Ausland31. August 2021

Konservative Rechte wollen kulturellen Raum besetzen

Angriff auf Abtreibungsrecht: Französischer Medienmogul will Faschisten an die Macht bringen

von Hansgeorg Hermann

Es ist nichts Neues, daß der französische Milliardär und europäische Medienmogul Vincent Bolloré die faschistische Rechte seines Landes mit Hilfe seiner TV-Sender C 8 und C News an die Regierung bringen will. Nun wissen die Franzosen auch, wie er seine Medienmacht in den kommenden Monaten bis zur nächsten Präsidentschaftswahl einsetzen will.

Es geht darum, einen Kulturkampf anzuzetteln, die Politik in alttestamentarisches »Gut« und »Böse« aufzuteilen und »linke« politische Errungenschaften wie das einigermaßen liberale Schwangerschaftsabbruchgesetz als »Teufelswerk« zu denunzieren. Den Auftakt für Bollorés Kampagne lieferte am 16. August zur besten Sendezeit ein von US-amerikanischen Klerikalen finanzierter Film, der unter dem Titel »Unplanned« das Recht der Frauen auf Abbruch einer Schwangerschaft angreift.

Das Machwerk, das bei C 8 gesendet wurde, greift »die wahre Geschichte« der US-Amerikanerin Abby Johnson auf – einer jungen Texanerin, die als Angestellte eines Zentrums für Familienplanung rund 22.000 Abbrüche im OP aus nächster Nähe erlebt haben will und, von Reue zerfressen, zur militanten Abtreibungs-Gegnerin mutierte. Das für Produktionskosten von rund sechs Millionen US-Dollar in Hollywoodmanier inszenierte Rührstück, in dem die Protagonistin in Tränen aufgelöst an »Babymord« und sich selbst verzweifelt, kam 2019 in den USA auf den Markt und brachte den evangelikalen Autoren der Firma Pure Flix immerhin 60 Millionen ein – Geschäft bleibt in den USA noch immer Geschäft.

Daß der von klerikalen Lügenmärchen und horrendem Unsinn nur so strotzende Film nun ausgerechnet im seit mehr als 100 Jahren laizistischen Frankreich ins (private) Fernsehen kam, ist nicht mehr ganz so erstaunlich, wie es scheinen mag. In den Pariser Tageszeitungen »Libération« und »L’Humanité« erboste sich Sarah Durocher über »schockierende Bilder, die von den Abtreibungsgegnern überall auf der Welt benutzt werden – das ist nicht neu«. Die Kopräsidentin der Gesellschaft Planning familial fragte sich, »welche Gründe C 8 veranlaßt haben, diesen Film zu zeigen«.

Für Caroline Mecary, die sich in Frankreich als Anwältin gleichgeschlechtlicher Paare einen Namen machte, ist der Verantwortliche längst gefunden: »Es gibt ein gewolltes (politisches) Unternehmen, das von Vincent Bolloré orchestriert wird. Es handelt sich um einen Propagandafilm mit dem logischen Ziel, den kulturellen Raum durch die konservative Rechte zu besetzen.«

Bolloré und seine Leute bei C 8 riskieren nach Ansicht der beiden Frauen sogar eine Strafanzeige. Noch kurz vor dem Amtsantritt des neoliberalen Präsidenten Emmanuel Macron schob die damalige sozialdemokratische Mehrheit noch ein Gesetz durch die Nationalversammlung, das die Behinderung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch – durch Familienorganisationen, Krankenhäuser oder einzelne Ärzte beispielsweise – unter Strafe stellt. Seit dem 16. März gilt in Frankreich: Mit bis zu zwei Jahren Gefängnis und Geldbußen in Höhe von bis zu 30.000 Euro kann belangt werden, wer »falsche Informationen« verbreitet, die im Endeffekt dazu dienen sollen, »die gewollte Unterbrechung einer Schwangerschaft« zu verhindern.

Nur, wie soll einem Vincent Bolloré das nachgewiesen werden? Die Anwältin Mecary gestand in »L’Humanité«: »Es ist praktisch unmöglich, das Gesetz von 2017 gegen einen fiktiven Film anzuwenden.« Eingeschaltet werden sollte daher Macrons Gleichstellungsministerin Elisabeth Moreno, weil Bollorés TV-Propaganda »das verbriefte Recht der Frauen auf Schwangerschaftsabbruch mit Füßen tritt«. Eine Reaktion aus Morenos Haus sei bisher ausgeblieben.

Der »Backlash« der evangelikalen Rechten brachte in den USA immerhin einen Präsidenten namens Donald Trump an die Macht, der sogar eine scharfe Gegnerin des Schwangerschaftsabbruchs in den Supreme Court, den Obersten Gerichtshof des Landes, berief. Noch sind die Franzosen durch ihr seit 1905 geltendes Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat vor christlichen Fanatikern in der Politik weitgehend geschützt. Das könnte sich ändern.