Volksfront gegen den Faschismus
Vor 85 Jahren gewann ein linkes Volksfront-Bündnis die Parlamentswahlen in Spanien
»Nie werden wir euch vergessen!«, rief die spanische Kommunistin Dolores Ibárruri, die legendäre »La Pasionaria«, am 28. Oktober 1938 beim Abschied den Kämpfern der Internationalen Brigaden zu. »Und wenn einst der Olivenbaum des Friedens blüht, durchflochten mit dem Siegeslorbeer der Spanischen Republik – dann: Kommt wieder!«
Das waren keine leeren Worte, denn laut Statut der Internationalen Brigaden vom 27. September 1937 hatten die Freiwilligen aus aller Welt das Recht, die spanische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Erst 1996 konnte das spanische Parlament ein Gesetz verabschieden, das dieses Versprechen einlöste. Aber nicht alle der noch lebenden Interbrigadisten waren daran interessiert, denn Spanien war inzwischen eine Monarchie. Sie aber hatten ihr Leben eingesetzt, um der bedrohten Republik in ihrem Abwehrkampf gegen den Putsch reaktionärer Militärs zu helfen. Spanien wurde zur Zeit des Putsches im Juli 1936 von einer Volksfront regiert, die siegreich aus den Wahlen vom 16. Februar 1936 hervorgegangen war.
Zerrissene Republik
Der republikanische Gedanke war nicht neu in Spanien, aber er hatte keine langwierige institutionelle Tradition. Im Gefolge der weltweiten Wirtschaftskrise von 1866 bis 1868 mußte nach dem Sieg der Revolution von 1868, die weitestgehend von der Bourgeoisie bestimmt wurde, die Königin das Land verlassen. Doch bestimmt von der Angst vor den Arbeitern blieb die Monarchie bestehen, wenn auch mit einem neuen König. Als die sozialen Kämpfe sich zuspitzten, mußte auch er auf den Thron verzichten, und am 11. Februar 1873 wurde von den Cortes, dem Parlament, die Erste Spanische Republik ausgerufen.
Aber die Republikaner waren sich nicht einig, ihr rechtsgerichteter Flügel verbündete sich mit den Monarchisten, und am 3. Januar 1874 ließ ein General durch das Militär die Cortes auflösen. Nach einer Interimsdiktatur durch das Militär wurde die Monarchie wiederhergestellt. 1886 begann die Regentschaft von Alfonso XIII., der am 14. April 1931 nach verlorenen Gemeindewahlen und einem revolutionären Aufbegehren, das selbst Teile des Militärs ergriff, abdanken mußte und das Land verließ. Das war die Geburtsstunde der Zweiten Spanischen Republik.
In ihrer Verfassung, die sich an die der Weimarer Republik anlehnte, hieß es im Artikel 1: »Spanien ist eine demokratische Republik der Werktätigen aller Klassen, die organisiert sind in einem Regime der Freiheit und Gerechtigkeit. Sie verdankt ihre ganze Macht dem Volke.«
Allerdings sah die Wirklichkeit anders aus, die soziale und die drückende Agrarfrage wurden nicht gelöst und trotz auferlegter Beschränkungen die Macht der katholischen Kirche nicht gebrochen. Nicht unterdrückt wurden die antidemokratischen Kräfte in der Armee, die Gewalt im Land nahm zu und richtete sich vor allem gegen die Arbeiterbewegung.
Die Republik ging unter, weil die politische Klasse geglaubt hatte, sie könne die notwendigen Reformen gegen die Bauern und die Arbeiter durchführen. Ein absoluter Tiefpunkt war mit den Wahlen im November 1933 erreicht, bei denen die reaktionäre Rechte von den insgesamt 439 Sitzen in den Cortes 234 gewann, es blieben 205 für die Republikaner und davon 121 für die Linke.
Die Wahl war von den Linken verloren worden, weil sie es nicht vermocht hatten, aus den verschiedenen Organisationen einen Wahlblock zu schmieden, der von der Wahlgesetzgebung begünstigt worden wäre. Außerdem enthielten sich die Anarchisten, deren Gewerkschaft CNT 60 Prozent aller Arbeiter erfaßte, der Stimme, weil ihr Ziel die »soziale Revolution«, nicht der Erhalt der bürgerlichen Republik war. Deshalb führten die CNT und ihr politischer Arm FAI eine wortgewaltige Kampagne gegen den sozialdemokratischen PSOE und dessen Gewerkschaft UGT, in der sie ihnen Unterstützung des Bürgertums vorwarfen.
Der »spanische Oktober«
In der Folgezeit wurden die meisten der sozialen Errungenschaften wieder abgeschafft, die Kirche erhielt ihre Privilegien und Güter zurück, und die Monarchisten wollten sich mit Hilfe des italienischen Faschistenführers Benito Mussolini an die Macht putschen. Als dann noch drei Vertreter von José María Gil-Robles’ reaktionärer Sammlungsbewegung Confederación Española de Derechas Autónomas (CEDA) ins Kabinett eintraten, spitzte sich die innenpolitische Lage extrem zu.
