Ausland01. März 2019

Gipfeltreffen in Hanoi

Kein Mißerfolg

Das zweite Gipfeltreffen zwischen dem US-amerikanischen Machthaber Donald Trump und Kim Jong Un, dem Vorsitzenden des Komitees für Staatsangelegenheiten der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik, war bemerkenswert. Wer hätte es auf dem Höhepunkt des in Vietnam selbst so genannten »Amerikanischen Krieges« jemals für möglich gehalten, daß ein halbes Jahrhundert später in Hanoi anstelle von Bomben- und Napalmteppichen tatsächliche Teppiche aus edlem Stoff und Brokat ausgerollt werden und Menschenmengen Fähnchen schwenkend die Straßen säumen?

Bedenkt man, daß die beiden Protagonisten Trump und Kim sich noch bis zum Jahreswechsel 2017/18 am lieb­sten gegenseitig in die Tonne gehauen hätten, so ist deren Händeschütteln mittlerweile Ausdruck eines sakralen Umgangs miteinander. Während im »Westen« im Sinne instrumenteller Vernunft und Erwartungshaltung von Gipfeltreffen dieser Art bevorzugt ein schneller Abschluß von Verhandlungen im Vordergrund steht, mißt man im »Osten« – zumal angesichts eines noch immer nicht ausgehandelten Friedensvertrages zur offiziellen Beendigung des Koreakrieges (1950–1953) – solchen Begegnungen hohen Symbolcharakter bei. Wer angesichts dessen von einem »gescheiterten Gipfel ohne Resultate« spricht, verkennt deshalb, welche politische Dynamik im innerkoreanischen Dialog seit dem Jahreswechsel 2017/18 buchstäblich entfesselt wurde.

Gerade dies ist von prioritärem Interesse für die Menschen diesseits und jenseits des 38. Breitengrades, der beide Koreas voneinander trennt. Dort sind in den vergangenen 14 Monaten konkrete Entspannungsschritte vollzogen worden, die es seit den Staatsgründungen beider Länder im Jahre 1948 noch nie gegeben hat. Das ist als politischer Durchbruch zu bezeichnen und verdeutlicht zudem kraß, auf welchen anachronistischen Positionen die sich noch immer als »Schutzmacht Südkoreas« begreifenden USA auf der Halbinsel eigentlich beharren.

Washingtons Position, vor allem auf eine komplette, überprüfbare und unumkehrbare Denuklearisierung Nordkoreas zu insistieren und Pjöngjang dazu zu verpflichten, sämtliche Atomwaffen abzugeben und die Produktionsmittel für neue Atomsprengköpfe und Trägerraketen zu zerstören, kann be­stenfalls das Resultat eines diplomatischen Prozesses, nicht aber dessen Vorbedingung sein. Erst recht nicht angesichts der Tatsache, daß die National Nuclear Security Administration (früher die Atomic Energy Commission) der USA einen Monat vor dem Gipfel in Hanoi ankündigte, dem Militär im Oktober die ersten Exemplare der neuen Generation strategischer Nuklearwaffen, so genannter »Mini-nukes«, an das Militär auszuliefern.

Rainer Werning

Begegnung mit Symbolcharakter: Gespräch zwischen den Staatschefs der USA und der KDVR und ihren Delegationen am 28. Februar 2019 in Hanoi (Foto: KCNA via KNS/AFP)