Unruhe schüren in Syrien
Die israelische Luftwaffe hat am Freitagmorgen Raketen auf Ziele in unmittelbarer Nähe des syrischen Präsidentenpalastes abgeschossen. Fotos zeigen gelben Rauch, der neben dem Palastgebäude aufsteigt. Der Präsidentenpalast steht auf einem Berg oberhalb des Stadtteils Mezzeh und ist weiträumig abgesperrt. Es gab zunächst keine Hinweise auf Tote oder Verletzte.
Beobachter gehen davon aus, daß Israel lediglich ein Signal an den selbst ernannten Interims-»Präsidenten« Ahmed Al Sharaa und seine »Regierung« und »Sicherheitskräfte« aussenden wollte. Israel will sich als zukünftige Kontrollmacht über Syrien erheben und nutzt die vielfältige religiöse und ethnische Bevölkerung des Landes, die Israel »beschützen« müsse.
Teilen und Herrschen
Nach »Schutz«-Angeboten an die kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte im Dezember 2024 und im Januar 2025 hat Israel sich nach seinem völkerrechtswidrigen Einmarsch in Syrien Anfang Dezember 2023 zum »Beschützer aller Drusen« in Syrien erklärt. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den selbst ernannten Interims-»Präsidenten« Ahmed Al Sharaa wiederholt beschuldigt, sich in die Belange der Drusen einmischen zu wollen. Unterstützung für sein »Schutzangebot« an die syrischen Drusen erhält Netanjahu von Teilen der Drusen, die auf den von Israel 1967 besetzten syrischen Golanhöhen leben, die 1981 von Israel annektiert wurden. Ein Teil dieser drusischen Bevölkerung hat mittlerweile die israelische Staatsangehörigkeit und dient in der israelischen Armee. Einer der führenden Generäle im aktuellen Gaza-Krieg ist General-Major Ghassan Allan, ein israelischer Druse.
Die Luftangriffe am Freitagmorgen folgten Tagen der bewaffneten Auseinandersetzung in den Vororten Jaramana und Ashrafiyat Sehnaya im Süden von Damaskus. Auslöser war offenbar der Versuch von HTS-»Sicherheitskräften«, Waffen von Drusen in Jaramana und Sehnaya einzusammeln. Die Entwaffnung verschiedener Gruppen ist Voraussetzung für den Aufbau einer neuen syrischen Armee.
Laut Berichten von Anwohnern aus Jaramana weigerten sich die Drusen, ihre Waffen zu übergeben. Sie beriefen sich dabei auf eine von drusischen Scheichs veröffentlichte Erklärung, daß sie so lange ihre Waffen behalten würden, bis eine ordentliche Verfassung, ordentliche Wahlen und eine so legitimierte neue Regierung in Damaskus im Amt sei. Zuletzt hat der oberste spirituelle Führer der syrischen Drusen in Sweida, Scheich Hikmat al-Hijri im März die von Al Sharaa installierte neue syrische Verfassung als unrechtmäßig abgelehnt.
Falschmeldungen schüren Unruhe
Während der gescheiterten Waffenübergabe tauchte in sozialen Medien ein Video auf, in dem ein angeblicher drusischer Scheich den Propheten Mohamed beschimpfte. Schnell stellte sich das Video als eine Falschmeldung heraus, doch sofort reagierten dschihadistische Kämpfer aus dem benachbarten Ort Mleiha und aus der östlichen Ghouta (Douma) und griffen die Drusen in Jaramana an. Der Konflikt weitete sich auf den benachbarten Vorort Sehnaya aus, wo ein örtlicher Offizieller und dessen Sohn erschossen wurden. HTS beschuldigte die Drusen des Mordes, die wiederum HTS beschuldigten. Beobachter gehen davon aus, daß »eine dritte Hand« für den doppelten Mord verantwortlich gewesen sein könnte, um einen neuen innersyrischen Konflikt zu schüren.
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