Am 4. Oktober 1934 erfaßte ein Generalstreik das ganze Land, in Asturien griffen die Bergarbeiter zu den Waffen, und das erste Mal setzte ein Offizier namens Francisco Franco – die spätere Anführer des faschistischen Putsches gegen die Spanische Republik – marokkanische Söldner und die Fremdenlegion gegen die Arbeiter ein. Der »spanische Oktober« brach unter der Brutalität der Regierungstruppen zusammen, aber er konnte die Etablierung einer faschistischen Diktatur vorerst verhindern.
Die Zeit von 1934 bis 1935 wurde als »Bienio negro«, als das »schwarze Doppeljahr« bezeichnet. Die spanische Linke befürchtete zu Recht, daß demokratische Bestrebungen genauso unterdrückt würden wie in Italien, Deutschland und Österreich, vor allem als weitere CEDA-Minister, unter ihnen ihr Führer Gil-Robles, in die Regierung aufgenommen wurden.
Der linke Republikaner Manuel Azaña, späterer Präsident Spaniens, selbst nach den Oktoberereignissen inhaftiert, machte den Vorschlag, daß sich die Republikaner mit den Sozialisten des PSOE zu einem Wahlblock verbünden. Daraufhin argumentierte Largo Caballero vom linken Flügel des PSOE, daß ein solches Wahlbündnis nur Sinn ergebe, wenn die Kommunistische Partei Spaniens (PCE) einbezogen würde, die inzwischen eine bedeutende Kraft und nicht mehr jene etwa 6.000 Mitglieder umfassende Partei von 1931 sei.
Für den PCE, der ohnehin schon seit längerem ein linkes Wahlbündnis anstrebte, war das eine Bestätigung, daß er mit seiner Politik richtig lag. Außerdem entsprach das auch der Orientierung auf eine Volksfront, auf ein Bündnis der Arbeiter mit dem liberalen, demokratischen und republikanischen Bürgertum, die der VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale im August 1935 seinen Mitgliedsparteien gegeben hatte.
Das neue linke Bündnis wurde erst offiziell anerkannt, als Mitte Januar 1936 plötzlich Wahlen anberaumt wurden. Largo Caballeros revolutionär orientierte Anhänger zögerten noch, sich wieder wie 1931 mit den »bürgerlichen« Parteien zu verbünden, erkannten aber die Notwendigkeit, dies zumindest vorübergehend zu tun, weil durch die komplizierte Wahlgesetzgebung nur ein breites Bündnis gewinnen konnte. Zur Linkskoalition gehörten folgende Parteien: PSOE, Izquierda Republicana, Unión Republicana, Esquerra Republicana de Cataluña, PCE, Partido Obrero de Unificación Marxista, Partido Sindicalista sowie die Jugendorganisationen der kommunistischen und der sozialistischen Partei und mehrere kleinere, meist regionale Parteien.
Wahlsieg der Frente Popular
Am 16. Februar 1936 konnte das neue Parlament von allen gewählt werden, die das 23. Lebensjahr erreicht hatten, das waren 13.578.056 Wahlberechtigte. Die Wahlbeteiligung lag bei circa 72 Prozent. Angesichts der drohenden faschistischen Gefahr hatte die CNT ihren Mitgliedern empfohlen, die Wahlabstinenz aufzugeben. Großen Anklang fand, und das war auch der erste Punkt des Wahlprogramms der Linkskoalition, der Ruf nach politischer Amnestie, der immerhin 30.000 Personen betraf. Der Linksblock, auf Initiative der Kommunisten »Frente Popular«, »Volksfront« genannt, erhielt 4.432.381 Stimmen, die rechte Koalition 4.402.811. Da die Rechte die großen Städte verloren hatte und die Linke 33 von 60 Wahlkreisen gewann, kam letztere auf 259 Sitze im Parlament, während die Rechte nur 189 erhielt. Den Rest teilten sich Parteien der kleinen Mitte-rechts-Koalition.
Die Volksfrontparteien waren sich zwar einig in der Durchführung einer Amnestie für die 1934 Verhafteten und Entlassenen, der Emanzipation der Frauen und der vollen Wiederherstellung der Verfassung, nicht aber bei der von Sozialisten und Kommunisten geforderten Verstaatlichung der Banken und der Einführung von Arbeiterkontrollen. Das scheiterte am Widerstand der Republikaner. Ein schwerer Fehler war, nicht die rechte Unión Militar Española zu verbieten und die reaktionären Generäle nur an die Peripherie des Landes zu versetzen.
Ungeachtet dessen zeigte Spanien, daß der Rechtstrend in Europa und der Vormarsch des Faschismus aufgehalten werden konnte. Die Republik hatte aber weder ein revolutionäres Programm, noch einen kommunistischen Minister. Trotzdem verweigerten ihr die bürgerlichen Demokratien die Unterstützung. Im gegenteiligen Falle wäre die Entwicklung in Europa eine andere gewesen. So waren die Wahlen von 1936 die letzten der Zweiten Spanischen Republik.