Eskalationsstrategien in Olivgrün
Einstmals pazifistische Partei begrüßt EU-Pläne für eine »Wiederaufrüstung Europas«, hat aber weitergehende »sicherheitspolitische Vorschläge und Forderungen«
Als kriegsbesoffene Erfüllungsgehilfen für Kriege gegen Rußland – oder gleich gegen China? – stehen Déi Gréng Gewehr bei Fuß. Einer Aufforderung Premierminister Luc Friedens folgend preschte die einstmals pazifistische Partei am Freitag vor und präsentierte ihre »sicherheitspolitischen Vorschläge und Forderungen« für ein Gelingen der EU-Pläne für eine »Wiederaufrüstung Europas«. Auf der Pressekonferenz begrüßten die ehemalige grüne Ministerin Sam Tanson und Koparteipräsidentin Stéphanie Empain, die laut Selbstauskunft »eine zweijährige Berufserfahrung beim Generalstab der luxemburgischen Armee« vorzuweisen hat, »ausdrücklich« die Pläne von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-weit 800 Milliarden Euro in »Rearm Europe« zu stecken. Es wurde auch daran erinnert, daß es hierzulande ein grüner Armeeminister war, der in Sachen Aufrüstung und Modernisierung der militärisch nutzbaren Infrastrukturen »eine gute Vorarbeit« geleistet hat.
An den Premier erging der Appell, »mutig« zu sein und sich zum Beispiel »aktiver« dafür einzusetzen, daß die rund 300 Milliarden US-Dollar russischen Staatsvermögens, die in EU-Europa und in den USA blockiert wurden, »in vollem Umfang für die Unterstützung der Ukraine« im Krieg gegen Rußland eingesetzt werden können. Dabei gehe es auch um »die Absicherung unseres Wohlstands, unserer Sicherheit und unserer Demokratie«.
Um Blockaden auf EU-Ebene künftig zu verhindern, müsse das Einstimmigkeitsprinzip bei der »Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik« abgeschafft werden. Auch dafür soll sich der Premier einsetzen. Weitere Eskalationsstrategien in Olivgrün sind der forcierte Aufbau einer EU-Armee, möglichst mit »eigenen Kommandostrukturen in Europa«. Dabei komme auch Luxemburg nicht umhin, »einen Teil seiner Souveränität abzugeben«. Auf Nachfrage der Zeitung hin führte Koparteipräsidentin Empain aus, die NATO funktioniere »idealerweise« weiter, die EU müsse sich aber dennoch »Fähigkeiten geben«, damit sie nicht am Ende mit einer »leeren NATO-Hülle« dastehe.
Wie Frau von der Leyen wollen auch Déi Gréng die Interoperabilität der Streitkräfte der EU-Staaten – also die Fähigkeit, gemeinsam Kriege zu führen – erhöhen und fordern, die Rüstungsproduktion in der EU schneller hochzufahren, sie von Vorprodukten aus Drittstaaten wie »Amerika oder China« unabhängiger zu machen und ihren Ausbau durch eine rasche Verringerung der Waffenkäufe in den USA in hohem Tempo voranzutreiben. Auch sei bei einer gemeinsamen Beschaffung von Kriegsgerät mit Synergieeffekten zu rechnen.
Wie realitätsfern solche Forderungen sind, zeigt sich schon an der Tatsache, daß seit dem Beginn des Ukraine-Krieges vor drei Jahren rund 63 Prozent aller Rüstungsimporte von EU-Staaten bei US-amerikanischen Konzernen eingekauft wurden und lediglich 22 Prozent in anderen EU-Ländern. So hat sich die belgische Regierung beim Kauf von Kampfjets für die US-amerikanische F-35 als Ersatz für die F-16 entschieden, obwohl man in Paris auf einen Auftrag für einen eigenen Dassault Rafale gehofft hatte. Die Rafale wurde fast vollständig im nationalen Alleingang entwickelt, nachdem Frankreich aus dem Eurofighter-Konsortium mit Britannien, Deutschland, Italien und Spanien ausgestiegen war.