Leitartikel18. März 2021

Imperium im Niedergang

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Dem Imperium läuft die Zeit davon. Nicht erst, wie oft gesagt wird, »um 2050«, sondern deutlich früher könne China die USA als globale Führungsmacht ablösen, warnte Vier-Sterne-Admiral Philip Davidson, der Kommandeur des U.S. Indo-Pacific Command, vergangene Woche vor dem Streitkräfteausschuß des Senats. Vor diesem Hintergrund sind auch die verärgerten Reaktionen zu verstehen, die das Investitionsabkommen zwischen China und der EU in Washington hervorgerufen hat – und zwar nicht nur bei der Trump-, sondern auch bei der mittlerweile ins Amt gekommenen Biden-Administration.

Beim Versuch, den in den vergangenen Jahren weiter beschleunigten Aufstieg der Volksrepublik »einzudämmen« (wie 1947ff, als es gegen die Sowjetunion und die sich in Europa herausbildenden Volksdemokratien ging, sprechen die Washingtoner Strategen schon seit der Präsidentschaft Obamas wieder von »containment«), geht es darum, die vom USA-Imperialismus und seinen Verbündeten vor allem in Europa dominierte Weltwirtschaftsordnung irgendwie aufrechtzuerhalten.

Seit den 90er Jahren haben US-amerikanische und europäische Multis einen Großteil ihrer industriellen Fertigung, insbesondere die arbeitsintensiven Produktionsschritte, nach China verlegt und damit satte Extraprofite für ihre Aktionäre erzielt. Doch die Volksrepublik ist längst nicht mehr nur die »Werkbank der Welt«, sondern ist in vielen Technologiefeldern wie dem neuesten Mobilfunkstandard 5G, im Bereich der Halbleitertechnik, der auf 5G aufbauenden künstlichen Intelligenz und im Quantencomputing weltklasse.

Allein für die Neue Seidenstraße will China mehr als eine Billion Euro in gut 60 Ländern Afrikas, Asiens und Europas investieren. Im Rahmen dieses gigantischen Infrastrukturprojektes ist China bereits zum wichtigsten Handelspartner des von USA und EU mit Sanktionen belegten Nachbarn Rußland geworden. Das Volumen des Güteraustausches zwischen beiden Ländern liegt mittlerweile bei fast 100 Milliarden Euro pro Jahr und wächst weiter.

Der Handel zwischen den USA und China ist noch immer sechsmal so groß und hat dazu geführt, daß das US-amerikanische Handelsdefizit gegenüber China mittlerweile bei über 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr liegt. Hinzu kommt, daß die Volksrepublik ihre Investitionen in Produktionsanlagen in den USA in den vergangenen drei Jahren um fast 90 Prozent (von 46,5 Milliarden auf nur noch 4,8 Milliarden US-Dollar) zurückgefahren hat, während die USA noch immer rund 13 Milliarden US-Dollar in Produktionsanlagen in China investieren.

Gleichzeitig sank der von China gehaltene Anteil an der US-amerikanischen Staatsverschuldung von über 27 Billionen US-Dollar im vergangenen Jahrzehnt von 14 auf nur noch fünf Prozent. Noch gefährlicher für das Imperium aber ist, daß der Anteil des US-Dollars an den chinesischen Valutareserven in nur vier Jahren von 79 auf 59 Prozent gefallen ist, und daß China weiterhin nach Alternativen zum US-Dollar sucht, um seine Außenhandelsaktivitäten zu finanzieren.

Weil das ökonomische »containment« Chinas also offensichtlich nicht funktioniert, setzen die USA immer stärker auf eine militärische »Eindämmung« ihres aufsteigenden Rivalen. So sind die Militärausgaben der NATO-Staaten 2020 auf 930 Milliarden Euro gestiegen und Admiral Davidson fordert vom USA-Kongreß über 27 Milliarden US-Dollar, um in fünf Jahren ein Netz von satellitenunterstützten Raketenabschußrampen rund um China auf- bzw. auszubauen. Kein Wunder, daß auch Rußland und China ihre Militärkooperation derzeit deutlich ausbauen.