»Freiheitskonvoi« unter falscher Flagge
Kanadischer Konvoi-Protest wird von einem Sammelsurium von Anti-Vax-Fanatikern und weißen Rechtsextremisten angeführt
Der sogenannte »Freiheitskonvoi« kanadischer Lkw-Fahrer, der in den letzten Tagen den Verkehr in den großen Städten des Landes von Küste zu Küste lahmgelegt hat, entpuppt sich immer mehr als eine Wagenladung verschwörerischer, weißer und faschistisch gefärbter Aufwiegelei.
Die Slogans und Transparente, die angeblich den Protest ausdrücken sollen gegen die von der kanadischen Regierung verhängte Impfpflicht für Lkw-Fahrer, die Fracht über die Grenze transportieren, machen deutlich, daß es um ganz andere Themen geht als um den Widerstand gegen das Impfen.
Die Canadian Trucking Alliance, ein landesweiter Verband von Lkw-Fahrern, hat erklärt, der Protest sei nicht repräsentativ für die große Mehrheit der Fahrer, und daß eine »große Anzahl von Demonstranten«, die überhaupt keine Verbindung zur Lkw-Branche haben, »eine eigene Agenda haben, die über die Meinungsverschiedenheit zu Impfvorschriften hinausgeht«.
Obwohl konservative Politiker und Propagandisten den Protest guthießen und versuchten, ihn als »spontane Demonstration der Arbeiterklasse gegen eine elitäre Regierung« darzustellen, zeigen eindeutige Verbindungen zwischen den Organisatoren des Konvois und international agierenden rechtsextremen Netzwerken, daß es sich um nichts dergleichen handelt.
Vielmehr handelt es sich um einen kanadischen Ausdruck desselben globalen Phänomens, bei dem extremistische Interessen des Großkapitals unter dem Deckmantel des falschen Populismus in einem Land nach dem anderen aufmarschieren.
Rechtsextreme Unterstützer aus den USA und Europa
Der Konvoi, der sich Ende Januar von British Columbia aus auf den Weg machte, sammelte innerhalb weniger Tage über eine Internet-Seite über 10 Millionen Dollar an Spenden ein, wobei ein erheblicher Teil des Geldes aus den USA und Europa stammte.
Das »soziale Netzwerk« Telegram war ein Online-Sammelpunkt für Unterstützer, darunter »Influencer« aus den USA wie Ben Shapiro, um Geld für die Konvoi-Protestler zu sammeln. Konservative Medien wie »Fox News« in den USA, und »Rebel News« und die »Toronto Sun« in Kanada fungieren unterdessen als Propagandainstrumente des Konvois.
»Rechtsgerichtete politische Persönlichkeiten und Autoren ... haben dem Ganzen einen Schub gegeben, der es global gemacht hat«, sagt Ciaran O'Connor vom Institute for Strategic Dialogue. »Spenden aus dem Ausland sind ein üblicher Bestandteil jeder großen Crowdfunding-Kampagne, aber das Ausmaß dieser Kampagne ist beispiellos«, sagte er.
O'Connors Organisation hat mehrere in den USA ansässige Gruppen ausfindig gemacht, darunter welche, die mit der rechtskonservativen »Tea-Party«-Bewegung und mit Anti-Vax-Gruppen in Verbindung stehen, die in großem Umfang gespendet haben. Ähnliche Gruppen in Europa und Australien haben sich ebenfalls beteiligt.
Inzwischen wurde auf der »christlichen« Crowdfunding-Plattform »GiveSendGo« eine neue Spendenseite mit dem Ziel eingerichtet, 16 Millionen Dollar zu sammeln. »GiveSendGo« ist dieselbe Seite, die zuvor genutzt wurde, um Geld für die Verteidigung von Kyle Rittenhouse zu sammeln, den jungen Mann, der 2020 bei Protesten gegen rassistische Polizeimorde in Kenosha, Wisconsin, zwei Männer ermordete. Es ist auch eines der bevorzugten Fundraising-Instrumente der weißen, rechtsextremen »Proud Boys«, die eine Rolle bei dem Angriff auf das USA-Kapitol am 6. Januar spielten.
