Leitartikel20. April 2021

Das Gegenteil von Entspannung

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Fast die ganze Welt ächzt unter der Gesundheitskrise. Kaputtgesparte Gesundheitssysteme in den Ländern, in denen kapitalistische Profitsucht den Ton und die Politik bestimmt, machen alltägliche Probleme offensichtlicher als je zuvor. Die eklatante Unfähigkeit, mit den Auswirkungen der Viruspandemie fertig zu werden, müßte für Politiker in Regierungsverantwortung genügend Anlaß sein, sich mit wirklich wichtigen Themen zu beschäftigen. Schleimige Gedenkreden von staatlichen Repräsentanten schaffen keine Abhilfe, wenn nicht gleichzeitig Taten folgen.

Der Möglichkeiten, die aktuelle Gesundheitskrise zu bewältigen, gibt es viele. Da wäre zunächst ein Stopp des Abbaus von Gesundheitseinrichtungen, die nicht profitabel für ihre Besitzer sind. Oder die zügige Orientierung auf die Ausbildung von Medizinern und Pflegekräften, sowie die faire Bewertung ihrer Tätigkeit durch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Oder die Konzentration aller zur Verfügung stehenden Kapazitäten für die Entwicklung und die Herstellung wirkungsvoller Medikamente. Dazu die Aufhebung von Produktionsbeschränkungen in Form von Patenten, um zu erreichen, daß auch die vielen Länder mit geringeren finanziellen Ressourcen die notwendige Menge an Impfstoffen bekommen können. Und die Anerkennung der Tatsache, daß auch außerhalb der EU und der USA Vakzine produziert werden.

Was wir täglich beobachten, ist das genaue Gegenteil. Konstruktive Schritte in Richtung einer Lösung sind kaum zu erkennen. Stattdessen liefern sich Politiker öffentliche Kleinkriege um die Besetzung von Regierungsposten oder gar das unwürdige Schauspiel um die Frage, ob ein Herr L. oder ein Herr S. besser auf den vakant werdenden Sessel der Bundeskanzlerin passen würde.

Noch schlimmer wird es, wenn dieselben Politiker, die sich mehrfach als unfähig erwiesen haben, die Probleme um Gesundheitswesen auch nur annähernd zu lösen, jetzt zur Ablenkung wieder einmal zum Säbelrasseln übergehen. Statt mit Ländern wie Rußland und China oder auch Kuba in einen Informations- und Erfahrungsaustausch zu treten, nämlich darüber, wie man das Virus tatsächlich effektiv bekämpfen könnte, oder darüber, wie man möglicherweise gemeinsam an wirkungsvollen Impfstoffen arbeiten könnte, also eine Zusammenarbeit anzustreben, wird die Konfrontation verschärft.

Da werden haarsträubende Behauptungen aus Mottenkisten hervorgeholt, um dem Gegner möglichst großen Schaden zuzufügen. Eine nicht beweisbare Einmischung in die ohnehin undurchsichtige Wahl des Präsidenten der USA und angeblich vom Kreml orchestrierte Hackerangriffe dienen dem neuen Chef im Weißen Haus dazu, Sanktionen zu verkünden, um sich damit als »starker Präsident« präsentieren zu können. Eine von Ärzten, die laut Medienberichten ihren Patienten angeblich nicht sehen dürfen, festgestellte Herzschwäche des rechtsnationalistischen Bloggers Nawalny reicht aus für die Androhung weiterer Strafen. Tschechiens angesichts einer akuten Regierungskrise angeschlagener Regierungschef nimmt eine Explosion in einem Waffendepot vom Oktober 2014 zur Begründung für die Ausweisung von 18 russischen Diplomaten. NATO und EU fordern von Rußland, Truppen – von russischem Territorium – abzuziehen und lassen gleichzeitig Truppen in Richtung russische Grenze marschieren.

All das bedeutet Konfrontation, das Gegenteil von Entspannung. Das Gegenteil von Frieden bedeutet übrigens Krieg…