Schwerter zu Pflugscharen am Lac Léman?
Kampf gegen Atomwaffen und Weltraumrüstung im Mittelpunkt
Am Montag begann die Genfer Abrüstungskonferenz ihre jährliche Sommersitzung. Nach langer Zeit der Tatenlosigkeit verfügt sie wieder über ein konkretes Arbeitsprogramm.
Es sind zwar keine 100 Jahre wie im Märchen vom Dornröschen, aber dennoch, seit fast 13 Jahre scheint die Genfer Abrüstungskonferenz im Tiefschlaf versunken zu sein. Jedes Mal vollzieht sich dasselbe Ritual: Ende Januar fahren die zumeist älteren Herren in schwarzen Limousinen am Palais der Nationen vor, nehmen ihre Plätze im altehrwürdigen Ratssaal ein und verlassen im September die geruhsame Stadt am Genfer See, um der UNO-Vollversammlung im hektischen New York zu berichten, daß sie wieder einmal nichts erreicht haben.
Die Abrüstungskonferenz ist zwar mit der UNO eng verwoben, formal aber ein selbstständiges Organ. Die Entscheidungen über Mitgliedschaft, Tagesordnung, Arbeitsprogramm, Verfahrensfragen und natürlich über die Verhandlungsergebnisse erfordern einen Konsens. Also kann jeder der 65 Teilnehmer einen ihm nicht genehmen Beschluß jederzeit blockieren. Die Konferenz berücksichtigt bei der Aufstellung der Tagesordnung die in den Resolutionen der UNO-Vollversammlung enthaltenen Empfehlungen und berichtet ihr jährlich.
Gewöhnlich tagt die Konferenz in drei Sitzungsperioden von Jahresbeginn bis in den Spätsommer. Neben Plenarsitzungen agierten Arbeitsgruppen zeitweilig zu den Themen Weltraum, Sicherheitsgarantien für Nichtkernwaffenstaaten, radiologische Waffen und umfassendes Abrüstungsprogramm. Doch spätestens seit dem Abschluß des Atomteststoppvertrages 1996 steckt die Konferenz in der Paralyse. Es gibt zwar eine permanente Tagesordnung, aber über ein konkretes Arbeitsprogramm konnte man sich nie einigen. Unvereinbare Interessen und Verfahrensstreit blockierten jeden Fortschritt. Während der acht Jahre Bush-Regierung in den USA scheute Washington jegliche völkerrechtliche Verpflichtung, die seine Aufrüstungsbestrebungen hätte behindern können. Folglich mauerten die US-amerikanischen Vertreter bei allen entscheidenden Abrüstungsthemen.
Im Frühjahr 2009 gelang jedoch ein historischer Durchbruch: Nach über zehn Jahren vergeblicher Bemühungen beschloß die Konferenz wieder ein Arbeitsprogramm. Demzufolge werden vier Arbeitsgruppen gebildet:
– nukleare Abrüstung;
– Produktionsstopp für militärisches Spaltmaterial;
– Verhinderung eines Wett-rüstens im Weltraum;
– Sicherheitsgarantien für Nichtkernwaffenstaaten.
Zusätzlich einigte man sich auf Koordinatoren zu den Themen neue Massenvernichtungswaffen und radiologische Waffen, Transparenz der Rüstungen und umfassendes Abrüstungsprogramm. Als Konferenzpräsident Idriss Jazairy aus Algerien die Einigung am 29. Mai verkündete, pries er den Moment pathetisch als Höhepunkt seiner langen Karriere, »für den allein sich mein Leben gelohnt hat«.
Natürlich bedeutet das noch keine Garantie für Ergebnisse, aber in der heutigen globalisierten Welt vermag kein Staat seine Sicherheit allein zu gewährleisten. Nur durch multilaterale Verhandlungen können allgemein verbindliche Rechtsnormen gesetzt, globale Verifikation gewährleistet und Verläßlichkeit in den internationalen Beziehungen geschaffen werden.
Trotz berechtigter Kritik spricht vieles für die Genfer Abrüstungskonferenz. Auf ihrer Agenda stehen gleich mehrere der dringendsten Problemkreise. Außerdem sind mit den USA, Rußland, Frankreich, Großbritannien und China alle fünf offiziellen Kernwaffenstaaten vertreten. Darüber hinaus wären auch die »grauen« Atommächte Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea sowie wichtige Schwellenmächte, etwa Argentinien, Brasilien, Iran, Irak, Ägypten, Syrien und Nigeria, involviert. Zwar sind multilaterale Verhandlungen wegen der zahlreichen unterschiedlichen Positionen oftmals zeitraubend und diffizil. Andererseits erhöht die Einbeziehung einer repräsentativen Anzahl von Staaten die Legitimität und Akzeptanz ausgehandelter Ergebnisse.
Was nun gebraucht wird, ist der politische Wille aller Staaten, der Genfer Konferenz wieder eine Chance zu geben. Möglicherweise ist die von USA-Präsident Barack Obama verkündete Vision einer atomwaffenfreien Welt ein Anzeichen dafür. Nachdem Rußland und die USA wieder über Nuklearwaffen verhandeln und beide eine Wiederbelebung des multilateralen Abrüstungsprozesses beschworen haben, keimt auch am Genfer See, dem Lac Léman, neue Hoffnung.
Wolfgang Kötter, Postdam