Ausland07. Oktober 2021

Mitte-Links-Bündnis bei italienischen Kommunalwahlen vorn

M5S-Bürgermeisterin in Rom abgewählt. »Waterloo« für Faschisten

von Gerhard Feldbauer

Bei den Wahlen der italienischen Bürgermeister und Kommunalparlamente am Sonntag und Montag sind die Kandidaten von Mitte-Links-Bündnissen in Mailand, Bologna und Neapel bereits im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit zu neuen Chefs der Stadtregierungen gewählt worden. Wo die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) Bündnisse mit dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) abgelehnt hatte, profitierten die Bewerber der faschistischen Allianz – die Lega des früheren Innenministers Matteo Salvini, die Brüder Italiens (FdI) Georgia Melonis und die Forza Italia (FI) des ehemaligen Premiers Silvio Berlusconi – davon. So in Rom, wo ihr Bewerber Enrico Michetti auf über 30 Prozent kam, während der gegen die Amtsinhaberin Virginia Raggi von M5S antretende PD-Bewerber Roberto Gualtieri nur auf 27 Prozent kam und Raggi auf 19 Prozent absackte.

Auch in Kalabrien, wo gleich drei Kandidaten aus dem Mitte-Links-Spektrum getrennt antraten, setzte sich als neuer Präsident der Region der FI-Bewerber bereits im ersten Wahlgang durch. Hinzu kamen Ergänzungswahlen für zwei Sitze der Abgeordnetenkammer, darunter in Siena, wo der neue Chef des PD, Enrico Letta, nach sechs Jahren Unterbrechung wieder ins Parlament gewählt wurde. Die Wahlen der Bürgermeister- und Kommunalparlamente fanden in 1.348 Gemeinden mit zusammen rund zwölf Millionen Wahlberechtigten statt. Wo ein Kandidat nicht 50 Prozent plus wenigstens einer Stimme erreichte, treten die beiden an der Spitze liegenden Bewerber in zwei Wochen zum Ballottagio (Stichwahl) an, darunter in Rom, Turin und Triest.

Die Sternepartei steckt erneut eine Niederlage ein. Im Vergleich zu den italienischen Parlamentswahlen im März 2018, wo sie 32 Prozent einfuhr, kommt sie jetzt im Durchschnitt noch auf achteinhalb Prozent. Ihr droht laut der linken Tageszeitung »Manifesto« der Zusammenbruch. Die Abfuhr für Raggi, die 2016 nur mit den Stimmen der FdI Melonis ins Amt kam, ist eine deutliche Absage an den Rechtskurs von M5S-Gründer Giuseppe Grillo, der an ihrer heftig kritisierten Kandidatur festhielt. Ob der neue Sterne-Chef, Ex-Premier Giuseppe Conte, der wie in Neapel auch in Rom für den PD-Bewerber Gualtieri eintrat, das aufhalten kann, wie Medien meinen, bleibt abzuwarten.

Vor allem aber geht der PD, der in den Mitte-Links-Bündnissen meist die Bewerber stellte, gestärkt aus dem Votum hervor, und steht laut »Manifesto« verglichen mit der Katastrophe der Rechten »mehr als wettbewerbsfähig« da. »Wir haben gezeigt, daß die Rechte schlagbar ist«, zitierte das Blatt PD-Chef Letta. Auf sich aufmerksam machte auch die kleine antikapitalistische Linkspartei Potere al Popolo (Die Macht dem Volke), der es im Bündnis mit Kommunisten unter anderem in Bologna gelang, mehr als zwei Prozent der Stimmen zu erzielen.

Um das faschistische Odium loszuwerden oder zu verbergen und Wähler der Mitte zu gewinnen, hatten die Parteien der faschistischen Allianz versucht, mit sogenannten parteiunabhängigen Kandidaten anzutreten, wie in Rom mit dem Juraprofessor für Kommunalrecht Enrico Michetti. Wie »Manifesto« enthüllte, hat der für seine Sympathien für die extreme Rechte bekannte Michetti die Tarnung auffliegen lassen, als er gleich drei Mitglieder der faschistischen »Casa Pound« in seine Liste aufnahm. In Neapel wollte die Lega ohne ihr Parteisymbol auf einer »Prima Napoli Liste« den mit ihr sympathisierenden Staatsanwalt Catello Maresca unterstützen, das wurde aber vom Stadtrat abgelehnt.

Es erwies sich ohnehin als nutzlos. Wie Lega-Chef Salvini eingestehen mußte, ist es »für die ganze Rechte und für die Lega im Besonderen« ein »Waterloo«, eine »nicht zu leugnende Niederlage« geworden. Die Wahlergebnisse zeigen eine sich fortsetzende Stimmenwanderung von der Lega zu den Brüdern Italiens Melonis bei gleichzeitig sinkender Akzeptanz Salvinis.

Mit Blick auf die Wahl des Staatspräsidenten im Februar 2022 als auch eines neuen Parlaments im Frühjahr 2023 wurde dem Votum eine auf die Wähler ausstrahlende Bedeutung beigemessen. Wie zutreffend das ist, zeigte sich, als FdI-Führerin Meloni laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA sofort nach dem Wahlausgang ein verdecktes Manöver zu vorgezogenen Neuwahlen einleitete und drängte, Premier Mario Draghi solle als Kandidat für die Präsidentenwahl im Februar 2022 aufgestellt werden. Das Ziel ist unschwer zu erkennen: Mit dem Ausscheiden Draghis aus dem Amt des Premiers möchten die Faschisten die Wahlen auf Frühjahr oder Herbst 2022 vorziehen, um an die Regierung zu kommen, da ihre Chancen mit dem Sinken der Lega-Stimmen fallen. Auch befürchten sie ein weiteres Anwachsen der PD-Stimmen.