Vor 90 Jahren
Das Reichskonkordat
Wie die katholische Kirche an der Seite Hitlerdeutschlands stand
Wir erlebten den 90. Jahrestag der Machtübergabe an die Faschisten mit Adolf Hitler an der Spitze am 31. Januar 1933 in Deutschland. In der Öffentlichkeit und in den Kreisen der bestimmenden Politiker und Medien werden auch 90 Jahre danach keine Schlußfolgerungen gezogen, die der historischen Wahrheit Rechnung tragen. Noch immer werden die Faschisten in den Medien und in Schulbüchern als »Nationalsozialisten« bezeichnet, obwohl deren faschistische Ideologie und Politik weder national noch sozialistisch war.
Zu den entscheidenden Steigbügelhaltern Hitlers gehörte die katholische Kirche. Knapp sechs Monate nach seinem Regierungsantritt als Reichskanzler schlossen der Vatikan und die Hitlerregierung ein Reichskonkordat. Es wurde am 20. Juli 1933 im Vatikanstaat von Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli und Hitlers Vizekanzler Franz von Papen unterzeichnet.
Bereits am 12. April 1933 hatte der Papst Papen zusammen mit Reichsminister Hermann Göring, dem zweiten Mann an der Spitze der Hitlerpartei, in Privataudienz empfangen. Pius XI. hatte von ihnen »einen guten Eindruck«, wie er sagte, und war »glücklich zu hören«, daß »das neue Deutschland eine entscheidende Schlacht gegen den Bolschewismus« schlage. Im Konkordat rief die Kurie die deutschen Katholiken auf, sich hinter die »nationale Regierung« zu stellen.
»Freundschaftliche Beziehungen«
Die Präambel des Konkordats verkündete, »die zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu festigen und zu fördern«. Für Hitler war das Konkordat ein außerordentlicher außenpolitischer Erfolg, denn es war der erste völkerrechtliche Vertrag, der durch den Vatikan, einer einflußreichen Weltmacht, mit ihm geschlossen wurde.
Das Dokument legte in Artikel 21 die Erziehung zu »vaterländischem Pflichtbewußtsein« fest, und daß nach Art. 30 an allen Sonn- und Feiertagen im Anschluß an den Hauptgottesdienst für »das Wohlergehen« Deutschlands gebetet werden sollte. Artikel 16 verpflichtete die Bischöfe, »vor Gott und auf die heiligen Evangelien« zu schwören, »die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten«.
Das bescheinigte dem Hitlerregime im krassen Widerspruch zur Realität, es sei »verfassungsmäßig« entstanden. Zu dieser Scheinlegalisierung hatten am 23. März 1933 bereits die katholische Zentrumspartei und ihre bayerische Schwesterpartei mit ihrer Zustimmung zum »Ermächtigungsgesetz« beigetragen, das nur dadurch die notwendige Zweidrittelmehrheit erhielt, daß der Kommunistischen Partei Deutschlands bereist ihre Mandate im Reichstag aberkannt worden waren und die Hetzjagd auf kommunisten bereits im vollen Gange war.
Ein gemeinsamer Hirtenbrief der deutschen Bischöfe vom 8. Juni 1933 begrüßte mit »großer Freude« die Erklärung der führenden Männer des neuen Staates, daß nicht mehr »der mörderische Bolschewismus mit seinem satanischen Gotteshaß die deutsche Volksseele bedrohen und verwüsten« dürfe. Es war geradezu eine Zustimmung, ja Segnung der mit dem Machtantritt Hitlers begonnenen Hetzjagd zunächst gegen Kommunisten, und dann gegen Sozialdemokraten, linke Gewerkschafter und alle, die verdächtigt wurden, ihnen nahe zu stehen oder die sich gegen die faschistische Diktatur wandten.
Opfer der neuen Welle der Hetzjagd waren auch bereits Tausende Katholiken. Allein in Bayern saßen 2.000 Mitglieder und Anhänger der katholischen Bayerischen Volkspartei, einschließlich ihres Vorsitzenden Fritz Schäfer, von ihren Hirten im Stich gelassen, in Hitlers Zuchthäusern. In dieser Situation erklärte Kardinalstaatssekretär Pacelli, mit dem Reichskonkordat sei etwas »Segensreiches« für »die unsterblichen Seelen« unter »Gottes gütigem Gnadenbeistand« geschaffen worden.
