Ausland19. März 2024

Bereit für den Einsatz von Atombomben

Der Tarnkappenjet F-35A ist jetzt explizit für den Einsatz neuer Atomwaffen zertifiziert. In den USA beginnt eine neue Debatte über die »Vorzüge« von Kernwaffentests

von German Foreign Policy

Die deutsche Luftwaffe begrüßt die kürzlich bekannt gewordene Zertifizierung des US-amerikanischen Kampfjets F-35A für den Einsatz der künftig auch in Deutschland lagernden Atombomben B61-12 der USA. Die Zertifizierung sei »wichtig für unsere Beschaffung« des F-35A, hieß es bei der deutschen Bundeswehr. Die Bundesregierung hat 35 Exemplare des Tarnkappenjets bestellt, um mit ihm gegebenenfalls US-amerikanische Kernwaffen im Rahmen der »nuklearen Teilhabe« einsetzen zu können.

Die gegenwärtig modernsten Bomben B61-12 können präzise gesteuert werden, lassen sich auch mit geringerer Sprengwirkung einsetzen und nähren die Illusion, einen begrenzten nuklearen Schlagabtausch führen zu können; damit reduzieren sie Hemmungen gegenüber dem Einsatz von Kernwaffen und erhöhen so die Gefahr eines Atomkriegs. Wann sie die älteren Modelle in Büchel ersetzen sollen, ist nicht bekannt. In den USA begann derweil eine Debatte über die Wiederaufnahme von Kernwaffentests. Den Atomwaffenteststoppvertrag aus dem Jahr 1996 hat Washington nie ratifiziert; Rußland hat seine Ratifizierung annulliert.

Der F-35A

Der US-amerikanische Tarnkappenjet F-35A ist, wie das Militärportal »Breaking Defense« am 8. März berichtete, schon am 12. Oktober 2023 für den Einsatz von Atomwaffen zertifiziert worden. Die Zertifizierung gilt ausschließlich für die gegenwärtig modernste Atombombe vom Typ B61-12. Damit verfügt der F-35A nicht nur über »duale«, also sowohl konventionelle wie auch nukleare Fähigkeiten; er ist zudem der erste Kampfjet der fünften Generation, der Kernwaffen transportieren und abwerfen kann.

Die deutsche Bundesregierung hatte im März 2022 im Grundsatz beschlossen, 35 Exemplare des Tarnkappenjets zu kaufen; Hauptgrund war, daß die Tornado-Jets, die aktuell für einen etwaigen Atomwaffeneinsatz im Rahmen der »nuklearen Teilhabe« bereitgehalten werden, aufgrund ihres Alters spätestens um 2030 aus dem Verkehr gezogen werden sollen.

Als Gesamtkaufpreis für die Kampfjets werden rund zehn Milliarden Euro genannt. Dies hat in der Vergangenheit für Verwunderung gesorgt: Die Schweiz, die 36 Exemplare des F-35 kauft, zahlt dafür lediglich sechs Milliarden Franken. Hinzu kommt, daß der F-35 als pannenanfällig gilt. Allerdings nutzen ihn auch die drei anderen westeuropäischen Staaten (Belgien, die Niederlande und Italien), die im Rahmen der »nuklearen Teilhabe« über Atomwaffen der USA verfügen.

Stationierung in Büchel

Im Zusammenhang mit den Umbauten am deutschen Kernwaffenstandort Büchel in der Eifel, die für den künftigen Einsatz des F-35A erforderlich sind, hat es zuletzt erheblichen Unmut gegeben. Ursache ist, daß die Kosten für die Baumaßnahmen beträchtlich höher ausfallen als zunächst geplant; mit einer Steigerung gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Summe um fast 650 Millionen Euro auf bis zu 1,2 Milliarden Euro wird gerechnet.

Zur Begründung für die starke Zunahme der anfallenden Ausgaben hieß es im Bundesverteidigungsministerium, man müsse ein »enges, ambitioniertes Zeitkorsett« einhalten, habe zudem »hohe und aufwändige US-Sicherheitsanforderungen« zu wahren und finde schließlich in Büchel in der Eifel eine sehr »schwierige Topografie« vor.

