Leitartikel03. September 2021

Frieden läßt sich nicht herbeibomben

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Ein Jahr nachdem Militärs den ebenso unfähigen wie korrupten malischen Staatspräsidenten Ibrahim Boubacar Keïta nach wochenlangen Massenprotesten und Streiks schließlich abgesetzt haben, wurden Ende August ein Unteroffizier, ein Caporal und 13 freiwillige Soldaten aus Luxemburg für rund vier Monate in das westafrikanische Land geschickt. Im südwestlichen Koulikoro sollen sie bei der Ausbildung der malischen Streitkräfte helfen. Das alles geschieht im Rahmen des vor mittlerweile mehr als acht Jahren begonnenen und vor allem von deutschen Einheiten getragenen sowie seit Juli auch von einem deutschen Brigadegeneral befehligten »Ausbildungseinsatzes« der EU (EUTM).

Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, die zusätzlich zur EUTM und zur UNO-Blauhelm-Mission MINUSMA weitere 4.500 Soldaten unter eigenem Kommando im Sahel hat, die USA und Deutschland hatten den Massenprotesten und Streiks unter anderem in den malischen Goldminen achselzuckend zugeschaut, reagierten aber entsetzt auf die erzwungene Abdankung ihres Favoriten »IBK«. Entsprechend erleichtert war man, als der nicht zufällig in den USA, Frankreich und Deutschland militärisch ausgebildete Putschist Oberst Assimi Goïta versicherte, die ausländischen Soldaten seien weiterhin im »Antiterrorkampf« willkommen.

Da stört es den neokolonialen Westen auch nicht, daß Mali wegen der im Mai dieses Jahres nach einem weiteren Putsch gegen die Putschisten erfolgten Ernennung Goïtas zum die Regierungsgeschäfte führenden »Interimspräsidenten« umgehend sowohl aus der Afrikanischen Union als auch aus der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS ausgeschlossen wurde.

Frankreich, den USA und seit einigen Jahren auch Deutschland geht es im südlichen Sahel nicht nur um die Bekämpfung tatsächlicher oder vermeintlicher islamistischer Terroristen, sondern auch um die Abwehr von Menschen, die es schaffen könnten, über das Mittelmeer bis nach EU-Europa zu gelangen. Und insbesondere dem Atomstromland Frankreich geht es auch um die vom staatlichen Atomkonzern Areva ausgebeuteten Uranminen rund um den Norden Malis.

Doch abgesehen von der Ressourcensicherung für die heimischen Konzerne haben die westlichen Interventen nichts erreicht. Die Sicherheitslage im Sahel wird von Jahr zu Jahr schlimmer, die zum Großteil dschihadistisch geprägten Aufstände weiten sich immer mehr aus, vom Norden auf das Zentrum Malis, aber auch auf die Nachbarstaaten Niger und Burkina Faso.

Frankreich hat bereits angekündigt, möglichst viele seiner Soldaten so bald wie möglich abzuziehen, im Juli wurde eine deutsche Einheit von einem schweren nächtlichen Sprengstoffanschlag getroffen und die Proteste gegen die Anwesenheit ausländischer Truppen in Mali nehmen beständig zu.

Bleibt zu hoffen, daß man in Paris, Washington und Berlin nach dem begrüßenswerten Truppenabzug aus Afghanistan nicht wieder zwei Jahrzehnte benötigt, um sich die eigene militärische Niederlage einzugestehen. Denn der Krieg der USA am Hindukusch, an dem sich Luxemburg bis Mai dieses Jahres 18 Jahre lang mit insgesamt 333 Soldaten beteiligte, hat nichts gebracht – bis auf 200.000 getötete afghanische Zivilisten. Es wäre aber auch möglich, daß die luxemburgische Regierung die luxemburgischen Soldaten aus Mali heimholt, ohne bei den großen Brüdern auf die Einsicht zu warten, daß Stabilität und Sicherheit – und schon gar nicht Frieden! – sich nicht herbeibomben lassen.