Ausland24. Oktober 2009

Villepin »am Fleischerhaken«

18 Monate Haft für früheren französischen Premier gefordert

Im Clearstream-Prozeß um die Verleumdung von Nicolas Sarkozy als Finanzbetrüger hat die Pariser Staatsanwaltschaft Eineinhalb Jahre auf Bewährung und 45.000 Euro Strafe für Ex-Premierminister Dominique de Villepin gefordert.
Fünf Wochen lang dauerte der Prozeß, in dem der frühere französische Regierungschef seinem politischen Widersacher gegenüberstand: Präsident Nicolas Sarkozy, der in dem Verfahren als Nebenkläger auftritt. Villepin habe ein Komplott gegen Sarkozy »durch sein Schweigen gebilligt«, stellte die Anklage fest. Folgen die Richter dieser Auffassung, steht ein Fragezeichen hinter Villepins künftiger politischer Karriere.

»Nicolas Sarkozy hat angekündigt, daß er mich an einem Fleischerhaken aufhängen wird«, sagte Villepin, als er den Gerichtssaal nach dem Plädoyer des Staatsanwalts verließ. »Wie ich sehe, ist das Versprechen eingelöst worden.« In dem Verfahren soll geklärt werden, wie es 2004 zu gefälschten Listen mit Auslandskonten kam, die den heutigen Präsidenten und weitere namhafte Franzosen belasteten. In Wahrheit geht es aber auch um die alte Feindschaft der beiden Rivalen, die seinerzeit einen Machtkampf um die Nachfolge von Staatschef Jacques Chirac austrugen.

Am Anfang stand ein altes Waffengeschäft: Beim Verkauf französischer Fregatten an Taiwan soll 1991 eine halbe Milliarde Dollar Schmiergeld geflossen sein. Dieses Geld war dann anscheinend auf Kontenlisten des Luxemburger Finanzinstitutes Clearstream verzeichnet, die 2004 in Umlauf gebracht wurden. Auf den Listen fand sich unter anderen Sarkozy. Monate später stellten sich die Kontenlisten als gefälscht heraus, manipuliert von einem ehemaligen Mathematiker des Luftfahrt- und Rüstungskonzerns EADS, Imad Lahoud.

Den Auftrag dazu habe er von Jean-Louis Gergorin gehabt, dem ehemals stellvertretenden Präsidenten des Konzerns, sagt Lahoud. Gergorin verfolgte anfangs wohl eigene Ziele im Dauermachtkampf bei EADS, denn auf den Listen landeten auch die Namen ranghoher Manager. Er soll nach dem Willen der Anklagebehörde die schwerste Strafe unter den Angeklagten bekommen, 18 Monate Gefängnis und weitere 18 Monate auf Bewährung. Für Lahoud fordert die Staatsanwaltschaft ebenfalls 18 Monate Gefängnis sowie sechs Monate auf Bewährung.

Zur Staatsaffäre wurde die Intrige durch eine weitere Aussage des Mathematikers. Gergorin habe ihn zwar mit der Fälschung beauftragt, sagte Lahoud. Geschehen sei das Ganze aber »mit Wissen von Dominique de Villepin«, damals Kabinettskollege von Sarkozy und ein alter Bekannter des EADS-Managers. Für Sarkozy stand schnell fest, daß sein politischer Rivale hinter dem Komplott stehen müsse. »Wenn ich den Mistkerl kriege, der diese Affäre angezettelt hat, wird er am Fleischerhaken enden«, drohte Sarkozy.

Selbst im Prozeß konnte er nicht an sich halten und ließ sich zu einem Fauxpas hinreißen: Vor laufenden Fernsehkameras erklärte der Staatschef, daß nun endlich »die Schuldigen« des Kom-plotts vor Gericht stünden – eine Vorverurteilung, für die Villepin ihn seinerseits juristisch belangen will. Sarkozy räumte inzwischen ein, er wäre besser beraten gewesen, sich zurückzuhalten und die Justiz ihre Arbeit tun zu lassen. Villepin, der seinen Rivalen einst als »Zwerg« bezeichnet hatte, zeigte sich über soviel Einsicht »gerührt«.

Klar ist, daß es für den früheren Premier um die politische Zukunft geht. Wird er verurteilt, steht sein geplantes Comeback in den Sternen. Wenn er den Gerichtssaal jedoch »im Namen des französischen Volkes« als freier Mann verläßt, wie er zu Beginn des Verfahrens siegesgewiß ankündigte, plant Villepin schon die Revanche: Dann will er Sarkozy die Präsidentschaftskandidatur bei der nächsten Wahl in zweieinhalb Jahren streitig machen. Das Urteil soll Anfang 2010 fallen. (Agenturen/ND/ZLV)