EU-Greenwashing kommt vor EU-Gericht
EU-weites Ökolabel für Atomkraft und Gas: Umweltschutzorganisationen klagen gegen deutsch-französischen »Taxonomie«-Deal
Weil die Sachwalter der deutschen Industrie und der eine »renaissance nucléaire« planende französische Präsident Emmanuel Macron es so wollten, hat die EU im Sommer vergangenen Jahres beschlossen, hochgefährliche Atommeiler und klimaschädliche Gaskraftwerke als »nachhaltig« im Sinne ihrer »Taxonomie« einzustufen und ihnen ein EU-weit gültiges Ökolabel anzuheften. Kritiker, darunter die Regierungen der EU-Länder Luxemburg und Österreich, sprechen von Greenwashing und werfen der EU-Kommission vor, sie verkleide das Problem als Lösung. Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg haben Greenpeace und weitere Umweltschutzorganisationen am Dienstag Klagen gegen die EU-Behörde eingereicht.
Seit Anfang Januar können in der EU auch Investitionen in Atom- oder Gaskraftwerke als »klimafreundlich« eingestuft werden, obwohl die Nutzung der Kernkraft die Gefahr eines Super-GAU wie am 11. März 2011 im japanischen Fukushima mit sich bringt und keiner die Frage beantworten kann, was mit dem radioaktiven Atommüll geschehen soll, der noch mindestens 100.000 Jahre strahlen wird. Hinsichtlich der Gaskraftwerke verweisen die Kritiker darauf, daß beim Verbrennen von Gas klimaschädliches Kohlendioxid ausgestoßen wird.
EU-Staaten uneins
Die Klage richtet sich gegen die sogenannte Taxonomie. Darin listet die EU vermeintlich »klimafreundliche« Profitquellen für »Investoren« auf. Finanzprodukte wie beispielsweise Fonds können dadurch als »nachhaltig« beworben werden, auch wenn sie Investitionen in Atommeiler oder Gaskraftwerke vorsehen. So hat die im vergangenen Jahr wiederverstaatlichte französische Elektrizitätsgesellschaft EDF nur Tage nach Bekanntwerden des deutsch-französischen »Taxonomie«-Deals angekündigt, mit Geldern aus vermeintlich »grünen« Anleihen die Instandsetzung ihrer Uraltmeiler zu finanzieren. In der gesamten EU sind in den vergangenen Jahren nämlich gerade mal zwei Atomkraftwerke in Bau gegangen, die »Europäischen Druckwasserreaktoren der dritten Generation« (EPR) Olkiluoto-3 in Finnland und Flamanville-3 auf der französischen Seite des Ärmelkanals. Der finnische EPR produzierte nach 17 Jahren Bauzeit nur etwas Atomstrom, bevor er wegen Schäden in den Pumpen zur Wasserzufuhr wieder abgeschaltet werden mußte, der französische hat auch nach 16 Jahren Bauzeit bis heute noch keine einzige Kilowattstunde Strom geliefert.
Die luxemburgische und die österreichische Regierung klagen ebenfalls gegen das Greenwashing der Taxonomie. Kritik kam auch aus Spanien, das wie Italien an seinem Atomausstieg festhält, und aus Dänemark, während östliche Mitgliedstaaten wie Polen und Bulgarien Gaskraftwerke als gangbare Alternative zu »noch klimaschädlicheren Kohlekraftwerken« verteidigen.
Urteil wohl erst 2025
Mit einer ersten mündlichen Gerichtsanhörung rechnen die vor dem EuGH klagenden Umweltschutzorganisationen erst in der zweiten Jahreshälfte 2024. Und mit einem Urteil sei nicht vor übernächstem Jahr zu rechnen, hieß es gestern auf dem Kirchberg.