Ausland08. April 2009

Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor

Der rechtsextreme Königsmacher Lieberman soll das »diplomatische Gesicht Israels« sein

Der israelische Rechtsaußen und neue Außenminister Avigdor Lieberman stahl zur Amtseinführung des neuen Regierungskabinetts der politischen Elite die Schau. Nachdem Premierminister Benjamin Netanjahu politisch korrekt mit Blick auf das Ausland Israels Bereitschaft zur Fortführung des »Friedensprozesses« erklärt hatte, gab sich Tel Avivs neuer »Chefdiplomat« militaristisch.

Israel sei weder an den Friedensprozeß noch an das Prinzip »Land gegen Frieden« gebunden, es lehne die im November 2007 in Annapolis vereinbarten Absichtserklärungen ab. Dagegen gelte ab sofort das lateinische Motto: »Si vis pacem, para bellum« – Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor.

Die israelischen Medien gaben sich über Liebermans Worte, wie bereits vorher über den erdrutschartigen Wahlerfolg seiner Rechtsaußenpartei »Unser Haus Israel«, verschreckt und listeten die rassistischen und gewaltverherrlichenden Sätze des nationalistischen Demagogen aus der Vergangenheit auf.

Der neue Außenminister hatte in den vergangenen Jahren Massentötungen von palästinensischen Gefangenen, die Ausweisung der 1,2 Millionen palästinensischen Staatsbürger, die Bombardierung des Assuan-Staudamms und den Abwurf einer Atombombe auf den Gazastreifen vorgeschlagen. Seine jüngsten politischen Vorstöße reichten von einem »Loyalitätsschwur« arabischer Israelis auf den Staat bis hin zum Abbruch der Beziehungen zum verbündeten Ägypten mit den Worten »Fahr zur Hölle« an die Adresse von Präsident Mubarak.

Der Tenor in den großen Medien lautet, Lieberman sei wegen seiner Äußerungen eine »Peinlichkeit« und schade den Beziehungen Israels zum westlichen Ausland. Die liberale Tageszeitung »Haaretz« warnte in einem Leitartikel, Israel könne sich die »hohen Studiengebühren, die die Ausbildung Liebermans zum Außenminister kosten, nicht leisten«. Das Ausland werde sich vom »diplomatischen Gesicht Israels« abwenden.
Am Wochenende wurde allerdings berichtet, die USA-Außenministerin Hillary Clinton habe ihrem Kollegen Lieberman telefonisch gratuliert. Sie freue sich auf ein baldiges Treffen. Die versprengte israelische Linke, die kurzfristig darauf gehofft hatte, wenigstens das Ausland werde wegen Lieberman mit dem Zeigefinger drohen, wurde also enttäuscht.

Der einsame Friedensaktivist Uri Avnery schrieb auf seiner Webseite, der rechtsextreme Königsmacher Lieberman sei der einzige, der die Regierung Netanjahu zu Fall bringen könne. Sein autoritärer Stil sei dazu gedacht, den politischen Gegner einzuschüchtern und gleichzeitig den »primitivsten Typen in der Gesellschaft zu imponieren«. Mit seiner militaristischen Erklärung zur Vereidigung habe er Netanjahu »die Pistole an den Kopf gesetzt« und sich die Aufmerksamkeit der Medien gesichert. Dies werde so bleiben, bis Lieberman aus Machtkalkül seine Regierungsbeteiligung aufkündigt.

Doch Avnery, der in der israelischen Politik wie auch in der Linken des Landes nur sich selbst repräsentiert, ließ eine gesellschaftliche Einordnung des Lieberman-Phänomens vermissen. Auch die Rest-Linke ist zu sehr damit beschäftigt, ihren Niedergang zu verdauen. Die Reaktionen auf den Machtzuwachs der extremen Rechten sind seit Mitte Februar nach Bekanntwerden der Knessetwahlen weniger von Analyseversuchen oder Versuchen, einen Ausweg aus der Krise zu finden, geprägt als von Seelenforschung und Wundenlecken.

Der entscheidende Grund ist die gesellschaftliche Rechtsentwicklung. Denn die traditionelle Sozialdemokratie, auf Parteienebene die »Arbeitspartei«, ist zum ersten Mal in ihrer Geschichte auf den vierten Platz zurückgefallen – hinter den konservativen Likud, die Likud-Abspaltung »Kadima« und die rechtsextreme Lieberman-Partei. Auch die linkszionistische Bürgerrechtspartei »Meretz« schrumpfte auf bloße drei Sitze zusammen.

Dabei hatte Israels berühmter Autor Amoz Oz versucht, mit »Meretz« und Unabhängigen eine Bewegung zu kreieren, die in das von der »Arbeitspartei« hinterlassene ideologische Vakuum vorstoßen sollte.
Das Unterfangen scheiterte, da die Parteimehrheit für den Gaza-Krieg gestimmt hatte. Die ehemalige »Meretz«-Abgeordnete Zahava Gal-On, die sich dagegen ausgesprochen hatte, bezeichnete die Partei in einem mehrseitigen Porträt in »Haaretz« als »marginal, praktisch bedeutungslos«. Das »Sterben der Linken« und der allgemeine Rechtsruck hätten im Jahr 2000 begonnen, als die israelisch-palästinensischen Verhandlungen unter Premier Ehud Barak scheiterten, die zweite Intifada der Palästinenser begann und nicht-kriegerische Alternativen vom linkszionistischen Spektrum aufgegeben wurden, so Gal-On. Derselbe Fehler sei im zweiten Libanon-Krieg und beim Krieg gegen die Bevölkerung im Gazastreifen gemacht worden.

Der linke Faschismusforscher Professor Zeev Sternhell von der Hebräischen Universität Jerusalem bezeichnete die Kriegsbefürwortung als »selbstmörderischen Pfad«.

Einzig das Wahlbündnis »Chadasch« aus der israelischen KP und Teilen der Friedensbewegung erzielte einen Zugewinn von einem Sitz, laut Wahlforschern durch die Stimmen von enttäuschten »Meretz«-Anhängern. Doch mit vier Abgeordneten und ihrem ausschließlichen Standbein in der arabischen Bevölkerung Israels befindet sich die Partei weit entfernt von relevanten Bündnispartnern, die das politische Spektrum beeinflussen könnten. »Statt uns gegen einen Orkan von ganz rechts aufzulehnen, müssen wir uns jetzt ducken«, sagten mir mehrere »Chadasch«-Wähler aus dem Kibbuz Gezer zwischen Jerusalem und Tel Aviv.

Max Böhnel, z. Zt. Tel Aviv