»Ade, mein Land Tirol«
Andreas Hofer führte den Befreiungskampf der Tiroler Bauern gegen Napoleon an
In den Jahren 1808 und 1809 erlitt Napoleon die ersten schweren Niederlagen in seinen Feldzügen, Europa der Vorherrschaft der französischen Bourgeoisie, die nach der Revolution an die Macht gekommen war, zu unterwerfen. 1808 erhob sich das spanische Volk gegen die Invasoren, 1809 wurde zum Jahr des Aufstandes gegen die Fremdherrschaft in Tirol. Seit dem Sieg bei Austerlitz 1805 geriet neben dem norditalienischen Venetien und Vorarlberg auch Tirol unter französische Vorherrschaft. Das Alpenland schlug Napoleon seinem Vasallen Bayern zu, was die freiheitsbewußten und kämpferischen Tiroler Bauern zutiefst verletzte.
Vor allem die Aufhebung der Tiroler Landesverfassung und die Einführung der bayrischen Verwaltung unter dem Regime des von Napoleon frisch gebackenen Bayernkönigs Maximilian I., aber auch die Aufbürdung zusätzlicher Steuerlasten zur Abdeckung der wachsenden französischen Kriegskosten rief einen Sturm der Entrüstung hervor. In der schließlich ausbrechenden machtvollen, von der gesamten Tiroler Bauernschaft getragenen Erhebung, wurde der Geist des Michael Geismair lebendig, des Tiroler Führers im alpenländischen Bauernkrieg 1525/26. Die Tiroler Bauern hatten damals soziale und demokratische Rechte durchgesetzt, die in keinem anderen deutschen Land erreicht wurden.
Nicht mindere Ausstrahlungskraft als Gaismair besaß der von den Tiroler Bauern 1809 zum Anführer gewählte Andreas Hofer, der am 22. November 1767 geborene Landwirt aus dem Passeiertal, Abgeordneter des Tiroler Landtages. Der Anderl, wie er von seinen Freunden gerufen wurde, hatte an allen Tiroler Kämpfen gegen die Franzosen teilgenommen und war durch seine Besonnenheit wie Tapferkeit bekannt. Als Österreich am 9. April 1809 einen neuen Feldzug gegen Frankreich begann, standen ihm der einberufene Tiroler Landsturm und die Bauernaufgebote zur Seite. In drei Schlachten wurden die überlegenen Truppen, die General Lefebvre kommandierte, am Iselsberg bei Innsbruck vernichtend geschlagen.
Hofer, der im Mai des Jahres von Kaiser Franz II. zum Oberkommandanten ernannt wurde, setzte die alte Landesverfassung wieder in Kraft und übernahm auf Drängen seiner Offiziere die Regentschaft Tirols. Er residierte auf der Hofburg und berief einen ausschließlich aus Bauern bestehenden Rat, der die Landesregierung bildete. In Wien wurde dies mit großem Unbehagen verfolgt. Da Hofers Truppen jedoch zwölf feindliche Divisionen banden, nahm man die Dinge vorerst hin.
Als Österreich gegen Napoleon nochmals unterlag, erfüllte Franz II. erneut die Forderung Bonapartes und trat Tirol an Frankreich ab. Vom radikalen Flügel der Bauern bedrängt, erklärte sich Hofer bereit, die Waffen wieder aufzunehmen. Unter Marschall Drouet rückten 50.000 Mann gegen das letzte Aufgebot der Tiroler vor, das sich am 1. November 1809 am Iselsberg, der nun zum Schicksalsberg wurde, nochmals zum Kampf stellte. Am Abend waren die Tiroler der Übermacht erlegen. Hofer rief seine Schützen auf, den Kampf einzustellen. Er appellierte an Napoleon, den Unterlegenen Gnade zu gewähren. Vergebens. »Die Franzosen machten Jagd auf alle Männer, die je einen Stutzen geführt hatten. Es gibt kein Dorf, in dessen Mitte nicht ein Galgen steht, an dem mindestens ein Freiheitskämpfer hängt«, hieß es in einem zeitgenössischem Bericht.
Hofer versteckte sich auf einer Hochalm in Südtirol, wo er Ende Januar 1810 durch Verrat – 1.500 Gulden waren auf ihn ausgesetzt – gefaßt wurde. Während Marie Louise, die Tochter Franz II., zur Aussöhnung der Dynastien mit Napoleon zum Traualtar schritt, ging Hofer in der Festung Mantua den Weg vor das Standgericht. Ihm stand General Bisson vor, der in der ersten Iselbergschlacht vor ihm kapituliert hatte. Das schnell gefällte Urteil lautete: »Tod durch Erschießen«! Am 20. Februar 1810 wurde es vollstreckt.
Der Geistliche, der in der letzten Stunde bei Hofer weilte, hielt fest, daß dieser aufrecht und standhaft vor das Peloton trat. Seine letzten Worte seien gewesen: »Was mi ruhig macht, das is d‘Gewißheit, daß es nit bleibt wie es ist, daß Tirol wieder frei werd‘n wird. Dann werden sich unsere Söhne an unserem Kampf ein Beispiel nehmen und wir sind nit umsonst g‘storb‘n für die Freiheit und Ehre unseres Landls!«
Hofer habe die Augenbinde abgelehnt und auf das Kommando »Niederknien« erwidert: »Dös tu i nit, i knie nur vor’m Herrgott.« Nach dem Befehl General Bissons: »Vorwärts! Lassen Sie schießen«, habe der kommandierende Oberst gebeten, das Peloton einem anderen Offizier zu übergeben. In die Pause hinein sei das Kommando »Feuer« erfolgt. Hofer selbst habe es gegeben. Nach der Salve sei er blutüberströmt zusammengebrochen und habe mit brechenden Augen gemurmelt »Schießt ös aber schlecht … Ade, mein Land Tirol«. Ein Sergeant habe ihm »den Gnadenschuß in die linke Schläfe gejagt«.*
Nach der Niederlage Napoleons kam Tirol wieder zu Österreich.
Gerhard Feldbauer
Tiroler Landsturm 1809, Gemälde von Joseph Anton Koch, um 1820
* Georg-Otto Paul: »Andreas Hofer«, Kongreß-Verlag Berlin/DDR 1954