»Freiwillig und aus edelsten Motiven«
Viele deutsche Kardinäle, Bischöfe und andere geistliche Würdenträger überboten sich in Glückwünschen und Segnungen des Mörderregimes. Kardinal Faulhaber wíes seine Priester an, »illegale Druckschriften« der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) zuzuleiten. Der Kardinal von Breslau, Adolf Bertram rühmte »die harmonische Zusammenarbeit von Kirche und Staat« und versicherte dem »hochverehrten Herrn Reichskanzler«, daß die Katholiken »freiwillig und aus edelsten Motiven zur Mitarbeit« bereit seien, auch gern »zu Geländesport und Wehrertüchtigung«.
Der Freiburger Weihbischof Burger erklärte, die »Ziele der Reichsregierung« seien »schon längst die Ziele unserer katholischen Kirche«. Der Bischof von Aachen, Joseph Vogt, wollte »am Aufbau des neuen Reiches freudig mitarbeiten«, und Bischof Hermann Wilhelm Berning von Osnabrück, der sich von Göring zum Mitglied des Preußischen Staatsrates ernennen ließ, verpflichtete sich, nebst allen deutschen Oberhirten »mit heißer Liebe und mit allen unseren Kräften« daran teilnehmen. Bischof Berning, der das faschistische Führungsprinzip als »gemeinsames Strukturprinzip« der Kirche und des faschistischen Staates bezeichnete, nahm bei einem Treffen mit Hitler auch widerspruchslos dessen Äußerung entgegen: »Die katholische Kirche hat die Juden 1.500 Jahre als Schädlinge angesehen, sie ins Ghetto verwiesen. Ich gehe auf das zurück, was man 1.500 Jahre getan hat. Ich sehe die Schädlinge in den Vertretern dieser Rasse für Staat und Kirche, und vielleicht erweise ich dem Christentum den größten Dienst.«
Als 1935 bereits der Schatten des kommenden Weltkrieges über den Ereignissen lag, stellten sich alle deutschen Bischöfe am 20. August hinter ihren Papst und signalisierten dem Reichskanzler, daß Pius XI. »das moralische Ansehen Ihrer Person und Ihrer Regierung in einzigartiger Weise begründet und gehoben« habe. Hitler feierte das als »rückhaltlose Anerkennung« und »unbeschreiblichen Erfolg«. Es war, jubelte das Nazi-Kampfblatt »Völkischer Beobachter«, eine »ungeheuerliche moralische Stärkung der nationalsozialistischen Reichsregierung und ihres Ansehens«.
Der Vatikan stärkte das von den reaktionärsten Kreisen des deutschen Großkapitals an die Macht gebrachte Hitlerregime, das zu dieser Zeit begann, sich erneut auf den Kampf um die Weltherrschaft vorzubereiten, wofür es sichtbare Anzeichen gab: Die »Heimholung der Saar ins Reich«, den im Frühjahr 1935 von Göring bekannt gegebenen Wiederaufbau der deutschen Luftwaffe, die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht und damit der Aufbau der Wehrmacht, womit eine der wesentlichsten militärischen Bestimmungen des Versailler Vertrages annulliert wurde.
Wie der Völkerbund nahm das auch der Vatikan widerspruchslos hin. Für Hitler wurde so der Weg frei gemacht, eine millionenstarke Massenarmee aufzubauen, die vier ein halb Jahre später mit dem Überfall auf Polen zur Eroberung fast ganz Europas ansetzte.
»Ein Vaterunser für den Führer«
Die Stoßrichtung gegen »den Bolschewismus« trieb die Kurie zu immer neuen Freundschaftsbeteuerungen gegenüber Hitler. Sie brüstete sich geradezu, wie Kardinal Faulhaber 1936 in einer Predigt ausführte, als erster Souverän des Auslandes mit Hitler im Reichskonkordat einen feierlichen Vertrag abgeschlossen zu haben.
Faulhaber wurde noch deutlicher und sagte: In Wirklichkeit »ist Papst Pius XI. der beste Freund, am Anfang sogar der einzige Freund des neuen Reiches gewesen. Millionen im Ausland standen zuerst abwartend und mißtrauisch dem neuen Reich gegenüber und haben erst durch den Abschluß des Konkordats Vertrauen zur neuen deutschen Regierung gefaßt.« Und er sprach »aufrichtig aus der Seele: Gott erhalte unserem Volk unseren Reichskanzler«.
Das waren bei weitem nicht die einzigen Bekenntnisse Faulhabers zu Hitler. Am 7. Februar 1936 schloß er in der Münchner Frauenkirche eine Predigt mit den Worten: »Katholische Männer, wir beten jetzt zusammen ein Vaterunser für das Leben des Führers«.
Als das Attentat des Antifaschisten Georg Elsner im Bürgerbräukeller am 8. November 1939 fehlschlug, schickte der Kardinal umgehend ein Telegramm an Hitler, in dem er von einem »verabscheuungswürdigen Verbrechen« sprach und Hitler »als Ortsbischof und im Namen der bayerischen Bischöfe wärmsten Glückwunsch für glückliche Rettung« aussprach und Gott bat, »er möge auch ferner seinen schützenden Arm über Sie halten«.
Kardinal Faulhaber war, wie der Münchener Historiker Rudolf Reiser 2000 schrieb, »eine unerschütterliche Stütze Hitlers, ein böser Kriegstreiber und autoritärer Kirchenfürst«.
Nach dem Überfall auf die UdSSR gingen selbst bis dahin etwas zurückhaltendere Kirchenführer wie der Trierer Bischof Rudolf Bornewasser in ihren Predigten auf die Ideologie der Kreuzzüge über und verkündeten, daß »unsere Gedanken Tag und Nacht bei unseren todesmutigen Soldaten (weilen), unsere Gebete zum Himmel (steigen), daß Gottes Beistand mit ihnen sei zur erfolgreichen Abwehr der bolschewistischen Bedrohung aller Völker und aller Länder, aber auch zur Befreiung des seit 24 Jahren von der Pest des Bolschewismus verseuchten und teils zugrunde gerichteten, in seiner Tiefe religiös veranlagten russischen Volkes«. Kardinal Faulhaber rief im Juni 1941 »im Namen unseres Herrn Jesus Christus, den die Juden gekreuzigt haben«, mit den bayerischen Bischöfen auf, mutig zu sein »im furchtbaren Kampf gegen den Bolschewismus«.
Erst am 12. September 1943, als die Kurie eine Ahnung beschlich, der »Kreuzzug gegen den Bolschewismus« werde nicht den herbeigesehnten Sieg bringen, wandte sich Faulhaber in einem Hirtenbrief unter Berufung auf die zehn christlichen Gebote gegen die Tötung »an Menschen fremder Rassen und Abstammungen«. Das war und blieb eine wirkungslose Ausnahme.
Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 schickte Faulhaber zwar Hitler kein Glückwunschtelegramm mehr, hielt aber einen Dankgottesdienst ab. Intern verurteilte er das Attentat als »furchtbares Verbrechen«, denn »das Leben des rechtmäßigen Staatsoberhauptes des Deutschen Reiches« stehe »unter dem Schutz des 4. Gebots, das uns den Gehorsam und die Treue zur staatlichen Obrigkeit zur Pflicht macht.«
Nach dem Attentat geriet Faulhaber kurze Zeit ins Visier der Gestapo, weil er Jahre vorher einmal mit einem der führenden Verschwörer, Carl Friedrich Goerdeler zusammengetroffen war. Er denunzierte die Attentäter als »Wahnsinnige«, als »Verbrecher«, »Bolschewisten« und schwor, staatsfeindliche Komplotte sofort der Gestapo zu melden. Er verwies darauf, daß er entsprechende Anzeigen bereits mehrfach erstattet habe.