Ausland15. Mai 2021

Krieg zwischen Israel und Palästinensern

Gewaltsame Unruhen in israelischen Städten

von Karin Leukefeld

Der Nachrichtenticker von »Ynet News«, dem englischsprachigen Onlineportal der israelischen Tageszeitung »Jedi’ot Acharonot«, brachte Kriegsnachrichten: Jüdisch-arabische Unruhen in vielen Städten, Raketenalarm in Tel Aviv, die israelische Armee fängt eine »Selbstmorddrohne« ab und zerstört »sieben Panzerabwehrstellungen« der Hamas in Gaza. Ziel einer massiven Offensive der israelischen Armee am frühen Freitagmorgen sei ein Tunnelsystem der Hamas im Gazastreifen gewesen, hieß es.

Ein deutscher Reporter berichtete im Deutschlandfunk am Freitagmorgen, die israelische Bevölkerung im Grenzgebiet zum Gazastreifen habe erneut eine unruhige Nacht zumeist in Bunkeranlagen verbracht. Die Nacht für die Bevölkerung im Gazastreifen sei aber vermutlich sehr viel schrecklicher gewesen, fügte er hinzu. Die Angriffe der israelischen Armee seien die schlimmsten seit dem letzten Gaza-Krieg 2014 gewesen.

9.000 Reservisten wurden von der israelischen Armee, den sogenannten »Israelischen Verteidigungs-Streitkräften« (IDF) mobilisiert und rund um den Gazastreifen zusammengezogen. Eine Invasion des palästinensischen Gebietes habe es nicht gegeben, teilte ein Armeesprecher am Freitagmorgen mit. Die Truppen griffen den Gazastreifen mit Artillerie von israelischem Territorium aus an. Die Zahl der Toten in Israel betrug am Freitagmorgen sieben Personen.

Gezielte Angriffe auf Zivilisten und Medien

Die Grenzübergänge vom Gazastreifen nach Ägypten und Israel sind geschlossen. Die palästinensische Bevölkerung kann nicht fliehen und hat auch keine Bunker, in denen sie Zuflucht suchen könnte. Die UNO-Flüchtlingshilfeagentur für die Palästinenser (UNRWA) berichtete von zwei durch israelische Luftangriffe zerstörten UNRWA-Schulen.

Am Freitagmorgen wurde die Zahl der Toten im Gazastreifen vom dortigen Gesundheitsministerium mit »mehr als 100« angegeben. Der Leiter der Hilfsorganisation »Christliche Hilfe«, William Bell sagte: »In dem Moment, in dem wir die Zahlen der Toten in Gaza nennen, sind sie schon wieder veraltet. Die Gewalt eskaliert.« Es wird berichtet, daß mindestens sieben Journalisten von Gummigeschossen der israelischen Polizei getroffen worden seien, als sie Anfang Mai über die Auseinandersetzungen um die Al Aksa Moschee berichtet hätten. Bei dem Luftangriff auf den zehnstöckigen Al-Jawhara-Turm in Gaza Stadt am 12. Mai seien die Büros von 14 Medien zerstört worden. Beim Angriff auf den 14-stöckigen Al-Shorouk-Turm einen Tag später seien die Büros von sieben weiteren Medien zerstört worden. Die israelische Armee hatte angegeben, »Waffen der Hamas zu zerstören, die in zivilen Gebäuden in Gaza versteckt« seien.

USA verhindert Beschluß im UNO-Sicherheitsrat

USA-Außenminister Anthony Blinken betonte, Israel habe das Recht, sich zu verteidigen, die Hamas müsse die Angriffe einstellen. Im UNO-Sicherheitsrat verhinderten die USA eine Resolution für eine sofortige Waffenruhe. Am Sonntag soll es eine weitere Sitzung geben.

Am Donnerstag ordnete das USA-Kriegsministerium die Evakuierung von 120 USA-Militärs aus Israel an. Pentagon-Sprecher John Kirby bestätigte, daß die USA-Truppen nach Deutschland ausgeflogen worden seien. Die USA-Militärs verschiedener Marineeinheiten hielten sich in Israel demnach zu einer »Routineplanung« auf, an die sich ein gemeinsames Manöver anschließen sollte.

»Tod den Arabern«

Auslöser der jüngsten Gewalt waren Provokationen extremer jüdischer Nationalisten der Organisation Lehava, die Anfang Mai, kurz vor dem Ende des Fastenmonats Ramadan als Ausdruck ihrer »nationalen Ehre« zum Damaskus-Tor marschierten, einem der historischen Zugänge zur Altstadt von Jerusalem. Dabei riefen sie »Tod den Arabern«. Palästinenser bewarfen die Rechtsextremen mit Flaschen und Steinen, israelische Sicherheitskräfte griffen mit Tränengas und Gummigeschossen ein. Die Lage eskalierte, als die israelische Polizei Orte absperrte, an denen die Muslime sich traditionell zum Fastenbrechen zum Ende des Ramadan versammeln.

Parallel hatten israelische Behörden die Zwangsräumung palästinensischer Familien im Ortsteil Scheich Jarrah angeordnet, was zu weiteren Protesten führte. Benannt nach dem Arzt von Salahaddin, dem Befreier Jerusalems von den europäischen Kreuzrittern, ist Scheich Jarrah einer der ältesten Teile im Osten Jerusalems und seit dem 12. Jahrhundert von Arabern bewohnt.

Israel hat trotz des Oslo-Abkommens, laut dem Ostjerusalem die Hauptstadt eines palästinensischen Staates sein soll, den Bau jüdischer Siedlungen rund um die Altstadt von Jerusalem forciert, jüdische Siedler und rechtsextreme Nationalisten wollen Land und Häuser der palästinensischen Bevölkerung in Ostjerusalem übernehmen. Israel hatte Ostjerusalem 1967 besetzt und beansprucht ganz Jerusalem als seine »ewige Hauptstadt«

Netanjahu lehnt Waffenstillstand ab

Die Konflikte dehnten sich schließlich auch auf die Al Aksa Moschee aus. Es folgten massive Auseinandersetzungen mit israelischen Sicherheitskräften, die ersten Toten im Teenageralter waren zu beklagen. Vom Gazastreifen stiegen entflammbare Ballons in Richtung Israel auf. Es folgte Raketenbeschuß, auf den die israelische Armee mit massiven Angriffen reagierte. Ein Angebot der Hamas zum Waffenstillstand wurde von Benjamin Netanjahu, dem umstrittenen, noch amtierenden Premierminister ohne Regierung abgelehnt.

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Recht auf Gerechtigkeit und Gleichheit

Die gegenwärtige Gewalt in Israel/Palästina ist ein Ergebnis des Apartheid-Regimes, das das gesamte Gebiet kontrolliert. Unter diesem Regime kann etwa die Hälfte der Menschen, die zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer leben – Juden –, ein erfülltes Leben führen und den Schutz ihrer Menschenrechte genießen, während die andere Hälfte – Palästinenser – dies nicht kann. Wir alle haben das Recht, unter einem Regime zu leben, das Gerechtigkeit und Qualität für beide Völker gewährleistet. Wir alle wünschen uns Leben. Für jeden einzelnen von uns.

B’tselem,
Israelisches Informationszentrum für Menschenrechte in den besetzten Gebieten