Jetzt sind die Zeitungen dran
Proteste gegen Knebelung von Journalisten in Italien
Italiens kritische Zeitungsjournalisten protestieren entschieden gegen ein von der Ministerpräsidentin Giorgia Meloni vorgelegtes neues Pressegesetz, mit dem die wachsenden Enthüllungen über deren arbeiter- und demokratiefeindlichen Regierungskurs durch rigorose Kontrolle der Redaktionen der Zeitungen unterdrückt werden sollen.
Nachdem ihre faschistische Regierungskoalition den Entwurf in der Abgeordnetenkammer durchgebracht hat, liegt er jetzt dem Senat vor. Mit der Annahme der Gesetzesänderung werde »das Recht der Bürger auf freie Informationen« eingeschränkt, warnte der Präsident der Journalistengewerkschaft Ordine dei Giornalisti (OdG), Carlo Bartoli.
Der Nationale Presseverband Federazione Nazionale Stampa Italiana (FNSI) kündigte gegen die geplante Knebelung der Medien Demonstrationen im ganzen Land an, um »die Würde des Berufsstandes« gegen »jegliche Zensur« zu verteidigen. Die in der FNSI organisatierten Journalisten hatten mit ihrem Fernbleiben bei der Jahres-Pressekonferenz Melonis am 4. Januar bereits ihren entschiedenen Protest manifestiert.
Um Kritiker an die Kandare zu nehmen, hat Meloni im ersten Jahr ihrer Regierung bereits die öffentlichen Institutionen, angefangen bei der staatlichen Nachrichtenagentur ANSA, über die Radiotelevisione italiana (RAI) bis in die öffentlichen Dienste von »linken Elementen« zu »säubern« begonnen und an ihre Stelle »zuverlässige Leute« gesetzt, vor allem ihrer faschistischen Partei »Brüder Italiens« (FdI) gesetzt. Selbst Intendanten von Opernhäusern stehen auf der Abschußliste.
Dabei ist sie selbst mit »gutem Beispiel« vorangegangen. Um klarzustellen, daß Kritik an ihrer »Flüchtlingsabwehr« rigoros verfolgt wird, hatte sie nach ihrem Amtsantritt am 22. Oktober 2022 bereits am 15. November vor dem Gericht in Rom gegen den neapolitanischen Schriftsteller Roberto Saviano wegen Verleumdung ihrer Person geklagt. Saviani hatte sie 2020 in einer RAI-Sendung öffentlich für den Tod eines sechs Monate alten Babys an Bord eines Rettungsschiffes der NGO »Open Arms« verantwortlich gemacht, für das sie eine rechtzeitige medizinische Hilfe verhinderte.
Gegen die Redaktion der Zeitung »Domani« klagte sie einen Schadensersatz von 25.000 Euro ein, weil die Zeitung enthüllt hatte, daß sie in der Frühphase der Corona-Pandemie einem Unternehmer und Parteifreund bei der Anbahnung von Maskengeschäften unter die Arme gegriffen hatte. Die Verhandlung steht noch an.
Ihr Beispiel machte Schule. Der frühere Premier Matteo Renzi, Chef der kleinen Partei »Lebendiges Italien« (IV), ein Busenfreund Berlusconis, des inzwischen verstorbenen Führers der faschistischen Forza Italia (FI), griff in die Vollen und klagte gegen den Chefredakteur der linksliberalen Tageszeitung »Il Fatto Quotidiano«, Marco Travaglio, auf 500.000 Euro Entschädigung, weil dieser sich bei einem TV-Interview an seinem Schreibtisch hatte abfilmen lassen, während im Regal hinter ihm eine mit dem Konterfei Renzis verzierte Klopapierrolle zu sehen war.
Travaglio hatte »Glück«, die Richterin fand die Summe »unverschämt«, der Politiker behandle »ein Zivilgericht wie eine Art Geldautomat«, entschied die und wies die Klage zurück.
Premierministerin Meloni reichen nun Verleumdungsklagen mit hohen Geldstrafen zur Maßregelung von Journalisten nicht mehr aus. So geht es ihr mit dem neuen Knebelungsgesetz vor allem auch darum, zu verhindern, daß Journalisten über laufende Ermittlungen oder Gerichtsprozesse berichten, die gleich drei ranghohe Politiker ihrer Partei FdI betreffen, gegen die die Justiz wegen Amtsmißbrauchs, Vorteilsannahme, Bestechung, Korruption und diverser weiterer Delikte vorgeht.
Ihrer Tourismusministerin Daniela Santanchè, u.a. Besitzerin einer Bio-Handelsgruppe und eines luxuriösen Strandklubs im toskanischen Badeort Forte dei Marmi, werden Bilanzfälschungen und Konkursverschleppung vorgeworfen. Ihrem Lebensgefährten, einem Adelssproß, hatte sie noch Bezüge in Millionenhöhe ausgezahlt, als sie Mitarbeiter ihrer Firmen bereits um ihre Gehälter und Rentenbeiträge prellte.
Das ganze umrahmte die Ministerin mit dem Bekenntnis »Ich bin stolz, eine Faschistin zu sein« und verlangte, »illegal Eingewanderte mit einem Tritt in den Hintern« aus dem Land zu jagen.
Einen Vorgeschmack, wie es unter dem neuen Gesetz zugehen wird, bekam die Redaktion der Zeitung »Domani«, in der im vergangenen Jahr eine von Meloni angeordnete Razzia der Polizei stattfand, um einen Artikel zu beschlagnahmen, in dem über Kritik, die die Sänger der Band »Placebo« an Meloni geübt und sie eine »Faschistin und Rassistin« genannt hatten, berichtet worden war.
Konnte das bis dahin noch eine illegale Praxis genannt werden, soll es jetzt mit dem Zensur-Gesetz juristisch »legalisiert« werden.