Vor 63 Jahren
Ein Triumph in der Menschheitsgeschichte
Juri Gagarin flog die Menschheit ins Weltall
Am 12. April jährte sich zum 63. Mal eins der wohl größte Ereignisse in der Geschichte der Menschheit, als in den frühen Morgenstunden der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin die Last und Bürde auf sich nahm, um mit seinem risikoreichen, epischen Flug als erster die Erdbewohner ins Weltall zu fliegen. Der Kampfpilot der sowjetischen Luftstreitkräfte schaffte es als erster, und stellvertretend für die gesamte Menschheit, den Kosmos zu erobern. Er wurde nicht nur als Held der Sowjetunion, sondern ebenfalls als Held der Menschheit weltweit gefeiert.
Viele tausend Hände arbeiteten seit Jahrhunderten daran, um den größten Traum der Menschheit zu verwirklichen: die Erde zu verlassen und in die Weiten des Weltalls vorzustoßen. Es war ein weiter Weg bis zu Juri Gagarins Flug, der insbesondere von vier genialen Wissenschaftlern, Ingenieuren und Gelehrten vorgezeichnet und geprägt wurde und den Triumpf der sowjetischen Raumfahrt schlußendlich ermöglichte.
Ein Geschenk der Fledermäuse
Alles begann vor mehr als 1.400 Jahren in China, wo im siebten Jahrhundert nach Beginn unserer Zeitrechnung das Schwarzpulver erfunden wurde. In China kennen viele die Geschichte des Mönches Li Tian. Der neugierige Gelehrte begab sich eines Tages in riesige Höhlen nahe der Landgemeinde Dayao, in der er wirkte. Darin fand er Millionen von Fledermäusen vor, deren Ausscheidungen den Boden überschichtet hatten. Kurzerhand nahm Li Tian einige Proben der Exkremente zwecks Analyse mit in sein Labor, welche sich bald als wertvolles Geschenk der Fledermäuse entpuppen sollten.
Beim Experimentieren mischte er diesen nitrathaltigen Guano (Natursalpeter) mit Holzkohle und Schwefel und es kam irgendwie zu einer Explosion des Gemischs. Li Tian hatte damit das sogenannte Schwarzpulver erfunden.
Einst wüteten monatelang heftige Unwetter mit sintflutartigen Niederschlägen in der Hunan-Region. Die Menschen litten unter Hunger und Seuchen. Um der Misere ein Ende zu bereiten, entwickelte Li Tian aus Bambusrohren, in die er Salpeter, Holzkohle und Schwefel füllte, den ersten Böller und Feuerwerkskörper, um böse Geister und das fürchterliche Unwetter zu vertreiben. Er wird heute noch in der Gegend als Erfinder dieser ersten Rakete und des Feuerwerks verehrt.
Jahrhunderte später benutzten chinesische Soldaten die Feuerwerksraketen, um ihre Feinde zu erschrecken. Arabische Händler, brachten das Wissen um Schießpulver und Raketen schließlich nach Europa, wo die Pyrotechnik bald nicht nur Handfeuerwaffen und Kanonen befeuerte, sondern auch fester Bestandteil von Festzeremonien wurde.
Der verkannte Revolutionär
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts befaßten sich Wissenschaftler und Forscher mit jenen wundersamen, selbstfliegenden Raketengeschossen und arbeiteten am Rückstoßprinzip der Raketen. Im einstigen russischen Zarenreich tat sich ein Sprengstofftechniker besonders mit seinen revolutionären Ideen hervor.
Nikolai Iwanowitsch Kibaltschitsch wurde 1853 geboren, er war ein russischer Revolutionär, welcher wegen Verbreitung von antizaristischen Schriften nach Sibirien verbannt wurde. Als ausgebildeter Sprengstofftechniker baute er nach seiner Rückkehr die Bombe, die 1881 den damaligen Zaren tötete. Nach seiner erneuten Verhaftung wurde er zum Tode verurteilt. In den 17 Tagen bis zu seiner Hinrichtung am 3. April 1881 schrieb er ein visionäres Memorandum, in dem er den Antrieb eines Raumfahrzeugs mittels Schwarzpulverexplosionen beschrieb. Er bat die Gefängnisleitung, es dem Innenministerium zur Prüfung zu übersenden, in der Hoffnung, einen Aufschub der Exekution zu erreichen. Das Gefängnis sandte es jedoch erst ein Jahr später an das Ministerium, wo es im Archiv verschwand. Erst 1917 wurde es wiederentdeckt und 1918 in dem Magazin »Былое« (»Byloje«, Vergangenheit) veröffentlicht.
