Auguren verbreiten Konjunkturoptimismus
Je nach Pandemieentwicklung rechnet der Statec 2021 mit einem BIP-Wachstum von 4,8 bis 7,7 Prozent – und einer Arbeitslosenquote von 6,3 bis 6,5 Prozent
Im alten Rom sollten Auguren aus dem Flug und dem Geschrei der Vögel und anderer Tiere ergründen, ob ein vom Staat oder einem freien und finanzstarken Bürger geplantes Unternehmen den Göttern genehm sei. Der Statec greift bei seinen regelmäßigen Einschätzungen zur konjunkturellen Entwicklung in Luxemburg und dem Rest EU-Europas zwar nicht auf solche Vogelschauen zurück, jedoch haben die Prognosen der amtlichen Statistiker schon in ruhigeren Zeiten stets etwas von Hellseherei.
Als Statec-Direktor Serge Allegrezza, Bastien Larue und Tom Haas am Dienstag die erste Konjunkturnote des Jahres mit ausreichend Coronaabstand in der Handelskammer auf dem Kirchberg präsentierten, war dementsprechend von großen Unsicherheiten die Rede. Ausschlaggebend sei vor allem die weitere Pandemieentwicklung, sagte Allegrezza. Noch sei unklar, wie es mit der Impfkampagne vorangehe, wie es mit der Impfbereitschaft sei und mit der Ausbreitung der ansteckenderen Virusvarianten weitergehe, wie lange der Impfschutz anhalte, wie es mit der staatlichen Unterstützung für Betriebe weitergehe, usw. Deshalb habe man für die »Note de conjoncture 1-21« drei Szenarien erstellt: ein optimistisches, ein pessimistisches und ein mittleres.
Beim optimistischen Szenario sei im laufenden Jahr mit einer Zunahme der Jahreswirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt, BIP) um satte 7,7 Prozent und im nächsten Jahr um weitere 4,5 Prozent zu rechnen, sagen die amtlichen Statistiker voraus. Beim mittleren Szenario sinken diese beiden Prognosen auf 6,0 und 3,5 Prozent, beim pessimistischen auf immerhin noch 4,8 Prozent BIP-Wachstum in diesem und 2,4 Prozent im nächsten Jahr. Damit werde das Niveau vor der Coronakrise in Luxemburg mehr oder weniger wieder erreicht, während die gesamte Eurozone – mit einem vom Statec vorhergesagten BIP-Wachstum von rund vier Prozent in diesem und im nächsten Jahr – wohl noch länger unter dem Vorkrisenniveau bleibe.
Entwarnung gab es auch bei der Staatsverschuldung. Im vergangenen Jahr seien die Einnahmen des Staates in Luxemburg nur um rund ein Prozent gesunken, während es in der Eurozone um durchschnittlich vier Prozent nach unten ging. Für das laufende Jahr erwartet der Statec um gut sieben Prozent steigende Staatseinnahmen in Luxemburg und infolgedessen einen Rückgang des Staatsdefizits von 4,1 Prozent im vergangenen auf nur noch 0,7 Prozent in diesem Jahr.
Obwohl die Zunahme der Beschäftigung selbst im pessimistischen Szenario bei ungefähr zwei Prozent pro Jahr liegt, wird in diesem und im nächsten Jahr eine Arbeitslosenquote von über sechs Prozent vorhergesagt: Im optimistischen Szenario liegt die Arbeitslosenrate 2021 bei 6,3 und 2022 bei 5,7 Prozent, im mittleren bei 6,6 und 6,3 Prozent und im pessimistischen Szenario bei 6,5 Prozent in diesem und einer Arbeitslosenquote von sogar 6,7 Prozent im nächsten Jahr.
Wegen steigender Rohstoff- und insbesondere steigender Ölpreise, dem erwarteten »nachholenden Konsum« sowie der staatlichen Krisenhilfen rechnet der Statec in diesem Jahr mit einem kurzfristigen Anstieg der Inflation auf rund zwei Prozent. Für das kommende Jahr wird dann eine Teuerungsrate von 1,6 Prozent erwartet. Voraussetzung sei, daß sich die Ölpreise wieder fangen.
Zur Entwicklung der (aus Sicht des Patronats) Lohnkosten hieß es, diese seien im ersten Coronajahr um durchschnittlich 0,7 Prozent gesunken. Zurückzuführen sei das auf den großflächigen Rückgriff auf Kurzarbeit im vergangenen Jahr, die für jenseits des gesetzlichen Mindestlohns Schaffende mit einer Lohnkürzung um 20 Prozent einhergeht. Im laufenden Jahr rechnen die Statistiker mit einem durchschnittlichen Lohnplus von zwei Prozent und 2022, wenn »noch vor Jahresende« damit zu rechnen sei, daß eine Indextranche erfällt, mit einem Lohnplus von vier Prozent.