Ausland18. Januar 2025

»Völliger Größenwahn bei Robert Habeck und den Grünen«

Die Führung der Partei blamiert sich fortgesetzt

von Frank Schumann, Berlin

Es ist Wahlkampf in Deutschland. Im nächsten Monat, am 23. Februar, wird ein neues Parlament gewählt. Bis der neue Bundestag zusammentritt und einen Bundeskanzler gewählt hat, amtiert die jetzige Regierung. Sie besteht aus Ministern der SPD und der grünen Partei. Beide Parteien haben seit dem 6. November 2024 im Parlament keine Mehrheit mehr, nachdem der dritte Koalitionspartner – die FDP – die Regierung verlassen hat.

Der Wahlkampf ist ungewöhnlich kurz – das ist das einzig Positive. Alles andere ist wie immer: Die Parteien nominieren auf Wahlparteitagen ihre Kandidaten, formulieren Wahlprogramme und versprechen darin ihren Wählern alles Mögliche, woran sie sich nach den Wahlen nicht mehr erinnern werden. Und woran sie auch niemand mehr erinnert. Alles ist heiße Luft und nennt sich Demokratie.

Die stärkste Partei wird voraussichtlich die konservative Union (bestehend aus CDU und der bayerischen CSU), die der ersten Umfrage des neuen Jahres auf 31 Prozent kam. Das wäre doppelt so viel wie die SPD (15,5 Prozent), und Friedrich Merz als CDU-Parteichef würde den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Aber die Union braucht Koalitionspartner, um eine Regierung zu bilden.

Für eine stabile Regierungsmehrheit braucht man etwa 48 Prozent aller Parlamentssitze. CDU/CSU und SPD kämen aktuell zusammen auf 46,5 Prozent, CDU/CSU und Grüne auf 44,5 Prozent. Das reicht in beiden Fällen nicht. Zusammen mit der AfD (21,5 Prozent) käme die Union auf 52,5 Prozent. Gegenwärtig schließt die Union aber eine Koalition mit der AfD aus.

Die FDP (4 Prozent) wäre nicht mehr im Parlament vertreten, ebenso die Partei Die Linke (3 Prozent). Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wäre nach jetzigem Stand im Bundestag. Allerdings ist das alles ungewiß.

Möglicherweise würde das Mitleid der Wähler mit den Liberalen – oder eine Zweitstimmenkampagne der CDU – die FDP über die Fünfprozent-Hürde helfen. Möglicherweise gewinnt Die Linke drei Direktmandate und käme damit in den Bundestag. Und ob das BSW über die Fünfprozent-Hürde kommt, ist auch nicht sicher – die Partei verlor von Umfrage zu Umfrage immer mehr. Aber je nachdem, welche und ob eine oder alle dieser drei kleinen Parteien ins Parlament kämen, hätte das Konsequenzen für die Mehrheiten im Parlament und damit für die Regierungsbildung.

Am größten ist die Wahrscheinlichkeit, daß es eine Koalition zwischen CDU/CSU und SPD geben wird. Die Wahrscheinlichkeit, daß es für CDU/CSU und Grüne reicht, ist erheblich geringer.

Daß die Grünen noch mehr an Zustimmung verlieren werden, liegt vor allem an ihrem Führungspersonal. Außenministerin Annalena Baerbock ist eitel, jede Auslandsreise betrachtet sie als eine Modenschau und Selbstdarstellung. Und jede Dienstreise in diesen Wochen ist zugleich Wahlkampf. So nutzte sie den Umsturz in Syrien, um am 7. Januar nach Damaskus zu reisen – allerdings in Begleitung des französischen Außenministers Barrot.

Bereits vor ihrer Abreise hatte Baerbock über die von ihr genutzten Kanäle Forderungen an das neue syrische Regime verkündet. Diesen Fehler machte sie nicht zum ersten Mal: Eine Grundregel der Diplomatie lautet, Treffen nicht mit vorher erhobenen Forderungen an die Gegenseite zu belasten. Baerbock hatte sich einmal mehr als »Diplomatin« disqualifiziert und gezeigt, daß sie den Job einfach nicht beherrscht.

Und einmal mehr zeigte sie sich sogar bei der Wahl ihrer Kleidung als beratungsresistent. Wie schon bei anderen Staatsbesuchen – so etwa im vergangenen Jahr in der Volksrepublik China – trug sie eine unangemessene Bekleidung. In China war es ein legerer Hosenanzug, in Damaskus weiße Jeans. Und sie verzichtete demonstrativ auf ein Kopftuch. Insbesondere in der arabisch-islamischen Welt war das besonders deplaziert, entsprechend waren auch die Reaktionen.

Der neue Machthaber in Damaskus machte das bereits bei der Begrüßung deutlich. Er reichte dem französischen Außenminister die Hand, Baerbock jedoch verweigerte er demonstrativ den Handschlag. Es gibt diesbezüglich keine eindeutige Regel und keine dominierende, religiöse Sitte. Das heißt, die Verweigerung des Handschlags war eine unmißverständliche Demonstration: der neue Chef in Damaskus hieß die deutsche Außenministerin in Syrien nicht willkommen!

