Ausland04. Januar 2025

Neuer Hotspot mit Potenzial für einen Atomkrieg

EU und NATO schaukeln Provokationen gegen russische Schiffe in der Ostsee hoch

von Rainer Rupp

Es scheint, daß die Biden-Administration der USA kurz vor ihrem Abgang eine Eskalation der Spannungen in der Ostsee angeordnet hat, die das Potenzial für eine direkte militärische Konfrontation mit Rußland hat. Das Verhalten europäischer NATO-Staaten in den letzten Jahren deutet darauf hin, daß all diese Aktionen von Washington aus gesteuert wurden und werden. Was derzeit in der Ostsee inszeniert wird, kann nur als irrational und daher höchst gefährlich beschrieben werden.

Was passiert tatsächlich im Ostseeraum? Unter der Behauptung, daß die EU das Recht habe, Sanktionen gegen jegliche Lieferungen von russischem Öl zu verhängen – obwohl die nicht einmal die Hoheitsgewässer der EU-Mitgliedstaaten berühren, sondern lediglich durch internationale Schifffahrtswege führen – werden derzeit gewöhnliche Öltanker verschiedener Eigner und Herkunft als »russische Schattenflotte« bezeichnet. Diese künstliche Klassifizierung soll die Öffentlichkeit glauben machen, daß demzufolge die NATO das Recht hat, diese Schiffe nach Belieben zu stoppen, zu inspizieren oder sogar zu blockieren.

Keinerlei völkerrechtliche Grundlage

Aus der Perspektive des Seerechts ist die Situation jedoch klar und – nicht überraschend – völlig anders als von EU- und NATO-Vertretern sowie westlichen Medien dargestellt. Es gibt keinerlei völkerrechtliche Grundlage, Schiffe auf internationalen Schifffahrtsrouten abzufangen, es sei denn, es besteht ein begründeter Verdacht auf Beteiligung am Sklavenhandel oder an Piraterie.

Das Blockieren von Schifffahrtswegen oder die Beschlagnahme von Schiffen stellt eine Kriegshandlung dar. Die rechtliche Unterscheidung zwischen Piraterie und Kriegshandlung liegt nicht in der Tat selbst, sondern beim Akteur: Die Piraterie ist nicht staatlich unterstützt. Wenn aber ein Staat Handlungen ausführt, die denen von Piraten ähneln, wie das unrechtmäßige Übernehmen eines Schiffs, dann ist dies als Kriegshandlung zwischen den beteiligten Staaten zu betrachten.

Vor einigen Tagen hat die EU-Kommission in Brüssel eine neue Sanktionsliste veröffentlicht, die Schiffe ins Visier nimmt, die sie als Teil der »russischen Schattenflotte« ansieht. Ein angeführtes Argument ist, daß diese Schiffe »nicht angemessen« versichert seien, also nicht von westlichen Versicherern. Interessanterweise sind viele dieser Schiffe nicht »Schatten«-Schiffe, sondern im Besitz des staatlichen russischen Unternehmens SCF (ehemals bekannt als Sovcomflot, die ehemalige sowjetische Handelsflotte). Für staatlich betriebene Schiffe gibt es keinen Zwang zur kommerziellen Versicherung, da der Staat alle Schäden decken kann. Versicherungsanforderungen sollen lediglich sicherstellen, daß im Falle von Schäden, bei denen der Schädiger möglicherweise nicht in der Lage ist, die Kosten zu kompensieren, eine Deckung vorhanden ist.

Angebliche Sabotage an Kabeln

Ein weiterer Vorwand für die Mobilisierung durch die EU und die NATO gegen die angebliche »russische Schattenflotte« sind wiederkehrende Geschichten von angeblicher Sabotage an Kabeln in der Ostsee, für die Rußland verantwortlich gemacht wird. Interessanterweise traten all diese Störungen auf, nachdem die NATO im Oktober – unter Verletzung des Völkerrechts – ihr neues »Ostsee-Kommandozentrum« in Rostock, Deutschland, etabliert hatte. Es scheint, als hätten die »russischen Saboteure« gewartet, bis die NATO ihre neuen Militärstrukturen in der Ostsee auf Trab gebracht hat, bevor sie zuschlugen. All das muß auch vor dem Hintergrund der gleichzeitig gesteigerten Militärübungen der NATO gesehen werden, die u.a. Landungsoperationen gegen St. Petersburg und Kronstadt simulieren.

Diesbezüglich relevant ist auch die Tatsache, daß im letzten Sommer die Regierungen Estlands und Finnlands lautstark ihre Fantasien geäußert haben, die Ostsee für die russische Marine komplett sperren zu wollen – ein Vorhaben, das zwingend zu einem Krieg mit Rußland führend würde. Das hinderte NATO-Vertreter jedoch nicht daran, solche großspurigen und selbstherrlichen Gedanken öffentlich weiter zu verbreiten.

Blockade der zivilen Schifffahrt

Was derzeit unter dem Deckmantel des »Kampfes gegen die russische Schattenflotte und russische Sabotage« vorbereitet wird, ist faktisch eine Blockade der zivilen Schifffahrt, möglicherweise in der komplett falschen Hoffnung, daß dies nicht zu einer direkten russischen Reaktion führend würde, solange die blockierten Schiffe nicht russisch sind oder unter russischer Flagge fahren.

Vom 2. bis zum 15. Dezember führte die NATO eine Übung unter dem Namen »Blitz« durch, die das Üben einer Schiffblockade im Finnischen Meerbusen umfaßte. Zukünftige Übungen sollen auch das Training für amphibische Operationen in Kronstadt und St. Petersburg sowie Angriffe auf den kommerziellen Hafen in Ust-Luga beinhalten, wo eine beträchtliche Anzahl der auf der EU-Sanktionsliste stehenden Schiffe ihre Fahrten nach Indien und China beginnen.

Ein weiterer Aspekt macht diese westlichen Bemühungen noch gefährlicher als sie auf den ersten Blick erscheinen. Geografisch ist Rußland im Ostseeraum an zwei Stellen verwundbar: Kaliningrad und St. Petersburg, wobei letzteres wirtschaftlich weitaus bedeutender ist. Zudem gibt es das historische Trauma der Belagerung von Leningrad im Zweiten Weltkrieg, als finnische Truppen an der Seite der faschistischen deutschen Wehrmacht kämpften. Auch dadurch wird jede Bedrohung St. Petersburgs eine besonders ernste Angelegenheit für Rußland, eine Tatsache, die in NATO- und EU-Kreisen wohlbekannt ist, und sich deshalb ideal für Provokationen eignet.

Ein sehr reales Risiko

Die Regierungen der EU- und NATO-Staaten scheinen zu glauben, daß sie nur noch wenige Wochen bis zur Amtsübernahme durch Donald Trump am 20. Januar Zeit haben, um eine russische Gegenreaktion in der Ostsee auszulösen, damit sie anschließend lauthals über einen »unprovozierten Angriff« der »bösen Russen« auf »unschuldige« Kriegsschiffe der NATO klagen können, nur weil die Kriegsschiffe »gefährliche russische Schattenflottentanker« festgehalten haben, oder NATO-Marineeinheiten »harmlose« militärische Landungsoperationen in der Nähe von St. Petersburg durchgeführt haben.

Die Ereignisse der letzten Wochen in der Ostseeregion sind außerordentlich beunruhigende Entwicklungen mit viel zu vielen unvorhersehbaren und irrationalen Akteuren, einschließlich der drei kleinen Baltenstaaten. Das sehr reale Risiko, das durch diese Provokationen entsteht, die in Deutschland auch mit dem Narrativ des »Kampfes gegen die Schattenflotte« oder des »Schutzes vor russischer Sabotage« gerechtfertigt wird, sollte nicht unterschätzt werden. Die »Farbenrevolution« in Georgien ist zwar gescheitert, ebenso wie der versuchte Putsch in Südkorea, aber es gibt keine Garantie, daß die kriminellen Pläne der EU und der NATO im Ostseeraum das gleiche Schicksal erleiden werden.

Rettung aus Seenot verweigert

Wie weit der irrationale Haß auf Rußland innerhalb der westlichen Eliten geht, wird durch die Begleitumstände des Untergangs des russischen Frachtschiffs »Ursa Major« im westlichen Mittelmeer verdeutlicht. Höchstwahrscheinlich aufgrund eines terroristischen Angriffs von außen – worauf die nach innen gebogenen Löcher im Rumpf hinweisen – ist das Schiff auf hoher See gesunken. Zum Glück konnten 14 Besatzungsmitglieder in einem Rettungsboot überleben.

Doch das norwegische Schiff »Oslo Carrier 3«, das einige Zeit später die Unglücksstelle passierte, weigerte sich, die in Seenot geratene Besatzung zu retten, nachdem diese sich als Russen zu erkennen gegeben hatten, und zwar mit der »Begründung«, es bestehe ein norwegisches Verbot, Russen zu helfen.

»Nachdem das Rettungsboot das Schiff erreicht hatte, weigerte sich das norwegische Schiff, die Besatzung der ‚Ursa Major‘ an Bord zu nehmen, und gab zur Begründung eine Art Verbot an«, zitierte RIA Novosti die Presseabteilung des russischen Reedereibetriebs Oboronlogistics.

Letztendlich wurden die 14 Besatzungsmitglieder des russischen Frachtschiffs von spanischen Seeleuten der »Salvamar Drago« gerettet und nach Cartagena gebracht. Zwei russische Seeleute gelten weiterhin als vermißt.

Dieses empörende und jegliche Regeln der internationalen Seefahrt verletzende Verhalten der Besatzung eines norwegischen Schiffs wurde fast gänzlich von westlichen, selbsternannten »Qualitätsmedien« ignoriert. Es gab keinen Aufschrei der Empörung von den sonst mit Mitgefühl und Humanitätsduselei durchtränkten Berichten von »Gutmenschen« in Medien und Politik. Stattdessen zeigt dieser Vorfall, wie sehr die gepriesene westliche »Werte«-Gesellschaft unter dem Einfluß einer gehässigen, anti-russischen Haßkampagne bereits brutalisiert ist.

Diese gefährliche Propagandawelle, die unaufhörlich Tag für Tag und rund um die Uhr unsere Sinne, Hören und Sehen angreift und alle Aspekte des Lebens beeinflußt, kennt man nur noch aus totalitären Regimen der Vergangenheit. Und das führt inzwischen so weit, daß sogar die wunderbare klassische Musik oder Literatur aus Rußland zu geächtetem, »bösem« russischen Machwerk bemacht werden, wenn Konzerte und Lesungen auf Druck von Vertretern westlicher »Kultur«-Politik abgesagt werden. Dann ist es auch kein Wunder, wenn man »böse russische Seeleute« in einem kleinen Rettungsboot auf stürmischer See ihrem Schicksal überläßt, aus dem einzigen Grund, weil sie Russen sind.