Ausland19. April 2025

Mit allen Mitteln gegen China

Für alle, die sich mit der Außen- und Militärpolitik der USA befassen, brachte das letzte Wochenende im März nützliche Erkenntnisse. Viele warteten angespannt auf den 2. April, den Tag, an dem USA-Präsident Donald Trump neue Zölle verkünden wollte und den er »Tag der Befreiung« nannte. Am gleichen Wochenende unternahm sein Kriegsminister Pete Hegseth seine erste Auslandsreise im Amt. Sie führte ihn in die Asien-Pazifik-Region, auf die Philippinen und nach Japan. Dort wollte Hegseth das Bündnis gegen, wie er formulierte, das »kommunistische China« noch weiter stärken. Die Philippinen sollen 20 F-16-Kampfjets erhalten, für 5,58 Milliarden US-Dollar. Zudem will Washington dort modernste Antischiffsraketen stationieren. In Japan kündigte Hegseth an, das dortige USA-Militärkommando werde aufgewertet und in ein vollgültiges Hauptquartier »für die Kriegsführung« umgebaut.

Daß die Vereinigten Staaten unter Trump die sogenannte erste Inselkette vor der chinesischen Küste in eine waffenstarrende Angriffsrampe hochrüsten, ist nicht neu. Das hat schon Joe Biden getan. Seit Jahren ist es Konsens im Establishment der USA, daß man das tun müsse, um einen möglichen Krieg gegen China vorzubereiten.

Militärische Ressourcen bündeln

Neue Erkenntnisse brachte allerdings ein Bericht der »Washington Post« über ein als geheim eingestuftes Papier aus dem USA-Kriegsministerium, der in dem Blatt erschien, als Hegseth auf dem Weg von den Philippinen nach Japan war. Das Papier umfaßt zentrale Richtlinien für führende Mitarbeiter des Pentagon und es zirkulierte dort, vom Minister mit seiner Unterschrift versehen, seit Mitte März. Die Kernaussage: Die Trump-Regierung ist fest entschlossen, sämtliche militärischen Ressourcen der USA – eine gewisse Aufrüstung an der Grenze zu Mexiko ausgenommen – in den Aufmarsch gegen China zu werfen, in die Militarisierung etwa der ersten Inselkette, aber auch der pazifischen Inselwelt.

Hegseth hatte nicht ohne Grund Station auf Guam gemacht, einer Inselkolonie der USA mit riesigen Militärbasen, weit westlich im Pazifik gelegen. Alle Ressourcen für den Kampf gegen die Volksrepublik nutzen – das meint die Trump-Regierung durchaus ernst. China sei »die einzige Bedrohung«, an der sich die USA-Streitkräfte ausrichteten, so zitierte die »Washington Post« den Minister. Die Hochrüstung der USA-Streitkräfte bereite diese ganz gezielt auf einen Krieg gegen die Volksrepublik vor.

Bereits Präsident Barack Obama hatte 2011 einen »Schwenk nach Asien«, den »Pivot to Asia«, verkündet mit dem Ziel, die Volksrepublik in den Fokus der USA-Streitkräfte zu rücken. Trump in seiner ersten Amtszeit wie auch Joe Biden setzten das fort. Zuweilen ließen sie sich ablenken, etwa durch den Krieg gegen den »IS« und zuletzt durch Waffenlieferungen an Israel für den Gaza-Krieg. Um das künftig zu vermeiden, will das Pentagon künftig nur noch kleinere »Anti-Terror-Operationen« zulassen, so etwa Luftangriffe auf die jemenitischen Ansar Allah.

EU soll sich um Rußland kümmern

Während Biden noch viele Milliarden in den Ukraine-Krieg investierte, will Trump damit Schluß machen. Er will sämtliche militärische Aktivitäten gegen Rußland den NATO-Staaten Europas beziehungsweise der EU überlassen, damit er für den großen Machtkampf gegen China auch wirklich alle Hände, Panzer und Raketen frei hat. Die USA sollen sich nur noch um Schwachpunkte nahe den eigenen Grenzen kümmern: um den Panamakanal, den im Kriegsfall feindliche Schiffe durchqueren könnten; um Grönland, weil feindliche, seien es russische oder auch chinesische, Schiffe nach dem Abschmelzen des Eises über die Arktis angreifen, weil feindliche Raketen via Grönland auf die USA zufliegen könnten. Letztere Möglichkeit bestand schon im Kalten Krieg.

