Ausland26. Mai 2010

Auf Konfrontation

Koreanische Halbinsel: Wegen des »Cheonan-Vorfalls« steht Pjöngjang mal wieder am Pranger. USA rüsten Südkorea weiter auf

Südkoreas Regierung sieht es seit dem 20. Mai als erwiesen an, daß ein nordkoreanischer Torpedo-Angriff am 26. März das südkoreanische Patrouillenschiff »Cheonan« versenkt und 46 Soldaten getötet hat. Der südkoreanische Präsident Lee Myung-Bak kündigte am Montag an, den Zwischenfall vor den UNO-Sicherheitsrat zu bringen. Zudem werde die innerkoreanische Zusammenarbeit weitgehend eingestellt und nordkoreanischen Schiffen die Fahrt durch südkoreanische Hoheitsgewässer verboten. Außenminister Yu Myung-Hwan sagte, wochenlange Untersuchungen eines internationalen Ermittlerteams hätten »offensichtlich« ergeben, daß Nordkorea die Schuld an dem Untergang trage.

Die USA nutzten den Bericht umgehend, um ihrem engen Verbündeten in Seoul ihre volle Solidarität auszudrücken. Die USA stünden unmißverständlich zur Verteidigung Südkoreas, erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, in der Nacht zu Montag. »Wir werden auf dem bereits starken Fundament exzellenter Kooperation unserer Militärs aufbauen und weitere Verbesserungen prüfen«, hieß es weiter. Präsident Barack Obama habe eine »engere militärische Zusammenarbeit« mit Seoul angeordnet.

Außenministerin Hillary Clinton, die derzeit die Region bereist, wird nach Besuchen in Tokio und Peking in dieser Woche auch zu Unterredungen mit Lee in Seoul erwartet. In der chinesischen Hauptstadt sagte sie am Montag, daß Washington die Lage auf der koreanischen Halbinsel als »sehr gefährlich« einschätzt. Schärfere Sanktionen seitens Washingtons sind allerdings kaum zu erwarten – mit Rücksicht auf China. Dessen Diplomaten mahnten am Wochenende zur Mäßigung, weil sonst die unter der Schirmherrschaft der Volksrepublik laufenden Sechsergespräche in Peking – an ihnen nehmen außerdem die beiden Korea, die USA, Rußland und Japan teil – torpediert würden.

Die USA, die gegenüber China mit umgerechnet etwa zwei Billionen US-Dollar in der Kreide stehen, sind zudem auf Pekings Unterstützung im Atomstreit mit Iran angewiesen. Wegen Nordkorea würde Washington einen solchen Deal mit China kaum aufs Spiel setzen. Wie eng schließlich die chinesisch-nordkoreanischen Beziehungen sind, unterstrich der vom 3. bis 7. Mai auf Einladung der chinesischen Führung erfolgte Staatsbesuch Kim Jong-Ils in der Volksrepublik. Dort konferierte er unter anderem mit Staatspräsident Hu Jintao und Ministerpräsident Wen Jiabao über die Lage in Nordostasien.

Unterdessen wies die nordkoreanische Volksrepublik die Vorwürfe des Ermittlerteams in Sachen »Cheonan« zurück. Die staatliche Nachrichtenagentur KCNA und ein Sprecher der Nationalen Verteidigungskommission, des mächtigsten politischen Gremiums des Landes, sprachen von einem »fingierten« Untersuchungsbericht. Gleichzeitig bot Pjöngjang an, ein eigenes Ermittlungsteam in den Süden zu entsenden. Sollte Seoul weiter auf seiner Version beharren und mit Vergeltung drohen, erwäge man »harte Maßnahmen bis hin zum Krieg«.

Den Koreakrieg beendete am 27. Juli 1953 das im Grenzort Panmunjom unterzeichnete Waffenstillstandsabkommen. Seitdem befinden sich Süd- und Nordkorea völkerrechtlich noch im Kriegszustand. Sämtliche bisherigen Bemühungen, das Abkommen in einen Friedensvertrag zu überführen, sind gescheitert. Eine Annäherung zwischen den verfeindeten Brüdern auf der koreanischen Halbinsel erfolgte bislang in bizarrem Zick-Zack-Kurs. Vor zehn Jahren, Mitte Juni 2000, schien mit der Nord-Süd-Erklärung erstmalig eine Perspektive eröffnet worden zu sein, das beiderseitige Verhältnis dauerhaft zu entkrampfen. In Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang verpflichteten sich seinerzeit die Staatschefs beider Länder, Kim Dae-Jung und Kim Jong-Il, zur engen Kooperation auf politischem, wirtschaftlichem und militärischem Gebiet. Ganz im Geiste der von Kim Dae-Jung damals propagierten »Sonnenscheinpolitik« des Südens vis-à-vis dem Norden.

Dann waren es außen- wie innenpolitische Faktoren, die Pjöngjang zum Umdenken bewegten. Nach der Irak-Invasion im Frühjahr 2003 fürchtete die nordkoreanische Regierung nichts so sehr wie einen von der Bush-Administration avisierten »Regimewechsel«. Schließlich galt Nordkorea neben dem Irak und Iran als ausgemachter Teil einer »Achse des Bösen«. Mit Raketentests und dem Hochfahren seines Atomprogramms wollte Nordkorea erzwingen, wenn schon nicht als international geachteter Freund, so wenigstens als geächteter Feind auf Augenhöhe ernst genommen zu werden. Als ein Jahrzehnt »Sonnenscheinpolitik« mit dem Amtsantritt des neuen südkoreanischen Präsidenten Lee (Spitzname: »der Bulldozer«) im Februar 2008 abrupt endete, schaltete man in Seoul und Pjöngjang wieder auf stur.

Rainer Werning