»Geburtstagsparty« der Spione
Bei einem Bootsunglück auf dem Lago Maggiore fanden vier Geheimdienstagenten Italiens und Israels den Tod
Ein Bootsunglück, das sich am Sonntagabend auf dem norditalienischen Lago Maggiore zwischen Sesto Calende und den angrenzenden Provinzen Varese und Arona bei der kleinen Ortschaft Lisanza rund 150 Meter vom Ufer entfernt ereignete, ist erst am Dienstag durch Berichte des Mailänder »Corriere della Sera« bekannt geworden. Laut dem Blatt soll es sich bei den etwa 25 Personen an Bord des Hausbootes um mindestens 20 teils aktive, teils im Ruhestand befindliche Geheimdienstmitarbeiter aus Italien und Israel gehandelt haben, die ein als »Geburtstagsparty« getarntes Treffen durchführten.
Eine Gruppe habe sich bereits Sonntagmittag im Restaurant »Il Verbano« getroffen. Als das nur für 15 Personen zugelassene, 16 Meter lange Hausboot bei einem plötzlichen schweren Sturm kenterte, fanden vier Personen den Tod. Laut italienischen Behörden handelt es sich um drei Geheimagenten: die Italiener Claudio Alonzi und Tiziana Barnobi sowie der pensionierte Agent des israelischen Mossad Erez Shimoni. Das vierte Opfer ist die Russin Anja Boshkowa, die Ehefrau des Skippers, der das Boot an Touristen verlieh. Die Nachrichtenagentur ANSA berichtete, neunzehn Menschen seien gerettet worden. Es wird vermutet, daß die vier Toten in dem sinkenden Boot eingeschlossen waren und sich nicht befreien konnten.
Die israelische Regierung hat inzwischen bestätigt, daß Erez Shimoni ein angeblich pensionierter Mossad-Agent war. Sein Leichnam wurde zusammen mit weiteren zehn Mossad-Leuten bereits Montagfrüh mit einer Militärmaschine nach Tel Aviv ausgeflogen. Der für die Geheimdienste in der faschistischen Meloni-Regierung zuständige Staatssekretär Alfredo Mantovano kondolierte den Angehörigen der Opfer.
Das auf den Namen »Good…uria« (das aus der Bibel stammende hebräische Wort für »Der Herr ist mein Licht«) getaufte Boot wurde nach Angaben der »Huffington Post« von einer »Geburtstagsgesellschaft« gebucht. Die Rettungskräfte hätten bei der Überprüfung der Dokumente und Ausweise der Überlebenden dann allerdings mit Erstaunen festgestellt, daß es sich nicht um klassische Sonntagstouristen, sondern um teils aktive, teils im Ruhestand befindliche Geheimdienstleute handelte.
Was machten Geheimagenten auf dem Ausflugsboot? Der Vorfall wirft viele Fragen auf. Die Turiner Tageszeitung »La Stampa« titelte einen Beitrag mit »Schiffbruch der 007« und verwies auf die Identität der Personen, von denen 20 »italienische und israelische Agenten« waren. Die Italiener seien von den zuständigen Behörden vernommen worden, aber unmittelbar darauf hätten auch sie, wie die Israelis, »in aller Eile die Notaufnahme beziehungsweise die Hotels, in denen sie untergebracht waren, verlassen« und seien »schnell verschwunden«, berichtete »Milano Today«.
Andere Medien spekulieren, ob auf dem Boot geheime Unterlagen ausgetauscht worden sein könnten. Die Bergungsarbeiten wurden jedenfalls abgeschirmt. Der Chef der Staatsanwaltschaft von Busto Arsizio, Carlo Nocerino, versuchte gegenüber Journalisten abzublocken. »Alle denken, daß sich auf dem Boot Geheimdienstmitarbeiter trafen. Aber ich gehe davon aus, daß sie sich einfach auf einer Geburtstagsfeier getroffen haben«. »Solange wir das Schiff nicht gehoben haben, wissen wir natürlich nicht, was dort für Papiere oder persönliche Gegenstände mit untergegangen sind«, mußte er allerdings einräumen. Bemerkenswert ist zumindest, daß sich der Präsident der Region Lombardei, Attilio Fontana, zum Ort des Geschehens begab und erklärte, er verfolge »die Geschichte mit Besorgnis«.
Das linke »Il Manifesto« beschäftigte sich am Donnerstag mit den Hintergründen und hält »die Geschichte von der Geburtstagsparty, die in einer Tragödie endete, für kaum glaubwürdig«. Bei dem Treffen sei es darum gegangen, »auf der Grundlage der in den letzten 20 Jahren im Militär- und Geheimdienstbereich mit Israel geschlossen Verträge die Zusammenarbeit zu verstärken«, um Israel, ein Land, das nicht Mitglied der NATO und der EU ist, in die Paktstrategie einzubeziehen.
General Amir Eshel, früherer Chef der israelischen Luftwaffe und bis Januar 2022 Generaldirektor des israelischen Kriegsministeriums, habe im vergangenen Jahr bei einem Besuch in Rom seine Zufriedenheit mit »der strategischen Allianz zwischen den beiden Ländern« geäußert, insbesondere mit der Position, die Italien »an der Seite Israels im internationalen Kontext« einnimmt, betont »Il Manifesto«.

