Ausland01. Juli 2025

Held Afrikas

Zum 100. Geburtstag von Patrice Lumumba

von Melina Deymann, Essen

Deutschland sollte sich zurückhalten, den Kolonialismus anderer Länder zu kritisieren. Leicht verspätet, hat dieses Land nicht nur herzhaft zugegriffen, als es um die Aufteilung der Welt ging, sondern der Geschichte der Menschheit auch Verbrechen hinzugefügt, die in ihrer Grausamkeit eigentlich unvorstellbar sind. Während Deutschland kurz vor Toresschluß auch noch ein Stück vom Kuchen abhaben wollte, ging ein anderes Land überaus geplant an die Frage heran, welchen Teil der Welt es zu unterjochen und auszupressen gedachte – auch, weil dieses Land in Europa eher weniger bedeutend war. Die Rede ist von Belgien.

Das Königreich Belgien bezahlte dem »Abenteurer« Henry Morton Stanley viel Geld dafür, das Gebiet am Fluß Kongo zu kartographieren, dort Elfenbein einzusammeln und Verträge mit den Einheimischen abzuschließen, in denen diese ihr Land und ihre Mitmenschen an Belgiens König Leopold II. überschrieben.

Das deutsche Kaiserreich, erst 1871 gegründet, war ein großer Anhänger der belgischen Kolonialbestrebungen, sah sich das deutsche Kapital doch als durchsetzungsfähig gegen den kleinen Nachbarn, bei den USA oder Britannien hätte das anders ausgesehen. Und so wurde bei der sogenannten »Berliner Konferenz« (gern auch als Kongo- oder Westafrikakonferenz bezeichnet) von November 1884 bis Februar 1885 das Land dem Privatbesitz der belgischen Krone zugestanden – mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung.

Systematische Ausbeutung und Ausplünderung

Kongo blieb von 1885 bis 1908 im Besitz des belgischen Königs. Der preßte das Land, das nun »Freistaat Kongo« hieß, nicht nur aus, sondern errichtete Mechanismen, um Massenmorde an der Bevölkerung zu fördern. Jeder, der sich in irgendeiner Weise gegen die Weißen »ungebührlich« benahm, konnte erschossen werden. Als Beweis dafür, daß die Munition nicht verschwendet worden war, mußte die Hand des Toten vorgezeigt werden. Eine Einladung, Menschen willkürlich die Hände abzuhacken.

Die Bewohner des Kongo starben in Folge des Kolonialismus an Überarbeitung, an Mangelernährung und an Obdachlosigkeit. Ging Stanley, der »Entdecker«, in seinen Berichten noch von 29 Millionen Afrikanern aus, die im Gebiet um den Kongo ansässig waren, schwanken die Schätzungen um das Jahr 1908 zwischen achteinhalb und elf Millionen. Die Bevölkerung war um mehr als die Hälfte dezimiert worden. Von nicht mehr als 3.000 weißen Kolonialisten.

Die als »Kongogräuel« bekannt gewordene systematische Ausbeutung und Ausplünderung, die Kautschukgewinnung mit Sklaverei und Zwangsarbeit, führte nicht nur innerhalb des »Freistaats Kongo« zu Protesten, sondern auch zu einer internationalen Kampagne. Diese bewirkte, daß der Staat Belgien die Kolonie vom Königshaus übernahm und in »Belgisch-Kongo« umbenannte. Jegliche politische Betätigung wurde verboten, Regierungsmitglieder nicht gewählt, sondern ernannt, die Zwangsarbeit wurde zwar offiziell abgeschafft, blieb aber bestehen. Die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und der Menschen für die Profitinteressen des belgischen Kapitals gingen unvermindert weiter.

Erhebungen gegen den Kolonialismus

In diese Kolonie wurde 1925 Patrice Lumumba geboren. Er war der Anfang vom Ende des Kolonialismus in Afrika.

Bei seiner Geburt hieß Patrice Lumumba noch Élias Okit‘Asombo. Den Namen Lumumba (auf Deutsch etwa: aufrührerische Massen) legte er sich nicht im Laufe seines politischen Lebens zu. Nein, so nannten ihn seine Schulfreunde, seine Nachbarn, seine Familie, als er ein Kind war. Denn schon damals war Lumumba »Lumumba«: ein aufrührerischer Geist mit wachem Verstand, ein brillanter und mitreißender Redner, der andere für seine Sache begeistern konnte. Dementsprechend verlief seine Schulkarriere kürzer als geplant. Wegen seines ständigen Widerspruchs gegen Lehrer mußte er die Missionsschule verlassen, in Stanleyville begann er eine Ausbildung zum Postbeamten.

Es sind die 1950er Jahre, die Idee des Panafrikanismus steigt wieder auf und überall auf der Welt beginnen die Völker, sich gegen den Kolonialismus zu erheben.

Lumumba beendet seine Ausbildung. Die Kolonialherrschaft stuft ihn als »Évolué« ein, als »entwickelten Neger«, so die offizielle Kategorisierung – ein sozialer Aufstieg in eine Schicht, aus der sich die Kolonialherren ihre schwarzen Helfershelfer rekrutieren. Zudem erhält Lumumba eine »Carté d’Immatriculation«, die ihm ein Studium erlaubt. Nur 150 Kongolesen wird so eine Erlaubnis zugestanden.

Lumumba bildet sich, wendet sich der Politik zu und wird zwischenzeitlich Mitglied der Liberalen Partei Belgiens. 1956 unternimmt er eine Studienreise nach Belgien. Bei seiner Rückkehr wird er verhaftet und zu zwölf Monaten Gefängnis verurteilt. Er soll angeblich Geld der Post unterschlagen haben.


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