Den Rußland-Faktor vom Hals zu haben – diese Hoffnung, das bestätigt das Pentagon-Papier – treibt Trump dazu, die NATO-Staaten Europas zur Hochrüstung zu drängen. Und nicht nur dazu. Trumps Rußland-Strategie wird im Establishment der USA gegenwärtig unter dem Stichwort »Reverse Kissinger« diskutiert. Das bezieht sich darauf, daß Henry Kissinger in seiner Zeit als Nationaler Sicherheitsberater damit beschäftigt war, die Annäherung zwischen den USA und China zu bewerkstelligen und damit einen Keil zwischen Moskau und Beijing zu treiben, um die Sowjetunion zu isolieren.

Diesen Keil zu erneuern, nun aber mit dem Ziel, der Volksrepublik einen wichtigen Verbündeten zu nehmen, ist der Plan der Trump-Regierung. Die US-amerikanische Zeitschrift »Foreign Affairs« formulierte das Anfang April auf ihrem Internetportal so: »Rußland von China wegzuziehen, um die Kräfteverhältnisse zugunsten der Vereinigten Staaten zu verschieben.« Die Autoren des Beitrags wie auch die Anführer der Demokratischen Partei der USA halten diesen Plan für illusorisch. Demnach sei es vielmehr angebracht, Rußland so umfassend wie möglich zu schwächen. Daher setzen sie weiter auf die Unterstützung für Kiew im Ukraine-Krieg.

Zollkrieg gegen China

China ist auch der zentrale Faktor in den Zoll- und Sanktionsschlachten, in dem Wirtschaftskrieg also, den die Trump-Regierung führt. Das gilt in mehrfacher Hinsicht. Schon in Trumps erster Amtszeit lag der Schwerpunkt seiner Zölle darauf, das China-Geschäft zu sabotieren. Das liegt ja auch nahe: Wenn man es auf einen großen Machtkampf mit einem Staat ankommen lassen will, wäre es ziemlich unklug, vom Handel mit ihm abhängig zu sein. Auch von den aktuellen Zöllen der zweiten Trump-Regierung wird die Volksrepublik so schwer getroffen wie wohl kein anderes Land. Die alten Zölle aus Trumps erster Amtszeit bestehen immer noch fort – Biden behielt sie bei.

Jetzt kommen weitere hinzu: erst generelle Zölle in Höhe von 20 Prozent, darüber hinaus die Stahl- und die Autozölle, die im Grundsatz für alle Staaten gelten, also auch für China; zuletzt Zölle in Höhe von zusätzlichen 34 Prozent, die Trump am 2. April verhängte. Am 7. April drohte er mit einer weiteren Aufstockung um 50 Prozent. Drei Tage später, am 10. April, teilte Trump auf seiner Plattform Truth Social mit, er hebe die Zölle auf 125 Prozent an – wegen Chinas »Mangel an Respekt gegenüber den Weltmärkten«.

Zugleich ordnete der USA-Präsident eine 90-tägige Pause für die von ihm am 2. April angekündigten Strafzölle gegen 185 Länder an. Er begründete das mit dem Wohlverhalten von etwa 75 Ländern, die nicht mit Vergeltung auf seine Zollpolitik, sondern mit der Bitte um Verhandlungen reagiert hätten. Dann wurden die gegen China verhängten Zölle der USA bis auf 145 Prozent hochgeschraubt.

Kaum jemand blickt noch durch, welche Waren nun wie hoch genau verzollt werden müssen. Spezialisten gingen bereits vor den Ankündigungen vom 7. und 10. April davon aus, es seien im Durchschnitt wohl 60 Prozent auf sämtliche Lieferungen aus China in die USA. Damit schien das schon so lange heiß diskutierte »Decoupling«, die vollständige Entkopplung der beiden größten Volkswirtschaften der Welt, auf einmal konkret möglich.

Keine Rücksicht auf Verbündete

Offiziell begründet Trump die Zölle damit, er wolle eine angebliche »Ausbeutung« der USA durch andere Länder, darunter enge Verbündete, beenden und Industrien zur Übersiedlung in die Vereinigten Staaten veranlassen. Das Bemühen um Reindustrialisierung dient mehreren Zielen zugleich. Zum einen holt es Profite ins eigene Land, zum anderen gewährt es eine gewisse Autarkie, die höchst vorteilhaft ist, wenn man einen Konflikt mit einer anderen Macht austragen will. Welche Macht das ist, das hat man inzwischen schwarz auf weiß in dem von Hegseth unterzeichneten Pentagon-Papier.

