Luxemburg16. September 2021

Polizei darf weiter Daten sammeln

Gesetzesprojekt zum Umgang der Strafverfolgungsbehörden mit Datenbank »JU-CHA« vorgestellt

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Nachdem die Generalinspektion der Polizei (IGP) vor zwei Jahren 66 Datenbanken bei Polizei und Staatsanwaltschaft ausgemacht hat, soll der Umgang mit der größten, »JU-CHA«, in der es im Juli 2019 laut der Nationalen Datenschutzkommission (CNPD) 511.499 Einträge zu – zum Teil nur mutmaßlichem oder gar fälschlich unterstelltem – Fehlverhalten von in Luxemburg wohnenden Personen gab, gesetzlich geregelt werden.

Gleichzeitig solle für »JU-CHA« eine »rechtliche Basis« geschaffen werden, erklärte am Mittwochmorgen Justizministerin Sam Tanson in der zuständigen Chamberkommission und am Nachmittag auch auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem grünen Parteikollegen Henri Kox, dem für die »Innere Sicherheit« zuständigen Minister, auf der das Gesetzesprojekt der Regierung vorgestellt wurde. Anwesend waren zudem Generalstaatsanwältin Martine Solovieff und der Datenschutzbeauftragte der Generalstaatsanwaltschaft Marc Schiltz.

»JU-CHA« und die anderen geheimen Datenbanken der Strafverfolgungsbehörden waren ans Licht gekommen, als sich ein junger Mann erfolglos bei der Staatsanwaltschaft beworben hat und man ihm mitteilte, er habe mal in Zusammenhang mit einer Beamtenbeleidigung und einer Körperverletzung gestanden. Da der junge Mann in beiden Fällen nicht richterlich verurteilt wurde, gab es in beiden Fällen keinen Eintrag in seinem Strafregister, wohl aber in anderen Datenbanken wie »JU-CHA«.

Zum Gesetzesprojekt erklärte Justizministerin Tanson, es gehe einerseits darum, persönliche Daten, die von den Strafverfolgungsbehörden gesammelt wurden, »wirksam vor Mißbrauch zu schützen« und unberechtigte Zugriffe auf diese Daten zu verhindern, und es andererseits der Polizei zu ermöglichen, »weiterhin effizient arbeiten zu können«. Der Zugang zu Daten, »über die noch nicht geurteilt wurde«, solle auf mit der Sache befaßte Ermittlungsrichter und Polizisten beschränkt werden.

Bei einfachen Strafmandaten sollen die gesammelten Daten zwei Jahre, bei Vergehen fünf und bei Verbrechen zehn Jahre (jeweils nach der letzten Aktualisierung) im sogenannten »aktiven Teil« von »JU-CHA« verbleiben – dann kommen sie in den »passiven Teil«. Sogar nach einem Freispruch des Beschuldigten sollen Untersuchungsrichter aus »administrativen Gründen« noch weitere sechs Monate Zugriff auf die Daten haben. Betroffene sollen aber das Recht erhalten, bei den Strafverfolgungsbehörden zu fragen, ob und warum Daten über ihn gesammelt wurden. Das gehe natürlich nicht in laufenden Verfahren, präzisierte Generalstaatsanwältin Solovieff.

Wie es weiter hieß, sollen nicht nur wie bisher richterliche Strafurteile, die das zuverlässige Führen eines Kraftfahrzeugs, Tragen einer Waffe oder Betreiben eines Lokals bezweifeln lassen, »den zuständigen Behörden, öffentlichen Einrichtungen oder Berufskammern übermittelt« werden, sondern auch an der Praxis, schon bei bloßen Verdächtigungen den Patron zu »alarmieren«, soll festgehalten werden.

Diese die Unschuldsvermutung, ein Grundprinzip eines jeden rechtsstaatlichen Strafverfahrens, mißachtende Praxis wurde auch gestern mit dem allseits beliebten Beispiel eines pädophilen Lehrers zu rechtfertigen versucht, denn man doch nicht mehr mit seinen »potentiellen künftigen Opfern« in Kontakt bringen könne, auch dann nicht, wenn seine Schuld noch nicht richterlich in einem Urteil festgestellt wurde. Von der Zeitung gefragt, ob sie ein weiteres Beispiel nennen könne, antwortete Generalstaatsanwältin Solovieff, wenn »ein Pilot in eine größere Drogensache verwickelt« sei, könne es »ebenfalls angezeigt sein, dies der Fluggesellschaft zu melden«.