Leitartikel22. August 2025

McCarthy an der Grenze

von

US-amerikanische Regierungsbeamte müssen sich fünf Jahrzehnte nach der offiziellen Auflösung des »Komitees für unamerikanische Umtriebe« 1975 wieder als Gesinnungsschnüffler betätigen – dieses Mal bei Einwanderungs- und Einbürgerungswilligen.

Die Regierung von Präsident Trump hat am Dienstag angekündigt, Kandidatinnen und Kandidaten auf »antiamerikanische« Ansichten hin überprüfen zu lassen. Dazu sollen insbesondere deren jüngste Veröffentlichungen im Internet unter die Lupe genommen werden.

Die Einwanderungsbehörde USCIS erklärte zur Begründung, »Amerikas Vorteile sollten nicht denen gegeben werden, die das Land verachten und antiamerikanische Ideologien fördern«. Einwanderung in die USA, so die Bundesbehörde, sei »ein Privileg, kein Anrecht«.

Zuvor hatte die Trump-Regierung bereits die Regeln zur Visavergabe verschärft. Im Visier sind vor allem Einreisewillige, die angeblich »antisemitische Ideologien« im Land verbreiten wollen. So wurden unter anderem Studentenvisa verweigert oder wieder aufgehoben. Wie das Außenministerium am Montag bekannt gab, wurden seit Januar 6.000 Studentenvisa widerrufen.

Außerdem wurde erst vor wenigen Tagen mitgeteilt, vorerst würden keine bei israelischen Angriffen auf den palästinensischen Gazastreifen verwundete Menschen mehr zur medizinischen Behandlung in die USA gelassen. »Medizinisch-humanitäre« Visa für Menschen aus Gaza würden ausgesetzt.

Das alles erinnert stark an die sogenannte McCarthy-Ära, als es nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA eine geradezu hysterische Jagd auf angebliche oder tatsächliche Mitglieder oder Sympathisanten der Kommunistischen Partei gab.

Die CPUSA hatte dank der enormen Verdienste und immens hohen Verluste der Sowjetunion bei der Niederringung des deutschen Faschismus massiv an Ansehen – und damit auch an gesellschaftlichem Einfluß gewonnen.

Die Kommunisten in der Sowjetunion und in aller Welt wurden zu den ideologischen Hauptfeinden des von den USA angeführten »freien Westens« erklärt. Zu ihrer Bekämpfung im eigenen Land gab es Gesinnungsschnüffelei und öffentliche Diskreditierungen von einzelnen Personen, ganzen Berufsgruppen und Organisationen bis hin zur gesellschaftlichen »Vernichtung«.

Wer »kommunistischer Umtriebe« verdächtigt wurde, so die feministische Bürgerrechtlerin und Rechtsanwältin Anna Pauline »Pauli« Murray in ihrer Autobiographie, »dessen Ruf konnte über Nacht zerstört« und sein Name konnte »auf der Grundlage von Gerüchten, Klatsch und anderen unbestätigten Anschuldigungen wegen subversiver Aktivitäten auf die schwarze Liste gesetzt« werden.

Im Herbst 1947 war auch Brecht im Ausschuß des USA-Kongresses für »unamerikanische Umtriebe« geladen. Ihm wurde eine schlechte Übersetzung des »Solidaritätsliedes« vorgelegt: »Haben Sie das geschrieben, Mr. Brecht?«. Antwort: »Nein, ich schrieb ein deutsches Gedicht, aber das unterscheidet sich sehr davon.« Der von den Nazis aus Paris vertriebene russischstämmige Schriftsteller und Drehbuchautor Wladimir Pozner kommentierte das: »Man hätte meinen können, ein Zoologe sei Gefangener von Affen.« Dieser Vergleich drängt sich heute wieder auf.