Luftangriffe auf Rafah
Attacken gegen Hilfsorganisation UNRWA
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will den Krieg gegen Gaza notfalls allein führen. Mit einer knappen Videobotschaft reagierte er auf die Ankündigung von USA-Präsident Joe Biden am vergangenen Mittwoch, daß die USA im Fall einer israelischen Offensive auf die Stadt Rafah die Lieferung von Waffen an Israel stoppen werden. Unter Verweis auf den bevorstehenden israelischen Unabhängigkeitstag sagte Netanjahu: »Wir sind entschlossen und vereint, um unsere Feinde und diejenigen, die uns zerstören wollen zu besiegen«. Falls »wir damit allein sind, werden wir es allein tun. Ich habe gesagt, falls es nötig ist, werden wir mit unseren Fingernägeln kämpfen«. Aber Israel habe mehr als Fingernägel, so Netanjahu weiter. Mit dem »großartigen Geist«, den Israel vor 76 Jahren im Unabhängigkeitskrieg gezeigt habe und »mit Gottes Hilfe werden wir vereint sein und siegen«.
Laut Medienberichten sollen die USA eine bereits bewilligte Lieferung von tausenden 900 kg und 500 kg schweren Bomben gestoppt haben, sollte die Israelische Armee wie angekündigt eine Großoffensive auf die Stadt Rafah starten. In der Stadt an der Grenze zu Ägypten hielten sich rund 1,4 Millionen Vertriebene aus dem Norden und aus der Mitte des Gazastreifens auf. Am Dienstag hatte die Armee in einer Blitzaktion die palästinensische Seite des Grenzübergangs Rafah-Ägypten besetzt und jede internationale Hilfe, die über diesen Grenzübergang nach Gaza gelangen konnte, gestoppt. Mitarbeiter der Grenzbehörden wurden daran gehindert, ihre Arbeit zu machen. Videoaufnahmen einer israelischen Panzerbesatzung zeigen das eigene Vorgehen dabei, auf das die Soldaten offensichtlich stolz sind. So überfährt ein Panzer den Schriftzug »I love Gaza« an einem Kreisverkehr ebenso, wie den Schriftzug »Gaza« direkt am Grenzübergang. Palästinensische Fahnen werden abgerissen und mit israelischen Fahnen ersetzt. Damit markieren die israelischen Streitkräfte die illegale Besatzung palästinensischen Territoriums.
Ägypten hat seine Truppen an der Rafah-Grenze seit Anfang des Jahres kontinuierlich verstärkt und warnte Israel wiederholt vor Provokationen. Israel hat seinerseits große Mengen Panzer und Soldaten im Osten von Rafah stationiert. Die angekündigte Invasion der Stadt wird mit Zwangsevakuierung der Bevölkerung und Luftangriffen vorbereitet.
Die Lage der Bevölkerung von Rafah ist katastrophal. Es fehlt an Medizin, Nahrungsmitteln, Treibstoff und Sicherheit. Menschen fliehen vor den Bombenangriffen aus Krankenhäusern und Wohnvierteln. Täglich werden Dutzende Menschen getötet.
In Jerusalem haben bewaffnete Israelis mit einer Menge von Extremisten am Donnerstag das Hauptquartier der UNO-Agentur für die Unterstützung palästinensischer Flüchtlinge (UNRWA) angegriffen. Sie legten um das Gelände Feuer und verbreiteten Videoaufnahmen der brennenden Umgebung über soziale Medien. Eine von bewaffneten Männern begleitete Menschenmenge johlte ähnlich wie Fußballfans und rief »Brennt die UNO nieder«. Das Video wurde im israelischen Fernsehen verbreitet.
Die UNRWA teilte am Freitag mit, daß sie ihr Hauptquartier in Jerusalem bis auf weiteres schließen werde. Es sei das zweite Mal in wenigen Tagen, daß das UNO-Gelände angegriffen wurde. Es habe keine Verletzten oder Toten gegeben, doch es sei großer Schaden entstanden, hieß es in der Erklärung. Auf dem Gelände befinde sich eine Tankstelle für die Fahrzeuge der Organisation. Der Direktor des UNRWA-Hauptquartiers habe mit Mitarbeitern das Feuer selbst löschen müssen, weil die israelische Polizei und die Feuerwehr »mit Verzögerung eingetroffen« sei.
In den vergangenen zwei Monaten haben israelische Extremisten vor dem UNRWA-Gelände in Jerusalem Proteste veranstaltet, zu denen ein gewähltes Mitglied der Jerusalemer Gemeinde aufgerufen hatte, hieß es in der UNRWA-Erklärung. UNO-Mitarbeiter und auch die UNO-Gebäude seien mit Steinen beworfen worden. Das Gelände wurde »schwer verwüstet und beschädigt«. Wiederholt seien Mitarbeiter von israelischen Extremisten mit Schußwaffen bedroht worden.
»Es liegt in der Verantwortung des Staates Israel als Besatzungsmacht, daß die Mitarbeiter der UNO und deren Einrichtungen jederzeit geschützt werden«, erinnerte UNRWA-Direktor Philippe Lazzarini. Nach israelischen Polizeiangaben soll eine erste Untersuchung ergeben haben, daß »das Feuer von Minderjährigen gelegt« worden sei, die juristisch nicht zur Verantwortung gezogen werden könnten.