Rechtsgerichtete Persönlichkeiten in den USA, vom Podcaster Joe Rogan, der für seine Spotify- und Impfstoff-Desinformation bekannt ist, bis hin zum ehemaligen Bewohner des Weißen Hauses Donald Trump, haben den Pro-Coronavirus-Konvoi gelobt. Andere, wie der Führer der Evangelikalen, Franklin Graham, und die führende COVID-Verschwörungstheoretikerin im Kongreß, die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene aus Georgia, haben samt ihren Anhängern ihre Unterstützung für die Trucker verkündet.
Auch einige der führenden Köpfe der Kapitalistenklasse haben sich zu Wort gemeldet und ihre volle Unterstützung zugesagt, darunter Tesla-Chef Elon Musk.
Als ob die wahre Politik der Konvoi-Demonstranten nicht schon klar genug wäre, wenn man bedenkt, wer sie unterstützt, wurden ihre ideologischen Neigungen bei ihren Straßenblockade-Kundgebungen in Ottawa, Toronto und anderen Orten nur allzu deutlich.
Flaggen der Konföderierten, der Südstaaten im US-amerikanischen Bürgerkrieg, und Banner mit Neonazi-Symbolen flattern in einem Himmel, der von den rauchenden Auspuffrohren der großen Lastwagen schwarz gefärbt ist, während Trump-imitierende Sprechchöre, wie das ach so kreative »Make Canada Great Again«, sich mit dem kakophonischen Klang von Preßlufthörnern abwechseln.
Ein Konvoi des Hasses
Dies ist alles andere als ein »Freiheitskonvoi«, erklärte die Kommunistische Partei Kanadas bereits am vergangenen Wochenende in einer Erklärung. »Dies ist ein Konvoi des Hasses, der die Zivilbevölkerung in Ottawa und überall dort, wo er vorbeikommt, bedroht und angegriffen hat.«
Das kanadische Anti-Haß-Netzwerk erklärte, wenn man sich die Organisatoren und Förderer des Konvois anschaut, »findet man Islamophobie, Antisemitismus, Rassismus und Aufforderungen zur Gewalt«. Die Gruppe hat sich alle Hauptakteure hinter dem Konvoi gründlich angeschaut und festgestellt, daß es sich um dieselbe Gruppe von Rechtsextremisten handelt, die schon lange vor der Pandemie Verschwörungen und arbeiterfeindliche Anliegen propagiert haben.
Viele der Organisatoren gehören nicht zur Lkw-Branche, und einige von ihnen haben in der Vergangenheit Arbeiter auf Streikposten belästigt und Hilferufe von eingewanderten Lkw-Fahrern, die gegen mißbräuchliche Unternehmen kämpfen, abgewiesen.
Reale Probleme nicht benannt
Was in der Liste der Beschwerden des Konvois fehlt? Die tatsächlichen Probleme, die die Fahrer in dieser Branche plagen. Und da fast 90 Prozent der Lkw-Fahrer bereits geimpft sind, gehört ein COVID-Grenzmandat nicht dazu.
Lkw-Fahrer aus dem Großraum Toronto erklärten am vergangenen Wochenende gegenüber CBC, daß der Konvoi die wirklichen Probleme, mit denen sie konfrontiert sind, völlig ignoriert: Mißbrauch durch den Unternehmer, Lohndiebstahl, gefährlich lange Arbeitszeiten und Rassismus. Attar Sodhi, ein 37-jähriger Fahrer aus der Stadt Brampton, stellte fest, daß die Trucker des Konvois fast ausschließlich weiß sind, obwohl mehr als die Hälfte der Trucker in dieser Region Südasiaten sind.
