Ausland21. September 2023

Weiterhin hohe Inflation

EZB hebt zum zehnten Mal in Folge Leitzins

von Klaus Fischer, Berlin

Die Inflation im Euro-Raum bleibt hartnäckig. Im August schwächte sie sich laut Eurostat nicht deutlich ab und wurde lediglich mit 5,2 statt bisher 5,3 Prozent registriert. Zuviel, sagt die Europäische Zentralbank (EZB) und hob den Leitzins für den Euro-Raum um 0,25 Basispunkte an. Mit dem zehnten Schritt seit Juli 2022 liegt er jetzt bei 4,5 Prozent. Zu diesem Zinssatz können sich Geschäftsbanken Geld von der EZB leihen. Ihre Einlagen bei der Zentralbank werden jetzt mit 4,0 Prozent verzinst – ein Satz, von dem Sparer im Währungsraum nur träumen können.

Die EZB hat mit ihrer langjährigen Nullzinspolitik maßgeblich zum Inflationsstau beigetragen. Der extremen Ausweitung der Geldmenge standen Anfang 2022 immer weniger Waren und Dienstleistungen gegenüber, währenddessen der Konsum stieg. Letzterer trägt zwar zum Bruttoinlandsprodukt bei, verteuert aber ersteres, wenn er exzessiv wird. Nun stemmen sich die Zentralbanker mit der Erhöhung des Leitzinses auf das Niveau vor Ausbruch der Wirtschaftskrise 2008 gegen die Teuerungswelle.

Diese Teuerung war nach Verhängung der Wirtschaftssanktionen gegen Rußland im Frühjahr 2022 mit Wucht über die Staaten des Westens gerollt. Die »Strafmaßnahmen« gegen einen der weltgrößten Lieferanten von Roh- und Brennstoffen führte über Nacht zu einer extrem gestiegenen Nachfrage – und schadeten vor allem den auf diese Ressourcen angewiesenen EU-Mitgliedern.

Seitdem verkündet die EZB, der Kampf gegen die Inflation stünde ganz oben auf der Agenda. Es ist eine Gratwanderung, sowohl ökonomisch als auch sozial. Steigende Zinsen sind nicht nur Gift für die Spekulanten an den Finanzmärkten. Für jedes Wirtschaftsunternehmen, dessen Profitabilität auf Investitionen angewiesen ist, steigen allein deshalb die Kosten, weil notwendige Kredite teurer werden. Hinzu kommen vor allem gestiegene Preise für fossile Energieträger – die sich von Zinserhöhungen unbeeindruckt zeigen.

Für den Großteil der Bevölkerung ist Inflation Gift. Die Ersparnisse – falls vorhanden – werden durch Entwertung und/oder durch notwendige Mehrausgaben für den Lebensunterhalt aufgezehrt. Zinserhöhungen gleichen diesen Effekt in der Regel nicht aus, sondern verringern allenfalls den Kaufkraftverlust. Vor allem die Geschäftsbanken denken bislang nicht daran, die durch die Zinserhöhungen ansteigenden Gewinne mit ihren Kunden zu teilen.

Besonders hart treffen sowohl Zinserhöhung als auch Inflation derzeit die Baubranche. Eigenheime werden wegen der gestiegenen Zinsen und extrem hohen Materialkosten für immer weniger Menschen erschwinglich. Und das gilt nicht nur für die Anschaffungskosten.

Hinzu kommt: Bauunternehmen gehen die Aufträge aus. Sie bauen nicht mehr auf, sondern teure Kapazitäten ab. Das verschärft eines der größten sozialen Probleme im Euro-Raum, den extremen Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen. Betriebsschließungen und -verlagerungen nehmen zu. Selbst die amtliche Erwerbslosigkeit steigt.

Einzig die Börsenanleger zeigten sich nach der Zinserhöhung durch die EZB optimistisch: »In Erwartung eines baldigen Endes des Zinserhöhungszyklus (…) haben die Dax-Anleger am Freitag bei Aktien zugegriffen. Der deutsche Leitindex rückte um 1,4 Prozent auf 15.958 Zähler vor«, meldete die Nachrichtenagentur Reuters am Freitag.