Ausland09. September 2023

Druck auf die Vereinigten Arabischen Emirate

Westen fordert Einhaltung einseitiger Sanktionen gegen Rußland

von Karin Leukefeld

Eine Delegation von Offiziellen aus den USA, Britannien und von der EU erhöht den Druck auf die Vereinigten Arabischen Emirate. Bei einem Besuch in Dubai am Montag forderten die Abgesandten die Emirate auf, die von den USA und der EU gegen Rußland verhängten einseitigen wirtschaftlichen Sanktionen einzuhalten. Sie werfen den Emiraten vor, Produkte nach Rußland zu liefern, die auf den Sanktionslisten der USA, Britanniens und der EU stehen.

Konkret geht es, wie Berichten verschiedener englischsprachiger Medien zu entnehmen ist, um die Einstellung der Lieferung von – in den USA oder in der EU hergestellten – Computerchips, elektronischer Ausrüstung und anderer Produkte an Rußland. Es handle sich um so genannte »Dual Use«-Güter, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können. Die USA, Britannien und die EU behaupten, die Produkte dienten Rußland für seine Waffenproduktion für den Krieg in der Ukraine.

In Washington hieß es, die Gespräche seien Teil eines »breiten diplomatischen Engagements« mit Partnerländern, bei denen es darum gehe, daß Rußland für den Krieg in der Ukraine »zur Verantwortung gezogen« werden müsse. Auch die Türkei und Kasachstan erhielten in den letzten Monaten Besuch westlicher Delegationen mit der Botschaft, den Handel mit russischen Unternehmen einzustellen, die auf den westlichen Sanktionslisten stehen. Ansonsten werde man dafür sorgen, daß Unternehmen aus den Ländern ihren Zugang zu G7-Märkten verlieren würden.

Im Fokus der USA-Finanzbehörden

Die Emirate seien »ein Land im Fokus«, hieß es im USA-Finanzministerium. Nach Angaben der in dem Ministerium für »Finanzierung von Terrorismus« zuständigen Elisabeth Rosenberg sollen Unternehmen mit Sitz in den Emiraten zwischen Juli und November 2022 Waren aus den USA im Wert von mehr als 5 Millionen US-Dollar nach Rußland geliefert haben. Im April 2023 wurde ein solches Unternehmen auf die Sanktionsliste der USA gesetzt, weil es Halbleiter im Wert von 190.000 US-Dollar an russische Firmen geliefert hatte. Eine weitere Firma landete auf der Liste wegen der Lieferung von Drohnen- und anderer Technologie.

Vertreter der VAE erklärten gegenüber dem »Wall Street Journal«, man beachte die Vorschriften hinsichtlich des Exports von »Dual Use«-Produkten, als auch die »Integrität des globalen Finanzsystems«. Man halte sich an Sanktionen der UNO, erklärte Handelsminister Thani bin Ahmed Al Zeyoudi im April. Im März 2023 war die Lizenz für eine russische Bank in den Emiraten widerrufen worden.

Allein die USA haben gegen Rußland 3.126 Sanktionen verhängt. Auf der USA-Sanktionsliste stehen darüber hinaus 158 Schiffe und 22 Flugzeuge Rußlands. Bis Ende August 2023 verhängte die EU insgesamt 1.411 Sanktionen gegen Rußland. Diese Zahlen gelten für den Zeitraum seit Februar 2022. Hinzu kommen hunderte Sanktionen seit 2014 gegen Rußland.

Politik der gleichen Distanz

Bei verschiedenen Abstimmungen in der UNO-Generalversammlung haben die Emirate das militärische Vorgehen Rußlands in der Ukraine verurteilt. Allerdings haben sie sich, wie die Mehrheit der UNO-Mitgliedstaaten, nicht den von den USA und der EU verhängten Sanktionen gegen Rußland angeschlossen.

Die USA und ihre Verbündeten engagieren sich zunehmend gegen China und Rußland im Osten Europas und in Asien, was bei den langjährigen verbündeten arabischen Golfstaaten registriert wird. Mehr Aufmerksamkeit und wirtschaftliche Vereinbarungen wurden den Golfstaaten dagegen aus China und Rußland angeboten. Die Vermittlung Chinas zwischen Saudi-Arabien und dem Iran sowie die Aufnahme der VAE in BRICS Plus wirken sich in der Region beruhigend aus und stärken das Selbstbewußtsein der Staaten.

Weltweit wird der Krieg in der Ukraine vorwiegend als ein Konflikt zwischen den USA, der NATO und der EU einerseits und Rußland andererseits eingestuft, aus dem man sich heraushalten will. Die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Emiraten und Rußland sind unverändert stabil. Der Beitritt der Emirate zur Staatengruppe BRICS (Brasilien, Rußland, Indien, China, Südafrika) Ende August hat die guten Beziehungen weiter vertieft. Beide Staaten arbeiten auch in OPEC Plus zusammen, einer Kooperation erdölexportierender Staaten, die sich alle zwei Monate auf die Ölfördermenge einigen. Seit Oktober 2022 hat OPEC Plus die Fördermenge gesenkt.

Kooperation statt Konfrontation

Im Juni 2023 nahm der VAE-Präsident Scheich Mohamed bin Zayed Al Nahyan am Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg teil und traf mit dem russischen Präsident Wladimir Putin zusammen. Beide Staatschefs betonten die guten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Moskau und Abu Dhabi. Bin Zayed versicherte dem russischen Präsidenten die Bereitschaft der Emirate, »auf jede erdenkliche Weise zu helfen, wenn wir in humanitären Fragen eine Rolle bei der Stabilisierung der Lage spielen können«. Putin würdigte das »humanitäre Engagement« der Emirate, die bereits im Oktober 2022 angeboten hatten, zwischen der Ukraine und Rußland zu vermitteln. Im Februar 2023 vermittelten die Emirate den Austausch von Kriegsgefangenen zwischen Rußland und der Ukraine. Damit stehen die VAE in einer Reihe mit der Türkei, Brasilien, China, Indien und Südafrika, die alle versuchen, den Krieg in der Ukraine durch Dialog zu beenden.

Druck aus dem Westen

Bei den USA und ihren Verbündeten stößt diese Haltung auf Ablehnung. Wiederholt hatten US-amerikanische Offizielle in den Emiraten vorgesprochen, um deren wirtschaftliche Beziehungen mit Rußland zu stoppen. Seit Beginn des Jahres waren Brian Nelson, im USA-Finanzministerium zuständig für Terrorismus und (geheimdienstliche) Finanzinformationen, sowie James O’Brien, im USA-Außenministerium zuständig für die Koordination von Sanktionen, in Abu Dhabi. Anfang August hatte der Nationale Sicherheitsberater des USA-Präsidenten, Jake Sullivan, bei einem Treffen mit Bin Zayad auf eine Kursänderung der Emirate gedrängt.

Am Donnerstag traf auch die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, in Abu Dhabi mit Präsident Bin Zayed zusammen. Offiziell hieß es, man habe »verschiedene Aspekte der Zusammenarbeit von EU und den VAE« besprochen.

Während die Rolle der VAE regional – im Jemen, Sudan, Libanon und Syrien – weiter mit Skepsis und Kritik gesehen wird, positionieren sich die Emirate international deutlich neben den Staaten, die sich bei BRICS-Plus, OPEC-Plus und in der Schanghai Organisation für Kooperation zusammengefunden haben. Ihr Ziel ist eine unabhängige Politik »in gleicher Distanz« zu den Großmächten der Welt.