Die Bilder vom Treffen, die anschließend auf mehreren arabischen Social-Media-Kanälen verbreitet wurden, wiesen ebenfalls eine Besonderheit auf: Die deutsche Außenministerin war dort unkenntlich gemacht worden. Auch zwei weitere Frauen, offenbar Dolmetscherinnen, waren auf den Protokollbildern retuschiert worden.

Die deutschen Medien sprachen anschließend von einem »Eklat«. Aber sie vermochten, so wenig wie Baerbock selbst, nicht darüber hinwegzutäuschen, daß die deutsche Außenministerin als Diplomatin wieder einmal vor den Augen der Welt versagt hatte: falsche Erklärungen, falsche Kleidung, falscher Auftritt.

Ähnlich peinlich agiert ihr Parteifreund Robert Habeck, aktuell Wirtschaftsminister und Vizekanzler. Er wurde von den Grünen zum »Kanzlerkandidaten« gekürt und reist nun als »Bündniskanzler« durchs Land. Physisch und virtuell. So wurde sein Konterfei am Abend des 3. Januar auf das historische Siegestor in der Münchner Innenstadt projiziert. »Ein Mensch. Ein Wort« war darunter zu lesen. Die Polizei schritt ein und beendete die Wahlwerbung an dem Bauwerk. Es lag keine Genehmigung der Stadt vor.

Die Grünen hatten zuvor eine Kampagne angekündigt, bei der sie Habeck in verschiedenen deutschen Großstädten mit dem Schlagwort »Bündniskanzler« an Fassaden projizieren. Man will offenbar ein Bündnis mit anderen eingehen, die dann gemeinsam Habeck zum Kanzler wählen. Wer in diesem »Bündnis« sein wird, wissen vermutlich nicht einmal die Grünen selbst.

Die CSU reagierte empört auf diese Wahlkampfaktion. Ihr Generalsekretär erklärte: »Völliger Größenwahn bei Robert Habeck und den Grünen: illegal ein Kulturdenkmal für selbstverliebte politische Botschaften nutzen ist eine neue Dimension grüner Arroganz.«

Und nicht nur in Bayern wurde diese Wahlkampf-Aktion der Grünen sehr kritisch beurteilt. Wie schon ein anderer Vorstoß von Habeck am 3. Januar. Die USA wollen ihre NATO-Partner dazu drängen, mindestens 2 Prozent ihres Bruttoinlandprodukts (BIP) in die Rüstung zu stecken. Deutschland hatte im vergangenen Jahr erstmals so viel – nämlich 90,6 Milliarden Euro – für seine »Verteidigung« ausgegeben, darin eingeschlossen die Waffen- und Munitionslieferungen in die Ukraine.

Am 3. Januar forderte nun Habeck eine Steigerung des Militärretats auf 3,5 Prozent und sorgte damit für helles Entsetzen sowohl beim Koalitionspartner SPD als auch in der deutschen Öffentlichkeit. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte dem Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«: »Ich wundere mich immer wieder, wie man glauben kann, eine eher willkürlich gegriffene Zahl würde Deutschland automatisch mehr Sicherheit verschaffen.« Und Bundeskanzler Scholz nannte den Vorschlag seines Vizekanzlers »unausgegoren« und fragte, woher Habeck das Geld nehmen wolle. Darauf reagierte Habeck verärgert: »Die Bundeswehr wurde unter der Großen Koalition heruntergewirtschaftet, immer nach dem Motto, macht ja nichts.«

Das ging direkt gegen den amtierenden Kanzler Olaf Scholz, seinen aktuellen Koalitionspartner. Denn der SPD-Politiker war von 2018 bis 2021 in der Regierung von Angela Merkel (CDU) Vizekanzler und Finanzminister.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, erklärte zur Forderung von Habeck: »Die Zahl von 3,5 Prozent halte ich für aus der Luft gegriffen, ihr fehlt eine sachliche Herleitung.« Und er warf Habeck – wie viele andere auch – ein taktisches Wahlkampfmanöver vor.

Das sehen viele Wähler in Deutschland ebenfalls so. Zumal sich damit der Verdacht einmal mehr bestätigte, daß der Grüne Habeck in vorauseilendem Gehorsam USA-Politik betreibe – wie schon beim teuren Fracking-Gas aus den USA. Am 7. Januar, also nur vier Tage später, forderte der designierte USA-Präsident Trump von seinen NATO-Verbündeten, 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für »Verteidigung« auszugeben. Während seiner ersten Amtszeit (2017 bis 2021) hatte Trump mit einem Austritt der USA aus dem Militärbündnis gedroht, falls die inzwischen 32 Partnerländer nicht ihre Verpflichtung erfüllen, mindestens 2 Prozent des BIP für das Militär zu investieren.

Der Spitzenkandidat der Grünen hat mit seiner Forderung einmal mehr unterstrichen, was für ein treuer Vasall der USA die Grünen sind. Das wird in Deutschland angesichts der erwarteten imperialistischen Außenpolitik der USA unter Trump immer weniger goutiert.