Ausland29. April 2025

Vertreibung und Hunger

von Manfred Ziegler

Die Versorgung mit Hilfsgütern ist eine völkerrechtliche Verpflichtung, die respektiert werden muß«, betonten der französische Präsident Emmanuel Macron, der ägyptische Präsident Abdel Fatah El-Sisi und der jordanische König Abdullah II. bin al-Hussein in einer gemeinsamen Erklärung zum Krieg gegen Gaza Anfang April. Macron fügte hinzu, man müsse wieder die Zwei-Staaten-Lösung diskutieren.

Für die israelische Regierung und die Mehrheit der Abgeordneten der Knesset ist beides ein »No-go«. Für den israelischen Kriegsminister Katz ist die Verweigerung humanitärer Hilfe ein Druckmittel, um die Spannungen zwischen Bevölkerung und Hamas zu erhöhen. Israels Kulturminister Miki Zohar geht noch weiter. Für ihn gibt es nur verabscheuungswürdige Mörder in Gaza, die keine humanitäre Hilfe verdienen.

Und Benjamin Netanjahu antwortete Macron in einem Telefongespräch und betonte, wie schon mehrmals in der Vergangenheit, er lehne einen palästinensischen Staat ab, weil er eine »Belohnung für Terrorismus« sei. Deshalb ist für Israel auch eine mögliche künftige Verwaltung von Gaza durch die Autonomiebehörde (PA) keine Perspektive. Denn sie würde die Aussicht auf einen palästinensischen Staat stärken. Und ihre Verachtung gegenüber der PA hätte Israels Regierung nicht deutlicher zum Ausdruck bringen können als in ihrem Verhalten gegenüber deren Präsidenten Mahmud Abbas. Als er zu einem Staatsbesuch nach Damaskus fliegen wollte, verweigerte ihm Israel die Überflugrechte – über Syrien.

Diese Verachtung hindert verbliebene Mitglieder der Fatah in Gaza nicht daran, sich bemerkbar zu machen. Bei Protestmärschen gegen den Krieg äußerten sie teilweise Parolen gegen die Hamas. Netanjahu und seine Regierung werden vermutlich dennoch auf ihre Hilfe verzichten.

Israel hat mittlerweile die Kontrolle über weite Teile des Gazastreifens – circa 70 Prozent der Fläche – übernommen. Es handelt sich überwiegend um flache, unbebaute oder weitgehend zerstörte Gebiete, in denen jede Bewegung aus der Luft oder von Scharfschützen am Boden überwacht wird. Die Menschen werden immer wieder vertrieben. 500.000 waren es allein in dem Monat seit der Wiederaufnahme der Angriffe.

Der palästinensische Aktivist Ahmed Fouad Alkhatib beschrieb in der Zeitschrift »Foreign Policy« seine Sicht auf die israelische Strategie so: »Die Palästinenser sollen in bestimmten Gebieten in Gaza konzentriert werden, Mangelernährung und Not würden den Rest erledigen.«

Wieder gibt es etliche Vorschläge für ein Waffenstillstandsabkommen, von Israel, den USA und Ägypten. Einen ägyptischen Vorschlag, der eine künftige Verwaltung von Gaza durch renommierte Persönlichkeiten vorsieht, hat die Hamas sogar unterschrieben.

Doch nach wie vor verlangt die Hamas einen vollständigen israelischen Rückzug aus Gaza und ein Ende des Krieges – und die Freilassung der palästinensischen Gefangenen. In Israel waren am 17. April, dem »Tag der palästinensischen Gefangenen«, fast 10.000 Palästinenser in Haft. Davon waren 3.500 in »administrativer Haft«, ohne Anklage und Urteil. Und 400 waren Kinder und Jugendliche, die meisten in Haft wegen Steinwürfen, auf die bis zu 20 Jahre Gefängnis stehen – falls Steinwerfer nicht sofort erschossen werden.

Israel dagegen will sukzessive in Verhandlungen die Freilassung der Geiseln erreichen – ohne auf die Fortsetzung des Krieges danach und die vollständige Zerschlagung der Hamas zu verzichten.

Zu derartigen Verhandlungen ist die Hamas offenbar nicht mehr bereit. Ihr Verhandlungsführer Khalil Al-Hayya erklärte in einer Fernsehansprache, die Hamas sei nicht an Zwischenlösungen interessiert. Sie wolle Verhandlungen, in denen es um eine umfassende Lösung gehe, um ein Ende des Krieges.