Ausland25. März 2021

Venezuela fordert Freigabe blockierter Vermögenswerte

Regierung in Caracas vergrößert Anstrengungen zur Beschaffung von Impfstoffen. »Interimspräsident« unter Druck

von Volker Hermsdorf

In Venezuela sind Teile der rechten Opposition offenbar bereit, den Forderungen internationaler Hilfsorganisationen nachzugeben, von den USA eingefrorene Vermögenswerte des Landes für den Ankauf von Coronaimpfstoffen freizugeben. Wie AFP am Freitag meldete, hat ein Vertrauter des von Washington als »Interimspräsident« anerkannten venezolanischen Oppositionspolitikers Juan Guaidó dies jetzt gegenüber der Nachrichtenagentur bestätigt.

Ende Februar hatte bereits Reuters berichtet, daß Vertreter der Guaidó-Opposition sich auf Gespräche mit der Regierung von Präsident Nicolás Maduro eingelassen hätten, um mit einem Teil des eingefrorenen Geldes die Teilnahme des Landes an der internationalen Coronaimpfinitiative »Covax« zu finanzieren. Insgesamt solle dabei laut Agentur jetzt über eine Gesamtsumme von mehr als hundert Millionen US-Dollar verhandelt worden sein.

Die Regierung in Caracas hat derartige Meldungen bislang nicht offiziell bestätigt. Im staatlichen Fernsehen hatte Präsident Maduro jedoch bereits im Februar erklärt, seine Regierung arbeite an einem 300-Millionen-Dollar-Deal für die Lieferung von Vakzinen. Details zu der jetzt angeblich erzielten Vereinbarung wurden bisher nicht bekannt. Eine Guaidó nahestehende Quelle habe jedoch erklärt, es handle sich um eine erste Zahlung zur Lieferung von zwölf Millionen Impfstoffdosen binnen eines Jahres, meldete AFP.

In Venezuela hat unterdessen eine zweite Welle von Covid-19-Infektionen begonnen, »die viel virulenter ist«, erklärte Vizepräsidentin Delcy Rodríguez auf einer Pressekonferenz in Caracas. Laut Statistik der Johns-Hopkins-Universität hatte das Land mit rund 30 Millionen Einwohnern bis zum Samstag offiziell 149.149 Corona-Infizierte und 1.475 Todesfälle in Zusammenhang mit dem Virus registriert. Aus der Hauptstadt und mehreren Provinzen sei in den vergangenen Tagen eine Zunahme von Ansteckungen mit einer aus Brasilien eingeschleppten Mutation gemeldet worden, warnte Delcy Rodríguez.

Zwar hat Venezuela bislang mehr als 200 Millionen US-Dollar in russische »Sputnik V«-Impfstoffe investiert, doch hatten die Behörden zunächst beschlossen, den Impfstoff von AstraZeneca nicht zuzulassen. Um das Impftempo angesichts der drohenden Zunahme von Infektionen durch die Mutation trotzdem zu beschleunigen, ist Venezuela dringend auf den Erwerb anderer Lieferungen angewiesen. Eine Einigung zwischen Regierung und der von Washington unterstützten Opposition über das eingefrorene Geld und andere gesperrte Werte könnte dazu beitragen, die zweite Welle abzuflachen.

Die USA haben seit 2019 als Teil ihres Sanktionsprogramms für einen Regime-Change rund 342 Millionen Dollar eingefroren, die Venezuelas Zentralbank in den USA deponiert hatte. Zuvor waren bereits die Guthaben und das Eigentum von Citgo, einer US-amerikanischen Tochter der staatlichen Erdölgesellschaft »Petróleos de Venezuela« (PDVSA), beschlagnahmt worden. Die Kontrolle über Konten und Vermögenswerte Venezuelas in den Vereinigten Staaten übertrug Washington an den Oppositionspolitiker Guaidó, der auch versucht, sich der in England eingelagerten 31 Tonnen Goldreserven des Landes im Wert von mehr als einer halben Milliarde Dollar zu bemächtigen.

Um die negativen Auswirkungen derartiger Maßnahmen auf das Gesundheitswesen abzuschwächen, fordert die Regierung in Caracas seit Monaten die Freigabe der blockierten Vermögenswerte. Die venezolanische Regierung hatte zum Beispiel den Erlös aus dem Verkauf des Goldes an das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNPD) überweisen wollen, das damit den Erwerb von Medikamenten, Hilfsgütern und Impfstoffen zur Bekämpfung der Coronapandemie organisieren und überwachen sollte. Die von Maduro als »Diebstahl« bezeichnete Beschlagnahme hat das jedoch verhindert.

In der vergangenen Woche übergab Außenminister Jorge Arreaza dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, bei dem Venezuela die Einleitung eines Verfahrens gegen die USA wegen »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« beantragt hat, die Ergebnisse einer Untersuchung der Sonderberichterstatterin und Menschenrechtsbeauftragten der UNO Alena Douhan. Sie hatte darin unter anderem angeprangert, daß die Beschlagnahme der Vermögenswerte von Citgo notwendige Operationen an Kindern verhindert hatte. Die UNO-Vertreterin hatte auch die durch USA-Maßnahmen erfolgte Blockade der Impfkampagne kritisiert.