlinge stellt sich diese Frage nicht. Wenn die libanesische Regierung mit Moskau und Damaskus eine Kooperation findet, um die humanitäre Krise der syrischen Flüchtlinge zu lösen, ist das gut. Jenseits strategischer und machtpolitischer Interessen wollen die Menschen für sich und ihre Kinder nur ein gutes Leben.

Karin Leukefeld, Beirut

Syrische Flüchtlinge im Flüchtlingslager Mohammara im Norden des Libanon, 9.3.2019 (Foto : EPA-EFE)