Eskalation im Jemen
Vergeltung der Vereinigten Arabischen Emirate kostet mehr als 100 Zivilisten das Leben
Am Freitag vergangener Woche verurteilte der UNO-Sicherheitsrat in New York einstimmig die »abscheulichen Terroranschläge«. Dabei ging es um einen Drohnen- und Raketenangriff der jemenitischen Ansarallah auf Ölanlagen und einen Flughafen in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Drei Menschen wurden dabei getötet. Im Zuge der »Vergeltung« der saudischen Militärkoalition wurden bei Luftangriffen 100 oder mehr Zivilisten getötet, allein bei einem Angriff auf ein Gefängnis kamen mehr als 70 Menschen um. UNO-Generalsekretär António Guterres rang sich dazu eine müde Ermahnung ab. Der Krieg gegen den Jemen ist auf einem neuen Höhepunkt der Eskalation.
Mehr als drei Jahre lang galt in diesem Krieg ein stillschweigender Waffenstillstand zwischen den VAE und den Ansarallah, die in den Medien generell als »Huthi-Rebellen« bezeichnet werden. Zwar sind die VAE weiterhin Teil des saudischen Militärbündnisses, doch begnügten sie sich damit, die Unabhängigkeitsbewegung in Aden im Süden des Landes, den »Südlichen Übergangsrat«, zu unterstützen. Im Dezember gaben sie plötzlich jede Zurückhaltung auf. »Giants-Milizen« der Unabhängigkeitsbewegung begannen unter dem Einfluß der VAE und mit ihrer Unterstützung einen Großangriff auf die Provinz Shabwa. Die Ansarallah sollten vertrieben werden, der Angriff sollte weiter in die Provinz Marib geführt werden. Marib ist das letzte bedeutende Gebiet, das von der Regierung Hadi und damit von Saudi-Arabien kontrolliert wird; seit Monaten ist die Provinz umkämpft.
Die Milizen, die auf Seiten Mansur Hadis kämpfen, gehören vor allem der Islah-Partei an, einer Organisation, die der Moslembrüderschaft nahesteht – ihre Bekämpfung ist für die Regierung der VAE eine Top-Priorität. Nach einem monatelangen Abnutzungskrieg zwischen den Islah-Milizen und den Ansarallah schien die Zeit reif. Die »Giants-Milizen« sollten, durch Luftangriffe unterstützt, die Ansarallah und die Moslembrüderschaft zugleich schlagen und die militärische Situation im Jemen umkehren. Ein Erfolg hätte den Einfluß der VAE in der Region enorm gesteigert. Gegenüber Israel – seit den »Abraham Accords« auch offiziell verbündet – wäre es ein Freundschaftsdienst. Medien sprachen bereits von einer »dramatischen Wendung« in der Provinz Shabwa, doch scheint die Offensive mittlerweile gestoppt.
Mit Beginn der Offensive haben die Ansarallah auch ihrerseits den Waffenstillstand mit den VAE aufgegeben. Sie haben ein Schiff der VAE, das militärische Güter transportierte, aufgegriffen. In Stellungnahmen aus Saudi-Arabien und den VAE wurde das Schiff als ziviles Handelsschiff bezeichnet, das angeblich medizinische Güter transportierte. Doch zeigten Videoaufnahmen, daß sich militärische Ausrüstung und Waffen an Bord befanden. Danach kam der Drohnen- und Raketenangriff auf Abu Dhabi, dem mittlerweile ein zweiter folgte.
Die saudische Militärkoalition antwortete mit massiven Luftangriffen. In der Hafenstadt Hodeidah wurde ein Kommunikationszentrum zerstört, das Internet im gesamten Land fiel daraufhin aus. Bilder aus dem Irak zur Zeit der USA-Invasion wurden genutzt, um diesen Angriff zu rechtfertigen. Den Luftangriff, bei dem 70 Zivilisten umkamen, stritt Saudi-Arabien mit einer offensichtlichen Lüge schlicht ab.
Im vergangenen Jahr gab eine es zögerliche diplomatische Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, der den Ansarallah nahesteht. Manches deutet darauf hin, daß wieder Botschafter ausgetauscht werden sollen, noch immer liegt ein Vorschlag des Iran für eine politische Lösung des Konflikts zur Diskussion bereit. Die jetzige militärische Eskalation macht eine diplomatische Annäherung nur noch schwieriger.