Leitartikel12. Mai 2021

Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil!

von Ali Ruckert

Es ist eine Erkenntnis, die man bereits in der mehr als 150 Jahre alten Schrift »Lohn, Preis und Profit« von Karl Marx findet und an die man aus Aktualitätsgründen immer wieder anknüpfen kann: Sind einem Kapitalisten bei der Steigerung der Arbeitsintensität der Beschäftigten Grenzen gesetzt, wird er versuchen, die Arbeitszeiten auszuweiten, um die Ausbeutung zu erhöhen zu mehr Profit zu gelangen.

Das ist der Grund, weshalb Kapitalisten sich immer kürzeren Arbeitszeiten widersetzen und – wenn Arbeitszeitverkürzungen zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht zu verhindern sind – versuchen, möglichst viele Ausnahmeregelungen durchzusetzen. Sonntagsarbeit ist in einer ganzen Reihe von Wirtschaftsbereichen längst kein Tabu mehr, und inzwischen gibt es Bestrebungen, auch Feiertage wie ganz gewöhnliche Arbeitstage zu bewerten.

Gegenwärtig erleben wir im Handel, wie Teile des Patronats versuchen, über die Arbeits- und Öffnungszeiten zu höheren Profiten zu gelangen. Die Handelskonföderation, eine der reaktionärsten Patronatsvereinigungen im Land, gibt den Ton an, indem sie eine vollständige Liberalisierung der Arbeitszeiten fordert.

Bereits heute haben die Beschäftigten aus dem Handel große Mühe, Arbeitsverpflichtungen und Privatleben unter einen Hut zu bekommen, und wenn es nicht gelingt – und das ist immer öfter der Fall – geht das zu Lasten des Familienlebens, der Freizeit- und Sportaktivitäten und der kulturellen Betätigung. Diese Erfahrung machen nicht nur die Lohnabhängigen der großen Handelsketten, sondern auch der vielen kleinen Geschäfte, die oft regelrecht an den bereits stark flexibilisierten Arbeitszeiten verzweifeln.

Gegenwärtig gibt es zunehmend Vorstöße des Handelskapitals, die Arbeitszeiten noch weiter zu flexibilisieren, die Sonntagsarbeit über die bestehenden gesetzlichen Vorgaben hinaus auszudehnen und auch an Feiertagen zu öffnen.

Jüngstes Beispiel ist die Entscheidung der zur belgischen Handelgruppe Delhaize gehörenden Supermarktkette Match, aus Profitgründen an allen Feiertagen zu öffnen und das, ohne sich mit den Personal- und Gewerkschaftsvertretern abzusprechen.

Die Entscheidung ist eine Provokation, auch wenn sie durch das Gesetz über die Öffnungszeiten im Handel abgedeckt ist, das an Feiertagen Öffnungszeiten im Handel bis 13.00 Uhr und mit Spezialgenehmigung des Ministers sogar darüber hinaus möglich macht. Es ist eines der vielen Gesetze in Luxemburg, die im Interesse des Kapitals gemacht werden und zu Lasten der Schaffenden gehen.

Der OGBL hat prompt reagiert, und die am 9. Mai stattgefundene Protestkundgebung vor dem Match in Düdelingen war vielleicht nur die erste von vielen Protestaktionen, die notwendig sein werden, um eine vollständige Flexibilisierung zu verhindern.

In dieser Auseinandersetzung ist aber nicht nur die Gewerkschaft gefordert. Vor allem wird es notwendig sein, die Beschäftigten, die die ersten Leidtragenden der Feiertagsöffnungen sein werden und von denen die wenigsten an Feiertagen arbeiten wollen, davon zu überzeugen, dass jetzt nicht die Zeit ist, es bei der Faust in der Tasche zu belassen, sondern dass es notwendig sein wird, solidarisches und entschlossenes Handeln an den Tag zu legen. Denn auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil!

Solidarität bekunden sollten aber auch die Lohnabhängigen und Rentner, die Kunden der Supermärkte sind. Sie können ein Zeichen setzen, indem sie demonstrativ auf Einkäufe an Sonn- und Feiertagen verzichten und die Beschäftigten bei Protestaktionen unterstützen.