Ausland28. Juli 2009

Wirbel um Clintons »Verteidigungsschirm«

US-Außenministerin droht Iran mit neuem Aufrüstungsprojekt und offenbart Widersprüche im Establishment

Eine Bemerkung der US-Außenministerin Hillary Clinton am Mittwoch letzter Woche während ihres Besuchs in Thailand über einen US-amerikanischen »Verteidigungsschirm« für den Mittleren Osten hat erneute Zweifel an der außenpolitischen Abstimmung zwischen Weißem Haus und US-Außenministerium geweckt.

Die Passage, die im Nahen Osten und den USA für erheblichen Wirbel gesorgt hat, wurde von der »New York Times« wie folgt zitiert: »Wir wollen, daß der Iran sich über eine meiner Meinung nach faire Einschätzung klar wird, daß wenn die USA einen Verteidigungsschirm über die Region aufspannen und wir sogar noch mehr tun, um die militärischen Kapazitäten der Golfstaaten zu stärken, dann ist es unwahrscheinlich, daß der Iran stärker oder sicherer sein wird, denn die Iraner werden dann nicht in der Lage sein, jemanden einzuschüchtern oder zu dominieren, wie sie offensichtlich zu können glauben, wenn sie erst einmal Atomwaffen haben.«

Hier kommt erneut die unveränderte Haltung des US-amerikanischen Imperialismus zum Zuge, die bereits zur Rechtfertigung für die Aneignung der Ressourcen der nordamerikanischen Ureinwohner und den Genozid an ihnen herhalten mußte. Ebenso wie seinerzeit die militärische Expansion der USA mit den angeblich bösen Absichten der Indianer begründet wurde, nutzt Frau Clinton jetzt die nicht existierende nukleare Bedrohung durch den Iran als Vorwand für die Errichtung eines »Verteidigungsschirms« über den Mittleren Osten, um so das »amerikanische« Öl in den Golfstaaten zu sichern. Diese Ungeheuerlichkeit wird dann auch noch als hilfreicher Akt gegen den »iranischen Aggressor« verkauft. Aber obwohl das Konzept eines gegen den Iran gerichteten »Schutzschilds« seit Jahren von Washingtoner Denkfabriken propagiert wird, ist es im Establishment der USA nicht unumstritten.

Zudem ist der Begriff »Verteidigungsschirm« seit dem Kalten Krieg mit bestimmten Vorstellungen und Verhaltensregeln verbunden und löst entsprechende Reflexe aus. Strategisch auf den Punkt gebracht verlangt ein »Verteidigungsschirm« – so der im Kalten Krieg erprobte Journalist Jim Hoagland von der »Wa­shington Post« – von den USA »die bindende Verpflichtung, daß ein Angriff auf einen Partner unter dem Schirm wie ein Angriff auf das amerikanische Mutterland betrachtet wird und mit allen Mitteln, wenn nötig auch mit Atomwaffen beantwortet wird«. Aber das außenpolitische Establishment der USA ist in dieser Frage nicht einer Meinung. Nicht alle sind dafür, eine solche Verpflichtung gegenüber ihren arabischen »Partnern« einzugehen, zumal dies auch eine Garantie gegen israelische Angriffe bedeuten würde.

Bereits während des Wahlkampfs 2008 hatte Hillary Clinton in einer TV-Debatte einen US-Schutzschirm für den Mittleren Osten thematisiert. Während der Debatte sprach sich zwar ihr damaliger Mitbewerber Barack Obama für die Verteidigung Israels aus, sagte aber nicht, ob auch die arabischen Staaten geschützt werden sollten. Die »New York Times« beeilte sich daher letzte Woche, einen »hochrangigen Mitarbeiter aus dem Weißen Haus« zu zitieren, der Clintons jüngsten Vorstoß in dieser Sache als private Meinung der Außenministerin abqualifizierte.

Inzwischen hat Frau Clinton bereits zurückgerudert. Ein »Verteidigungsschirm« sei »nichts besonderes« und sie habe nicht die Absicht gehabt, über irgendwelche formalen Garantien zu sprechen. Derweil wird in den USA die erneut sichtbar gewordene unzureichende außenpolitische Koordination in der Obama-Administration kritisiert.

Rainer Rupp