»Hinter den Kulissen spielt sich etwas anderes ab«, sagte Attar Sodhi, »denn die wirklichen Probleme sind ganz andere«. Er arbeitet für das Naujawan Support Network, das Lkw-Fahrern und anderen Beschäftigten Rechtsbeistand bietet, die sich gegen Einschüchterung durch die Unternehmen und Lohndiebstahl wehren. Die Organisatoren der Lkw-Demonstration haben sich nie an seine Gruppe oder andere ähnliche Gruppen gewandt, um zu erfahren, welche Sorgen ihre Mitglieder und Kunden haben.
Der Konvoi-Protest steht im Rampenlicht der Medien im In- und Ausland, aber er hat die Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird, nicht genutzt, um über Unternehmen zu informieren, die Fahrer fälschlicherweise als »Auftragnehmer« einstufen, um Dinge wie Überstundenvergütung und Sozialleistungen zu umgehen.
Stephen Laskowski, Vorsitzender der Ontario Trucking Association, sagt, daß Spediteure »die Schattenwirtschaft mit der falschen Einstufung von Arbeitskräften und dem Mißbrauch von Arbeitskräften nutzen, um schnell und profitabel zu wachsen«. Der Konvoi hat sich zu diesem Thema nicht geäußert.
Arshdeep Singh, 30, ein weiterer Trucker, fragte, warum der Protest nicht die Abschiebungsdrohungen erwähnt, die viele Trucker von Unternehmern bekommen, die sie bei gefährlichem Wetter oder ohne Schlaf auf die Straße schicken. »Das sind die Probleme, die es seit 10, 15 Jahren gibt«, sagte er, aber der Protest hat keinen Raum für diese Themen.
Öffentliche Unterstützung begrenzt
Stattdessen betreibt der sogenannte »Freiheitskonvoi« weiterhin Angstmacherei mit COVID-Impfstoffen und Masken, verschlingt täglich Hunderttausende von Dollar an öffentlichen Geldern für die Sicherheit und macht den Menschen, die in der Nähe ihrer Blockaden leben, das Leben zur Hölle.
Obwohl es viel Grund zur Aufregung gibt – staatliche Pandemiehilfe, die reiche Unternehmen statt Menschen unterstützt, ein öffentliches Gesundheitssystem, das durch jahrzehntelange Mittelkürzungen gelähmt ist, Programme zur Unterstützung von Arbeitsplätzen durch das Coronavirus, die vorzeitig beendet werden, und vieles mehr – schließt sich die kanadische Arbeiterklasse dem konspirativen Anliegen des Konvois nicht an.
Umfragen zeigen, daß die öffentliche Unterstützung für den Konvoi begrenzt ist. Immer mehr Menschen sehen die Botschaft des Konvois als das, was sie ist: pro-Coronavirus und rassistisch.
Selbst einige der etablierten Politiker der Konservativen Partei sind nicht sehr zuversichtlich, daß sie aus dem Protest Kapital schlagen können. Nachdem sie gerade ihren eigenen uninspirierten Parteivorsitzenden aus dem Amt gejagt haben und sich einer Wählerschaft gegenübersehen, die fast vollständig geimpft und des Anti-Vax-Unsinns überdrüssig ist, sehen sie nicht, daß sie politisch etwas erreichen können. Das wird die Randgruppen ihrer Partei oder die offen rassistische People's Party of Canada jedoch nicht davon abhalten, sich als Plattform für die Demonstranten zu präsentieren.
Die Polizei in Ottawa sagt unterdessen, sie habe begonnen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Fortsetzung der Lkw-Blockade zu verhindern. Einschränkungen bei der Treibstoffversorgung, gerichtliche Verfügungen gegen die Blockade und Verhaftungen sind in Vorbereitung.
Wenn es den Behörden in der kanadischen Hauptstadt gelingt, ihre Straßen zu räumen, wird der Konvoi-Wahnsinn jedoch wahrscheinlich nicht so bald aufhören. Im Internet organisieren die Rechten weitere Lkw-Proteste – diesmal in den USA und in Europa, wie in Frankreich und Belgien.
Aus: »People's World« Zeitung der Kommunistischen Partei der USA (CPUSA)
Übersetzung: ZLV