Kaleidoskop26. August 2023

Weltmeere so warm wie nie

von dpa/ZLV

Die Oberflächentemperatur der Weltmeere hat neue Rekordwerte erreicht. Im globalen Mittel liegt sie nach vorläufigen Daten der US-amerikanischen Plattform »Climate Reanalyzer« nun schon seit rund zwei Wochen bei 21,1 Grad – ein Wert, der in den vier Jahrzehnten Aufzeichnung bis 2022 niemals erreicht wurde. Die Temperatur liegt damit anhaltend weit über den üblichen Werten für den Monat August.

Außerordentlich warm sind die Ozeane nun schon seit fast einem halben Jahr, seit März weist die Oberfläche der Meere global Rekordtemperaturen für den jeweiligen Monat auf. Anfang April hatten die Temperaturen schon einmal mehrere Tage bei 21,1 Grad und damit so hoch wie nie seit Beginn der Auswertung gelegen. Davor war ein Rekord von 21 Grad im März 2016 und abermals Ende März 2023 erfaßt worden.

Als Hauptgrund für den Anstieg gelten die menschengemachten Treibhausgase. Über 90 Prozent der durch sie entstehenden Wärme wird Experten zufolge von den Ozeanen aufgenommen. So gering sich Veränderungen um Zehntelgrad anhören mögen: Dahinter steckt die Erwärmung unfaßbar großer Wassermassen, erklärte Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Ein Liter Wasser könne dreitausend Mal mehr Wärme aufnehmen als ein Liter Luft.

Im Jahresverlauf zeigen sich bei der globalen Ozeantemperatur zwei Gipfel: einer im März zum auslaufenden Südsommer und einer im August, wenn der Sommer im Norden sich dem Ende zuneigt. »Der Süden hat viel mehr Ozean, darum dominiert sein Sommereffekt üblicherweise«, erklärte Levermann.

Daß es diesmal im August so hohe Werte gibt, liegt demnach an der seit Monaten beispiellosen Hitze im Nordatlantik. Am 1. August zum Beispiel sei das Wasser dort im Mittel der vergangenen Jahrzehnte 23,6 Grad warm gewesen – am 1. August 2023 aber 25,0 Grad, also fast eineinhalb Grad mehr. »Das ist wuchtig.« Das Klimaphänomen El Niño spiele dabei derzeit noch keine große direkte Rolle. »Das baut sich gerade erst auf.«

Levermann hat eine Theorie entwickelt, was – neben weiteren Faktoren wie den Hitzewellen in der Atmosphäre – die hohen Nordatlantik-Temperaturen der letzten Monate verursacht haben könnte. Durch die globale Erwärmung schwächt sich seit Jahrzehnten das Golfstrom-System ab. Eigentlich sei hierdurch eher eine Abkühlung im Nordatlantik zu erwarten. Doch womöglich komme es zu einem Wärmestau, weil eines der beiden zusammenwirkenden Fließbänder versagt, die von der Ostküste der USA hinaus in den Nordatlantik strömendes warmes Wasser weiter nördlich in die Tiefe bringen.

Das erste Band funktioniere noch, wenn auch abgeschwächt, das zweite aber könnte dabei sein auszufallen, erläutert der Klimaforscher zu seiner Theorie. »Es könnte sein, daß die Wärme nur noch durch das südliche Band bis südlich von Island transportiert wird. Wenn die Tiefenwasserbildung im hohen Norden stark abgeschwächt ist, dann wird die Wärme nicht mehr weitergetragen und staut sich vor der spanischen und französischen Küste, wie wir es derzeit erleben. Das ist zumindest eine Möglichkeit«, sagt Levermann.

Für die Ökosysteme im Meer sei die Entwicklung fatal. »Sie sind Stabilität gewohnt, viel mehr noch als Lebensräume an Land.« Entsprechend empfindlich reagierten viele von ihnen, sagt der Forscher. Folgen habe das wiederum für die Fischerei. »Es gibt unzählige Nahrungsketten und -netzwerke, die wir damit durcheinanderbringen.«