Ausland03. November 2021

Diplomatisches Sperrfeuer gegen Libanon

Was Saudi-Arabien und andere arabische Golfstaaten von der freien Meinungsäußerung von Bürgern eines anderen Landes halten

von Karin Leukefeld, Beirut

Saudi-Arabien und andere Golfstaaten haben ihre Botschafter aus dem Libanon abgezogen und den libanesischen Botschaftern in ihren Ländern 48 Stunden zur Ausreise gegeben. Importe aus dem Libanon nach Saudi Arabien wurden gestoppt. Hintergrund ist eine kritische Äußerung des libanesischen Informationsministers George Kordahi von Anfang August 2021 zum Krieg im Jemen.

Bei einer für das Fernsehen aufgezeichneten Diskussionsrunde mit dem Arabischen Jugendparlament, hatte Kordahi – ein prominenter Journalist und Fernsehmoderator – den Krieg im Jemen als »sinnlos« bezeichnet. Die aufständischen Houthis, die Ziel der von Saudi-Arabien geführten Kriegskoalition sind, verteidigten sich »gegen eine externe Aggression«, wird Kordahi zitiert. Er kritisierte, daß im Jemen »Häuser, Dörfer, Beerdigungen und Hochzeiten« angegriffen würden. Die Sendung wurde Ende Oktober ausgestrahlt.

Saudi-Arabien zog seinen Botschafter ab und stellte alle Importe aus dem Libanon ein. Gleichzeitig wurde der libanesische Botschafter in Saudi-Arabien zur Ausreise innerhalb von 48 Stunden aufgefordert. Bahrain folgte »aus Solidarität« dem saudischen Beispiel, ebenso Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Für die neue libanesische Regierung von Premierminister Najib Mikati bedeutet die aktuelle Entwicklung, daß er nun eine weitere Hürde überwinden muß, um finanzielle Unterstützung für den wirtschaftlich am Boden liegenden Libanon zu bekommen. Sowohl Mikati als auch Präsident Michel Aoun erklärten, die Beziehungen zu Saudi-Arabien seien wichtig und wertvoll für den Libanon, man wolle alles tun, um die Krise zu überwinden. George Kordahi schloß trotz des erheblichen Drucks auf seine Person einen Rücktritt aus. Er habe die Äußerungen zu einem Zeitpunkt gemacht, als er Journalist, nicht Minister gewesen sei. Per Twitter erklärte Kordahi, er habe keinesfalls Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate oder andere arabische Golfstaaten verletzten wollen.

Die drei früheren libanesischen Premierminister Saad Hariri, Fuad Siniora und Tammam Salman forderten in einer gemeinsamen Stellungnahme George Kordahi zum Rücktritt auf. Sein Verbleib in der Regierung sei »eine Gefahr für die libanesisch-arabischen Beziehungen«. Sein Rücktritt wäre im Interesse des Libanon des Verhältnisses zu den Golfstaaten und zur Welt. Regierungschef Najib Mikati, der sich aktuell bei der UNO-Konferenz zum Klimawandel im schottischen Glasgow aufhält, wird nach seiner Rückkehr mit Präsident Aoun, Parlamentssprecher Nabi Berri und mit der Regierung beraten.

Während die politischen Eliten den Druck auf Kordahi erhöhen, wurde in den sozialen Netzwerken aus verschiedenen arabischen Ländern Unterstützung geäußert. Der Krieg im Jemen sei wirklich sinnlos, hieß es in zahlreichen Äußerungen privater Nutzer, die vom Nachrichtensender Al Mayadeen zusammengetragen wurden. Kordahi habe das Recht, seine Meinung dazu zu äußern. »George Kordahi spricht für mich«, hieß es aus Ägypten. Auch aus dem Jemen und aus dem Irak gab es Unterstützung.

Der libanesische Außenminister Abdallah Bou Habib berief im Auftrag des abwesenden Ministerpräsidenten Mikati eine Krisensitzung der Regierung ein und stellte ein Team zusammen, um die Kontakte mit Saudi-Arabien wieder herzustellen. An der Regierungssitzung nahm laut Medienberichten auch der stellvertretende Leiter der USA-Botschaft im Libanon, Richard Michaels teil. Die USA könnten helfen, die Krise zu lösen, sagte Bou Habib.

Kordahi war am 10. September 2021 zum Informationsminister der Regierung von Najib Mikati ernannt geworden. An dem Tag hatten Mikati, Präsident Michel Aoun und Parlamentssprecher Nabi Berri ihre Unterschrift unter die von Mikati vorgelegte Regierungsliste gesetzt. Das Parlament sprach der neuen Regierung am 20. September mit großer Mehrheit – 100 von 117 Stimmen – das Vertrauen aus. Gegenstimmen kamen damals lediglich von den rechten Kräften. Der ehemalige Ministerpräsident und Abgeordnete Saad Hariri und die Abgeordneten der von Hariri geführten Zukunftspartei waren der Sitzung fern geblieben.

Der neue Konflikt macht den innerlibanesischen Zwist der politischen Elite ebenso deutlich, wie den Einfluß, den Saudi-Arabien und seine Verbündeten am Golf auf den Libanon ausüben. Sollte Kordahi zurücktreten, würden womöglich aus Protest auch andere Minister ihr Amt aufgeben und die Regierung arbeitsunfähig machen. Sollte Kordahi nicht zurücktreten, würde sich vermutlich der Druck auf Premierminister Mikati erhöhen, zurückzutreten. Damit wäre der Libanon erneut ohne Regierung. Die USA und auch Frankreich haben Mikati bereits aufgefordert, nicht zurückzutreten.