Ausland27. Januar 2023

Berliner Kriegsgegner verurteilt

Friedensaktivist soll wegen Gedenkrede am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin Geldstrafe zahlen

von Rüdiger Göbel

Entsetzen bei der Berliner Friedenskoordination, wenn auch keine Überraschung: Während Protestaktionen vor dem Kanzleramt für die Lieferung von »Leopard«-Kampfpanzern in die Ukraine beste Sendezeit bekommen, werden Kriegsgegner kriminalisiert. In den vergangenen Tagen hat die Justiz im »rot-grün-rot« regierten Berlin den Friedensaktivisten Heiner Bücker, Betreiber des »Coop Anti- War Cafés«, zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 2.000 Euro verurteilt, ersatzweise 40 Tage Haft, plus Übernahme der Verfahrenskosten. Der Vorwurf lautet auf »Belohnung und Billigung von Straftaten« nach Paragraph 140 Strafgesetzbuch.

Die hauptstädtische Staatsanwaltschaft und Richter Pollmann am Amtsgericht Tiergarten sehen den »öffentlichen Frieden« gestört durch eine Rede, die Heiner Bücker bei einer Kundgebung anläßlich des 81. Jahrestages des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 2022 am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin gehalten hat. In der rund 15 Minuten langen, ruhig vorgetragenen Rede zeigte Heiner Bücker, Mitglied in der Kommunistischen Plattform der Partei Die Linke sowie in der antifaschistischen Organisation VVN-BdA, die historische Entwicklung zum Krieg in der Ukraine auf. Er schilderte die Folgen des verbrecherischen Vernichtungskrieges von Hitler-Deutschland für die Sowjetunion mit 27 Millionen Toten sowie das Ausmaß der damaligen Kollaboration ukrainischer Faschisten mit den deutschen Besatzern, denen heute allerorten Denkmäler errichtet werden.

Heiner Bücker erklärte sein völliges Unverständnis darüber, daß die deutsche Bundesregierung den Krieg mit Waffenlieferungen an die Ukraine und Sanktionen gegen Rußland weiter eskaliert. Er forderte: »Nie wieder dürfen wir als Deutsche an einem Krieg gegen Rußland in irgendeiner Form beteiligt sein. Wir müssen uns zusammenschließen und uns diesem Irrsinn gemeinsam entgegenstellen.«

Das Amtsgericht Berlin wirft Heiner Bücker vor, mit seiner Rede »dem völkerrechtswidrigen Überfalls Rußland (sic!) auf die Ukraine, um dessen Rechtswidrigkeit Sie wußten«, zugestimmt und damit das in Paragraph 138 Absatz 1 Nummer 5 angeführte »Verbrechen der Aggression (Paragraph 13 des Völkerstrafgesetzbuches)« gebilligt zu haben, »in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören«.

Weiter heißt es in dem Strafbefehl wörtlich: »Ihre Rede hat – wie Sie jedenfalls billigend in Kauf nahmen – angesichts der erheblichen Konsequenzen, die der Krieg auch für Deutschland nach sich zieht, der Drohungen seitens der russischen Staatsführung konkret gegenüber Deutschland als NATO-Mitglied für den Fall der Unterstützung der Ukraine und nicht zuletzt angesichts der Präsenz Hunderttausender Menschen aus der Ukraine, die in Deutschland Zuflucht gefunden haben, das Potential, das Vertrauen in die Rechtssicherheit zu erschüttern und das psychische Klima in der Bevölkerung aufzuhetzen.«

Die Friedenskoordination Berlin warnt, die Verfolgung Heiner Bückers ziele darauf ab, »die politische Debatte immer weiter einzuengen und per Strafgesetz eine Kritik an der herrschenden Politik und den Medien unmöglich zu machen«. Setze sich die Hauptstadtjustiz mit ihrem Vorgehen durch, bedeute dies für die Friedensbewegung in letzter Konsequenz, »daß sie mundtot gemacht werden kann, wenn sie sich weiterhin gegen den Kriegskurs der deutschen Politik und für eine Deeskalation und für Verhandlungen ausspricht«.

Heiner Bücker und sein Verteidiger haben Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt.