Grenzenlose Ausbeutung
Oxfam-Bericht: Supermarktriesen profitieren von katastrophalen Arbeitsbedingungen bei Zulieferern
An den Supermarktkassen tobt ein Preiskrieg. Dieser ist vor allem für die Arbeiterinnen und Arbeiter der Zulieferer erbarmungslos. Von einer Flasche Wein aus Südafrika, die im Supermarkt für drei Euro zu haben ist, erhält die Farmarbeiterin am Ende der Lieferkette nur zirka drei Cent. Wie die Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam in ihrer Anfang des Monats in Berlin vorgestellten Studie mit dem treffenden Titel »Grenzenlose Ausbeutung« feststellt, profitieren Supermärkte von Hungerlöhnen und katastrophalen Arbeitsbedingungen auf den Ananas- und Traubenplantagen in Costa Rica und Südafrika.
Für die Studie hat Oxfam die Lieferketten von Wein und Ananas von den Regalen aller großen, deutschen Supermarktketten bis zu konkreten Farmen zurückverfolgt. Bei Zulieferern aller großen deutschen Supermärkte konnte die Hilfsorganisation dabei Menschenrechtsverletzungen und verschärfte Ausbeutung nachweisen. »Was eine Plantagenarbeiterin in Costa Rica in einem Jahr verdient, streicht Lidl- und Kaufland-Eigentümer Dieter Schwarz in sechs Sekunden ein«, erklärte Steffen Vogel, Oxfam-Experte für globale Lieferketten und Koautor der Studi.
Oxfams Partnerorganisationen »Arca« in Costa Rica und »Women on Farms Project« (WOFP) in Südafrika führten im Frühjahr und Sommer 2021 Interviews mit insgesamt 130 Arbeiterinnen und Arbeitern, davon 25 in Costa Rica und 105 in Südafrika. Vor Ort sprachen sie auch mit Gewerkschaften und Branchenexperten. Laut der Hilfsorganisation stammen 75 Prozent der in Deutschland verkauften Ananas aus Costa Rica. Südafrika ist für die Bundesrepublik der wichtigste Weinexporteur außerhalb der EU.
Die Löhne der Arbeiterinnen und Arbeiter sind extrem niedrig. In Südafrika verdient knapp die Hälfte der in der Studie Befragten weniger als den festgeschriebenen Mindestlohn von 194 Euro im Monat. Auf einer Plantage im mittelamerikanischen Costa Rica erhielten die Landarbeiter nur 4,50 Euro am Tag. In beiden Ländern sei Akkordarbeit mit mehr als zwölf Stunden an der Tagesordnung, beschreibt Oxfam. Sie kämen außerdem mit giftigen Pestiziden in Kontakt, hätten während der Arbeit keinen Zugang zu Trinkwasser und Toiletten. Schlimmer noch: »Arbeiterinnen im südafrikanischen Traubenanbau berichten, daß sie zu sexuellen Handlungen genötigt werden, um eine Arbeitsstelle zu bekommen«, heißt es in der Studie.
Wer sich in Costa Rica gegen die Mißstände wehrt, zum Beispiel als Mitglied einer Gewerkschaft, bekommt es mit den Plantagenbesitzern zu tun. Auf Ländereien, die Rewe und Lidl mit Ananas beliefern, würden nicht nur Gewerkschafter unrechtmäßig entlassen. Zur Familie eines Gewerkschaftsmitglieds zu gehören reiche häufig für eine Kündigung aus. Arbeitskräfte aus dem Ausland hätten noch mehr unter den Arbeitsbedingungen zu leiden als Einheimische: Weil sie immer mit der Ausweisung rechnen müßten, sind sie den Ausbeutern auf Gedeih und Verderben ausgeliefert. Oxfam weist darauf hin, daß Rewe seinen Zulieferer ausdrücklich als »nachhaltig und sozial« bewirbt.
Die Zustände auf den Plantagen werden von den Konzernen offenbar nicht nur toleriert. Sie seien statt dessen sogar erheblich mitverantwortlich, weil sie »massiven Druck auf Produzenten ausüben, besonders billig zu produzieren«, erklärt Oxfam. 85 Prozent des deutschen Marktes werden von den vier großen Supermarktketten beherrscht: Rewe mit Penny, Aldi Süd und Nord, Edeka mit Netto sowie die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören. Mit dieser Marktmacht übten die Supermärkte Druck auf Lieferanten und Produzenten aus, sagte Tim Zahn, Oxfam-Experte für Wirtschaft und Menschenrechte. »Nur wer im Einkauf billig ist, kommt ins Supermarktregal.«