Auch das Streben nach Reindustrialisierung reicht in Trumps erste Amtszeit zurück. Biden hat es weitergeführt, wenn auch eher mit Hunderte Milliarden US-Dollar schweren Subventionsprogrammen – dem Inflation Reduction Act (IRA) und einigen anderen. Hatte Biden bei alledem noch auf das Bündnis mit der EU gesetzt und allzu offene Angriffe auf das Staatenkartell vermieden, so kennt Trump diesbezüglich keinerlei Hemmungen mehr. Es geht ihm einzig und allein darum, die Vereinigten Staaten für den Machtkampf gegen China maximal zu stärken.

Der Architekt des Handelskriegs

Man kann Letzteres verdeutlichen am Beispiel der Person, die als Architekt der aktuellen Zollpolitik gilt. Das ist – unbeschadet der Tatsache, daß Trump selbst tatsächlich schon seit Jahrzehnten von Zöllen schwärmt – der Handelsberater des Präsidenten, Peter Navarro. Trump kennt Navarro spätestens, seit er die Verfilmung von dessen 2011 publiziertem Buch »Death by China« sah und ausdrücklich lobte. Fast alle 16 Kapitel des Machwerks, das sich über mehr als 300 quälende Seiten hinzieht, beginnen mit dem Wort Tod: »Tod durch chinesisches Gift«, »Tod durch chinesischen Ramsch«, »Tod durch rote Hacker«, durch »chinesische Pogrome«, durch »China-Apologeten« und vieles mehr.

Das Buch soll, so lautet der Untertitel, »ein globaler Aufruf zum Handeln« sein. Navarro hat Trump schon in dessen erster Amtszeit als Handelsberater begleitet und sich dabei ganz besonders mit dem Wirtschaftskrieg der USA gegen die Volksrepublik befaßt – vor allem mit den Zöllen. Daran knüpft er nun an. Navarro, das nur nebenbei, ist einer von 28 Mitarbeitern der ersten Trump-Regierung, gegen die China im Januar 2021 harte Sanktionen verhängte: Sie hatten es mit aller Macht darauf angelegt, der Volksrepublik schwer zu schaden.

Dazu hatte die erste Trump-Regierung auch auf Wirtschaftssanktionen zurückgegriffen, auf Sanktionen gegen Huawei zum Beispiel. Biden hatte die Sanktionen massiv ausgeweitet, vor allem mit dem Ziel, die Volksrepublik an der Entwicklung ihrer eigenen High-Tech-Chips zu hindern. Die zweite Trump-Regierung begann schon ziemlich bald, die nächste Sanktionsschippe draufzulegen. In der letzten Märzwoche verhängte sie Sanktionen gegen 80 Unternehmen und Organisationen aus der Volksrepublik, die nun auch keinerlei US-amerikanische Technologie mehr kaufen durften. Wie so viele Sanktionen traf dies auch Chiphersteller in den USA, etwa Intel, AMD und den KI-Chip-Star Nvidia, die Umsatzverluste hinnehmen mußten. Aber da muß man eben durch, so lautet die Logik der USA-Regierung, wenn man China in die Knie zwingen oder wenigstens am weiteren Aufstieg hindern will.

Es geht ums Ganze

Chinas Führung hat ankündigt, »bis zum Ende kämpfen« zu wollen und ist offensichtlich davon überzeugt, sich durchsetzen zu können. Es geht ums Ganze. Wer den Zollkrieg gewinnt, gewinnt eine Etappe im Kampf darum, ob die westliche Dominanz dem Ende entgegengeht und China zur neuen Weltmacht wird.

In der Tat spricht für China viel dafür, die Auseinandersetzung jetzt zu führen. Die eigene Wirtschaft ist viel stärker als während der Zollscharmützel zu Trumps erster Amtszeit, die Vereinigten Staaten sind im Innern gespalten, die Volksrepublik nicht. Trumps Politik löst selbst in den eigenen Reihen Widerspruch aus. Zudem geht Washington inzwischen auch gegenüber Verbündeten zu demonstrativer Unterwerfung über. Das ist für niemanden wirklich attraktiv.

Die Suche nach Alternativen hat längst begonnen. Auch das dürfte China darin bestärken, daß die Zeit zum offenen Widerstand gegen die Dominanz der USA gekommen ist.

Jörg Kronauer

Foto Pete Hegseth Japan 30.3.2025

USA-Kriegsminister Pete Hegseth am 30. März mit Japans Premierminister Shigeru in dessen Arbeitsräumen in Tokio. (Foto: EPA-EFE/STANISLAV KOGIKU / POOL)

Foto Oval Office 13.2.2025

Der Handelsberater des Präsidenten, Peter Navarro (l.) bei der Unterzeichnung von Dekreten durch Präsident Trump (Foto: EPA-EFE/FRANCIS CHUNG / POOL)