Luxemburg04. September 2021

Ruf nach EU-Truppe wird lauter

Armeeminister Bausch und seine EU-Kollegen ziehen Konsequenzen aus Afghanistandebakel

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Nach der Niederlage der USA und ihrer NATO-Verbündeten in Afghanistan diskutiert die EU den Aufbau einer eigenen schnell einsatzfähigen Eingreiftruppe. Bei einem informellen Militärministertreffen am Mittwoch und Donnerstag im slowenischen Brdo pri Kranju sprach sich auch der luxemburgische Ressortchef François Bausch dafür aus, die »Verteidigungsfähigkeiten« der EU auszubauen – unter anderem mit der Schaffung einer mindestens 5.000 Soldaten starken Interventionseinheit.

Die »Afghanistankrise«, sagte Bausch auf dem Ministertreffen, habe gezeigt, wie sehr EU-Europa bei »militärischen Fragen« abhängig von den USA sei. Deshalb habe sich die luxemburgische Regierung aus DP, LSAP und Grünen mit 13 weiteren Regierungen von Mitgliedstaaten bereits in diesem Mai für eine EU-Interventionstruppe ausgesprochen. Diesbezügliche Gespräche liefen schon lange, sagte der grüne Armeeminister weiter, »operationell« gebe es aber noch viele Fragen. Jedenfalls dürfe es nicht darauf hinauslaufen, »daß 27 EU-Länder einzeln ihr Go geben müssen«, findet Bausch. »Dann können wir das vergessen, dann ist das naiv, dann wird das nicht funktionieren«.

Da damit zu rechnen sei, daß sich die USA in Zukunft »weniger in der internationalen Gemeinschaft engagieren«, wolle sich die EU einen »strategischen Kompaß« geben, der spätestens im November verabschiedet werden soll. Bausch schätzt ein, daß die Skepsis einiger Regierungen gegenüber einer eigenen EU-Interventionseinheit nach dem britischen EU-Austritt und dem jüngsten Debakel am Hindukusch geringer werde. Auch das habe das Treffen in Slowenien gezeigt.

Um dieses und viele andere kostspielige Aufrüstungsprojekte finanzieren zu können, nahm Ende Juni mit dem unmittelbar nach dem Brexit-Referendum in Britannien im September 2016 vom damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker angekündigten »Europäischen Verteidigungsfonds« ein offizieller Rüstungshaushalt der EU seine Arbeit auf.

Bereits im vergangenen Jahr hatte Josep Borrell, der »Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik« in der mittlerweile von Ursula von der Leyen geführten EU-Kommission, klargestellt: »Angesichts der geopolitischen Umwälzungen« und einer Welt, »die zunehmend von reiner Machtpolitik bestimmt« werde, drohe der EU, »zu den Verlierern des Wettbewerbs zwischen den USA und China (zu) werden«, sollte man es versäumen, »die Sprache der Macht neu (zu) erlernen« und EU-Europa als »geostrategischen Akteur der obersten Kategorie (zu) begreifen. Borrell führte auch aus, wie das zu erreichen sei: »Ob durch den Einsatz der europäischen Handels- und Investitionspolitik (…) oder durch die stärker werdenden Sicherheits- und Verteidigungsinstrumente – wir haben viele Ansatzpunkte, um Einfluß zu nehmen.«

Im Mehrjährigen Finanzrahmen der EU bis 2027 stehen allein 1,69 Milliarden Euro für die sogenannte Militärische Mobilität zur Verfügung, mit der die Infrastruktur für die schnelle Verlegung von Soldaten und Kriegsgerät insbesondere in Richtung Rußland »verbessert« werden soll.