Kaleidoskop04. August 2023

Fossilfund: Wal könnte schwerstes Tier der Welt gewesen sein

von dpa/ZLV

Ein gerade analysierter ausgestorbener Wal zählt zu den schwersten Tieren, die je auf der Erde gelebt haben. Forscher um Eli Amson vom Staatlichen Museum für Naturkunde im süddeutschen Stuttgart hatte die rund 39 Millionen Jahre alten Knochen des in Peru entdeckten Wals untersucht und daraus auf dessen Masse geschlossen. Sein Gewicht zu Lebzeiten werde auf 85 bis 340 Tonnen geschätzt, heißt es in einem in der renommierten Fachzeitschrift »Nature« veröffentlichten Artikel.

Die Art mit dem wissenschaftlichen Namen Perucetus colossus, grob übersetzt: der kolossale Wal aus Peru, sei damit ein Anwärter auf den Titel des schwersten Tieres aller Zeiten, teilte das Naturkundemuseum mit. Wie die Forscher in der Studie zudem berichten, haben sich die Wale früher zu gigantischen Tieren entwickelt als bislang gedacht. Nach Untersuchungen des fossilen Walskeletts nehmen sie an, daß die frühen Verwandten der heutigen Wale, Delfine und Schweinswale bereits vor rund 39 Millionen Jahren vollständig in küstennahen Gewässern lebten und enorme Körpermassen besaßen.

»Der Fund verändert das Verständnis der Evolution der Wale«, sagte Forschungsleiter Amson. Die neue Studie zeige erstmals, »daß die gigantischen Körpermassen der Wale bereits 30 Millionen Jahre früher erreicht wurden als bisher angenommen«. Zuvor sei der evolutionäre Übergang zu echtem Gigantismus bei Walen wie den modernen Bartenwalen als ein relativ junges Ereignis vor etwa zehn Millionen Jahren angesehen worden.

Perucetus colossus kombiniere eine gigantische Größe mit einem extrem hohen Knochengewicht, sagte der 34 Jahre alte Forscher. »Dieser frühe Wal verschiebt die bisher bekannte Obergrenze der Skelettmasse bei Säugetieren und im Wasser lebenden Wirbeltieren drastisch. Möglicherweise ist er auch das schwerste jemals beschriebene Tier.«

Zusätzliches Gewicht habe den in Meeren lebenden Tieren im Laufe der Evolution geholfen, ihren Auftrieb zu regulieren und sich unter Wasser zu halten, ähnlich wie der Bleigürtel bei Tauchern. Das enorme Gewicht des Perucetus colossus sei mit der Anlagerung zusätzlicher Knochenmasse an der Außenseite der Skelettelemente und mit einer höheren Knochendichte zu erklären.

Das Fossil des Perucetus colossus ist schon vor zehn Jahren in der Wüste an Perus Südküste entdeckt worden. Jeder Wirbel des Funds wiegt weit über 100 Kilogramm, die Rippen des Urzeit-Wals sind bis zu 1,4 Meter lang. Mit fünf bis acht Tonnen sei das rund 20 Meter lange Skelett der neuen Art zwei- bis dreimal so schwer wie das 25 Meter lange Skelett eines Blauwals, das in der Hintze Hall des britischen Natural History Museums in London ausgestellt ist.

Um das Gewicht des Exemplars zu schätzen, wurden die geborgenen und präparierten Knochen gescannt und ihr Volumen bestimmt. Mit Kernbohrungen wurde die innere Knochenstruktur beurteilen. Zur Rekonstruktion der Körpermasse verwendeten die Forscher das bei lebenden Meeressäugern bekannte Verhältnis von Weichteil- zu Skelettmasse.

»Mit den sich daraus ergebenden Schätzungen zwischen 85 und 340 Tonnen liegt das Gewicht der neuen Art in der Größenordnung des Blauwals oder möglicherweise darüber«, bilanzierte das Stuttgarter Museum.