Kibaltschitsch stellte sich die rhetorische Frage: »Was für eine Kraft ist auf die Luftfahrt anwendbar? – Ich glaube, diese Kraft brennt langsam Sprengstoff.« Er skizzierte einen hohlen Metallzylinder mit einem Loch am Boden sowie einer Aufhängung, die es ermöglichen würde, ein Raumschiff durch Anpassung der Schubrichtung zu steuern. Sozusagen die Idee einer Feststoffrakete mit schwenkbaren Düsen, wie sie erst viel später (neu-)erfunden wurde.
Der Visionär, ein Onkel des Revolutionärs Victor Serge, schrieb damals: »Wenn meine Idee ... als vorbildlich anerkannt ist, werde ich mich über die Tatsache freuen, daß ich meiner Heimat einen großen Gefallen getan habe, dem Land und der Menschheit.«
Lange Zeit schenkte man dem verkannten Forscher wenig Beachtung. Heute sind der Mondkrater »Kibal'chich« und der »Mount Kibal’chich« in der Antarktis nach ihm benannt.
Der Pionier mit der »Ohrtrompete«
Im Jahre 1857 kam im russischen Zarenreich ein Knabe zur Welt, der als Raketenpionier zu den Wegbereitern der aufstrebenden Raumfahrt werden sollte. Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski ist der Begründer der modernen Kosmonautik und gilt als einer der bekanntesten Forscher auf diesem Gebiet. Seine vermutlich erste bekannte Notiz über die Erforschung des Weltraums schrieb er 1878 in seinem »Ryzan-Notizbuch« nieder.
Im Alter von zehn Jahren wurde er durch eine Scharlacherkrankung nahezu taub und mußte die Schule verlassen. Dank eines Hörgerätes, seiner berühmt gewordenen »Ohrtrompete«, konnte er sich autodidaktisch weiterbilden und studierte in Moskau Physik, Mechanik, Astronomie und Geometrie. Sein besonderes Interesse galt der Raumfahrt. Bis zu seinem Tod veröffentlichte er insgesamt 35 Bücher, Artikel und Schriften zur Raumschiffthematik. Er erkannte als erster, daß die bisher für verschiedene Zwecke verwendeten Feststoffraketen zu schwach sein würden, um den Weltraum zu erreichen. Daher schlug er die Verwendung von flüssigen Raketentreibstoffen vor.
Ziolkowski führte als Erster wissenschaftliche Studien zur Raumfahrt- und Raketentechnik durch. Gipfelpunkt seiner Arbeit war die Raketengrundgleichung, die er 1903 veröffentlichte. Die mathematische Beziehung zwischen der sich ändernden Masse einer Rakete bei der Verbrennung von Treibstoff, der Geschwindigkeit der Abgase und der Endgeschwindigkeit der Rakete ist seitdem als »Ziolkowski-Formel« bekannt und gilt als eine der Grundlagen der Raumfahrtwissenschaft.
Ziolkowski wirkte bis zu seinem Tod im Jahr 1935 in der Stadt Kaluga unweit von Moskau und schuf dort das monumentale Werk, das ihm weltweit seinen Platz als Prophet und Visionär des Weltraumzeitalters sicherte.
Einfach, aber genial gebündelt
Anfangs des vergangenen Jahrhunderts betrat in der Sowjetunion der Ingenieur Sergei Pawlowitsch Koroljow die Bühne und wurde zum wohl wichtigsten und erfolgreichsten Raketenkonstrukteur in der Geschichte der Raumfahrt.
Zu seinen größten Erfolgen gehörten die Konstruktion der ersten Interkontinentalrakete der Welt »R-7«, der Start des »Sputnik 1« am 4. Oktober 1957 und vor allem der erste Weltraumflug eines Menschen, Juri Alexejewitsch Gagarin, am 12. April 1961.
Der Weltraumenthusiast und Raketenspezialist wußte nicht nur die Ideen und Erkenntnisse der obengenannten Pioniere zu bündeln, sondern ebenfalls die der Triebwerke seiner Trägerraketen. Er hatte die geniale Idee des Bündelungsprinzips bei sowjetischen Raketen. Aus der »R-7« heraus bündelte Koroljow die Antriebsaggregate zur Trägerrakete »Wostok«, um ihre Schubkraft zu erhöhen. Dies erlaubte eine signifikante Erhöhung der Nutzlast und ermöglichte schlußendlich Gagarins Erstflug an Bord der »Wostok 1« in den Kosmos.
Unter Koroljows Leitung entwickelte das Experimental-Konstruktionsbüro »OKB-1« Raketen und Raumschiffe. Seine Ideen prägten wesentlich die sowjetische Raumfahrt. Einige seiner Entwicklungen wie die »Sojus«-Rakete und das »Sojus«-Raumschiff werden in verbesserter Form noch heute genutzt. »Je einfacher eine Konstruktion ist, desto genialer ist sie. Kompliziert bauen kann jeder« –- so das Motto des genialen Konstrukteurs.
Schlußendlich konnte Juri Gagarin mit »Pojechali« – »Los geht’s« und mit seiner »Wostok« als erster den Weltraum für die Menschheit erobern.