Ausland30. Juni 2009

Tausende protestieren gegen Putsch in Honduras

Der demokratisch gewählte Präsident von Honduras, Manuel Zelaya, ist am Sonntag durch einen Militärputsch gestürzt und von mehren Hundert Soldaten verschleppt worden. Auch der staatliche Fernsehsender wurde von Soldaten besetzt und abgeschaltet. Während die meisten Regierungsmitglieder ebenfalls von den Putschisten inhaftiert wurden, konnte die honduranische Außenministerin Patricia Rodas Kontakt zunächst mit ausländischen Fernsehstationen aufnehmen.

Zwischen 5 und 6 Uhr morgens hatten mindestens 200 Soldaten den Regierungspalast umstellt und den Präsidenten verschleppt. Kampfflugzeuge kreisen über der Hauptstadt Tegucigalpa. Der Regierungssitz selbst steht offenbar auch weiter unter Kontrolle der Putschisten.

Der Staatsstreich ereignete sich wenige Stunden vor Beginn einer Volksbefragung, bei der die Menschen in Honduras ihre Meinung darüber sagen sollten, ob sie die Wahl des Präsidenten, der Abgeordneten und der Bürgermeister am 29. November auch dazu nutzen wollen, in einer »vierten Urne« über die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung abzustimmen. Obwohl diese Umfrage keinen rechtlich bindenden Charakter haben sollte, rief sie doch den wütenden Widerstand der rechten Parlamentsmehrheit, des Obersten Gerichtshofes und von Teilen der Streitkräfte hervor.

Bereits am Donnerstag und Freitag hatte sich die Situation deshalb zugespitzt, als der honduranische General-stabschef Romeo Vásquez dem Präsidenten die Gefolgschaft aufkündigte und sich weigerte, die Verteilung der Unterlagen für die Abstimmung durchzuführen. Präsident Manuel Zelaya, der laut Verfassung Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, erklärte Vásquez daraufhin für abgesetzt. Während der Oberste Gerichtshof wiederum diese Absetzung für ungültig erklärte, setzte das Parlament eine Untersuchungskommission ein, die Gesetzesverstöße Zelayas untersuchen und damit den Weg für eine Absetzung des Staatschefs frei machen sollte.

Paul Oquist, der von der UNO als Beobachter nach Honduras geschickt worden war, betonte: »Die UNO unterstütz die partizipative Demokratie«. Der sich in Honduras vollziehende Prozeß sei »innovativ und interessant«. »Jede Befragung ist gut, so wie jede Art, mit der erreicht werden kann, daß das Volk an den großen Entscheidungen beteiligt ist und zur öffentlichen Diskussion der Demokratie beiträgt«. Man dürfe nicht das Risiko eingehen, in die »Vergangenheit der dunklen Nächte« Lateinamerikas zurückzukehren.

Der frühere kubanische Präsident Fidel Castro hob die mutige Haltung Zelayas hervor, der sich am Donnerstag nach einer dramatischen Rede vor dem Regierungspalast an der Spitze von mehreren Tausend Menschen zur Luftwaffenbasis in Tegucigalpa begeben und dort die Herausgabe der Abstimmungsunterlagen durchgesetzt hatte. »Die Haltung Zelayas wird in die Geschichte eingehen. Seine Worte erinnerten uns an die Rede des Präsidenten Salvador Allende, während die Flugzeuge den Präsidentenpalast bombardierten, in dem er heldenhaft am 11. September 1973 starb.«

Zelaya hat noch am Sonntag in einem Telefongespräch mit dem lateinamerikanischen Nachrichtensender TeleSur die Spitze der honduranischen Streitkräfte für den Staatsstreich verantwortlich gemacht und sie des Verrats bezichtigt. Er sei unter der Drohung, erschossen zu werden, verschleppt und nach Costa Rica entführt worden, sagte Zelaya. Er habe kein Asyl in Costa Rica beantragt, sondern sei Opfer einer Entführung und unter vorgehaltener Waffe zum Verlassen des Landes gezwungen worden.

Am Regierungspalast in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa versammelten sich immer mehr Menschen, die aus allen Teilen der Stadt in das Zentrum zogen. Um die Berichterstattung im Land zu verhindern, wurde das Signal des lateinamerikanischen Nachrichtensenders TeleSur in den Kabelnetzen von Honduras gestoppt. Der Staatssender wurde ebenfalls von den Putschisten besetzt und schweigt. Wie dennoch zu erfahren war, wird die Volksbefragung, die Auslöser des Putsches war, offenbar in weiten Teilen des Landes trotz des Staatsstreiches fortgesetzt.

Mehrere Demonstranten errichteten Barrikaden, während Militärhubschrauber die Protestdemonstration ständig überwachen. In der ganzen Hauptstadt wurden von den Putschisten Strom, Telefonverbindungen und Internetzugänge unterbrochen.
Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes haben zum Generalstreik gegen den Putsch aufgerufen. Die Führung des Gewerkschaftsbundes CUTH habe sich versammelt, um eine neue Strategie zur Zerschlagung des Militärputsches zu beraten.

Das von der rechten Opposition beherrschte Parlament in Tegucigalpa erklärte Präsident Manuel Zelaya für abgesetzt und bestimmte Parlamentschef Roberto Micheletti als neuen »Übergangspräsidenten« bis zum regulären Ablauf der Amtszeit Zelayas im Januar 2010. Offenbar sollen die für den 29. November vorgesehenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen durchgeführt werden.

Trotz einer von den Putschisten verhängten zweitägigen Ausgangssperre sind Tausende von Menschen in Tegucigalpa gegen die Putschisten auf die Straße gegangen. Weltweit wurde der Staatsstreich einhellig verurteilt, auch durch die US-Administration und die EU.

In Managua, der Hauptstadt Nicaraguas, begann gestern ein außerordentliches Gipfeltreffen der Mitgliedsländer der Bolivarischen Allianz ALBA. Auf Einladung von Präsident Daniel Ortega waren sowohl Manuel Zelaya als auch die Präsidenten von Venezuela, Hugo Chávez, Ecuador, Rafael Correa, und Bolivien, Evo Morales, vertreten. Cuba schickte Außenminister Bruno Rodríguez.

Zelaya kündigte an, daß er in dem Moment, an dem ALBA es für richtig halte, er die Präsidentschaft in Honduras wieder übernehmen werden, »denn ich habe jede moralische Autorität, jede Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, der OAS und jedes verfassungsmäßige Recht dazu.« Honduras habe nur einen Präsidenten, und der sei er, betonte Zelaya.

Gewerkschaftsführer Ángel Alvarado berichtete gegenüber ausländischen Medien, daß sich zwischen 15.000 und 20.000 Menschen in der Umgebung des Regierungssitzes versammelt haben, um die Rückkehr des Präsidenten in sein Amt zu fordern. (RedGlobe/ZLV)