Nun war all dies allen Beteiligten von vornherein bekannt. Eine andere Erklärung lieferte vor kurzem der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, als er sich mit drei weiteren Luftwaffenoffizieren über den Marschflugkörper Taurus austauschte und nebenbei auf die Kostensteigerung in Büchel zu sprechen kam; das Gespräch wurde von russischen Diensten mitgeschnitten und veröffentlicht. Demnach sei der Preis für die Baumaßnahmen nicht gestiegen, sondern ganz »einfach zu niedrig geschätzt« worden – um immerhin 50 Prozent.

»Taktische Schlachtfeldwaffe«

Die ersten Maschinen des F-35A sollen Berichten zufolge ab 2026 an die Bundeswehr ausgeliefert werden. Dabei bleiben sie, heißt es, zunächst in den USA; dort sollen die deutschen Piloten an ihnen ausgebildet werden. Ab wann sie in Büchel, wenige Kilometer von der Grenze zu Luxemburg, stationiert sein werden, ist ebenso ungewiß wie die Frage, wann die neuen Atombomben des Typs B61-12 dort eintreffen. Im Oktober 2022 berichtete das Springer-Portal »Politico«, dies solle noch vor Ende 2022 geschehen.

Offiziell bestätigt wurde dies nie; bis heute liegen keine näheren Hinweise zu der Maßnahme vor. Spekulieren ließe sich, daß die neuen B61-12 annähernd gleichzeitig mit den F-35A in Büchel eintreffen. Die Frage ist auch deshalb von einiger Bedeutung, weil die B61-12 erheblich anders eingesetzt werden können als die bislang in Büchel gelagerten Bomben. So können sie per Satellitennavigation gelenkt werden, gelten deshalb als deutlich präziser und können darüber hinaus gezielt Bunker brechen. Auch sind sie mit unterschiedlicher Sprengwirkung einsetzbar. Prinzipiell könnten sie laut Experten auch in taktischer Weise als »Schlachtfeldwaffe« genutzt werden. Das senkt die Hemmschwelle gegenüber einem Atomwaffeneinsatz und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs.

Neue Debatte über Atomwaffentests

Die Bestätigung der Zertifizierung des F-35A für die künftig auch in Büchel eingelagerten US-amerikanischen Atombomben des Typs B61-12 erfolgt zu einer Zeit, zu der in den USA eine Debatte über die Wiederaufnahme von Atomwaffentests beginnt. In Fachkreisen, die sich mit Fragen der nationalen Sicherheit befaßten, werde neuerdings über angebliche »Vorzüge« unterirdischer oder sogar oberirdischer Nukleartests diskutiert, heißt es in der aktuellen Ausgabe der renommierten US-amerikanischen Fachpublikation »Bulletin of the Atomic Scientists« vom 7. März.

Stritten Regierungsmitarbeiter aller drei großen Atommächte offiziell auch ab, Tests zu planen, so gebe es Hinweise, die auf das Gegenteil hindeuteten. So würden zur Zeit Baumaßnahmen auf den großen Nukleartestgeländen in Rußland und China, aber auch in den USA registriert. Die USA dürften zumindest unterirdische Tests durchführen: Sie haben den Atomwaffenteststoppvertrag aus dem Jahr 1996, der nicht nur oberirdische, sondern auch unterirdische Atomtests verbietet, niemals ratifiziert.

Rußland wiederum hat im November, um gegebenenfalls mit eigenen Tests antworten zu können, seine Ratifizierung des Vertrages zurückgezogen. Rußlands Präsident Wladimir Putin hat vor wenigen Tagen die USA davor gewarnt, neue Tests durchzuführen. Falls die USA einen Atomwaffentest durchführen sollten, sehe sich Rußland gezwungen, es ihnen gleichzutun. In westlichen Medien wurde diese Warnung sogleich zu einer »Drohung Putins mit Atomwaffen« umgedichtet.